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Dienstag, 15. Mai 2012

Kooperation, Frieden und Offenheit bestimmen Forschungs-Festival


(Ottersberg) Am vergangenen Wochenende war die Präsentation der Forschungsergebnisse der Künstlerinnen und Künstler vom „Festival of Art as Research“. Es hatten sich 32 forschende Künstlerinnen und Künstler im Bahnhof Ottersberg zu einer einwöchigen Forschungssession getroffen um das Thema „Translation“ zu ergründen. Von Freitag bis Sonntag stellten sie in 26 Performances, 17 Ausstellungen, 7 Videoarbeiten, 8 Vorträgen, 16 Musikdarbietungen, 4 Workshops und 4 sonstigen Veranstaltungen ihre Erfahrungen vor.
Es handelte sich bei diesem Festival um ein Praktika von drei Studentinnen der Fachhochschule Ottersberg. Ein Praktikum das in dieser Größe noch nicht statt gefunden hatte. Neele Ruckdeschel erklärte wie es entstand. Nachdem sie, Laura von Raffay und eine weitere Studentin ein Thema für das Praktikum erhalten hatten entschieden sie sich für ein Forschungsfestival. Ihre Dozentin versorgte die Drei mit einem Berg von Literatur zum Thema „Translation“ (Übersetzung). Nach der Lektüre formulierten sie ein Konzept und starteten einen Call for Artist in verschiedenen Internetforen. Darauf meldeten sich eine große Anzahl Künstler die gerne teilnehmen wollten. Für die Umsetzung stellten sie diverse Förderanträge die leider nur zu einem knappen Drittel bedient wurden.
Ich kann nur von einem kleinen Ausschnitt berichten. Eine Pantominen-Show die tänzerisch akrobatisch eine Beziehungsgeschichte erzählte war das Erste was ich sah. Die Körpersprache war hier das Medium der Übersetzung. Eine klare spassige Choreografie zeigte die Geschichte. Als nächstes sah ich eine Installation mit roten Papierblumen. Eine poetische Übersetzung von einfachen und auch tiefgreifenden Gefühlen. Eine weitere Installation war die Übersetzung von einem Zimmerinhalt in Karton dargestellt. Alles in dem Zimmer war mit dünnem Karton nachgebaut. Die Musikcasetten, das Bücherregal, die Gegenstände darauf, der Teppich, die Möbel einfach alles bis ins kleinste Detail. Hierzu fallen mir viele Fragen ein: Welchen Wert haben die Dinge die uns umgeben? Welche Dauer soll unser Besitz haben? Wir geben den Dingen um uns herum unterschiedliche Bedeutung, doch was wenn sie ein und die selbe haben? Weiter zu nächsten Station, einer Ausstellung. Fotografien aus der Umgebung, Hecken, Bahnhofszenen, Straßen, Bilder aus dem öffentlichen Raum. Das besondere daran sind Satzzeichen z. B. als Komma, Ausrufezeichen etc. Diese Interpunktion setzte das Bildgeschehen fort. In einem anderen Raum treffe ich auf eine Klanginstallation. Das Prinzip „Stille Post“ durch alle anwesenden Sprachen aufgenommen und nun in der Installation als Ganzes abgespielt. Auf dem Bahnsteig habe ich eine Performance verpasst, derweil in einem kleinen Flur eine Tänzerin ohne Musik einen ausdrucksstarken Tanz aufführt der mich an Kaffee Müller von Pina Bausch erinnerte. Eine weitere Tanz-Improvisation gibt das Tanzwerk Bremen vom Zentrum für Zeitgenössischen Tanz im Kulturzentrum Lagerhaus. Zwei 20minütige Einheiten, eine davon zum mitmachen für das Publikum bieten sie. Der Höhepunkt ist dann die erzählende Performance/performative Erzählung nach dem Stück Salome von Thornton Wilder. Mit Masken, und vollem Körpereinsatz stellen die beiden Schauspielerinnen die Weiblichkeit und die Männlichkeit nebeneinander und geben Denkanstöße zu einem anderen Verständnis von Emanzipation und Androgynität. Ein krachend volles Programm. Die konkreten Forschungsergebnisse werden sich in den Bachelor Arbeiten niederschlagen. Während der gesamten Woche waren mehrere StudentInnen mit der Kamera dabei und haben eine umfangreiche Dokumentation erstellt. Die Auswertung dieser Arbeit dürfte noch Mal ein spannendes Event geben.
Als kritischer Beobachter bemerkte ich einige Qualitäten im Umgang miteinander. Kooperation, Frieden und Offenheit sind die herausragenden Verhaltensweisen die ich in vielen Situationen sah. Unter Kooperation muss man in diesem Sinne verstehen, dass mehrere Beteiligte an einer Sache wirken und niemand sich als Leithammel oder Übermutter hervortut. Vielmehr entsteht der Eindruck das immer dort eine Hand eingreift wo es die Sache erfordert. Und wem die Hand gehört bedeutet nicht viel. Eine Stimmung von Frieden machte sich bemerkbar in komplizierten Situationen, in denen etwas nicht geklärt ist. Die selbstverständliche Absicht nach einer Lösung zu schauen gestattete keinen Platz für Streit. Und dass obwohl die Festivalteilnehmer schon seit einer Woche auf engem Raum und ohne privatem Rückzugsort miteinander vieles erlebten, auch Kritisches. Die Offenheit zeigte sich in der Bereitschaft alles mit einem „ja“ zu begegnen. Selbst anstrengende Fragen oder komplizierte Aufgaben wurden mit Interesse angegangen. Auch hier konnte ich die Erschöpfung sehen ohne Gereiztheit zu entdecken. Diese drei Qualitäten sind eine fruchtbare Basis für alles Kreative; ein Chaos in dem etwas Raum greifen kann, in dem sich etwas unerwartetes entwickeln kann, in dem Lösungen gefunden werden und ein tieferes Verständnis für die Dinge die wir bereits zu kennen glauben.
Am Sonntag war eine Podiumsdiskussion angesetzt um eine Konklusion der Ergebnisse dieser Forschungswoche zu finden. In der Güterhalle hatten man den Bühnenboden mit weißem Papier ausgelegt. In der Mitte ein kleiner schwarzer Kreis, wurden nun die Künstlerinnen und Künstler aufgefordert sich mit Pinsel und Tusche in einem weiten Kreis um den Mittelpunkt aufzustellen und ihre Erfahrungsreise zum Thema „Translation“ dieser Woche zu malen. In 15 Minuten entstand ein ca. 80m2 großes Bild. Wollte man einen Vergleich ziehen so könnte man sagen, die Teilnehmer waren sieben Tage vornehmlich intuitiv und mit der rechten Gehirnhälfte am wirken. Es wäre eine seltsame Anstrengung gewesen so zack umzuschalten und mit dem rationalen Hirnteil ein Ergebnis zu formulieren. Das Bild mag wohl keine wissenschaftliche Grundlage oder Aussage ergeben, aber ein Ausdruck von intensivem forschen, erleben, ringen einlassen, wandeln und natürlich sich zu transformieren ist es alle Male. Fachhochschule Ottersberg 

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