Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Freitag, 27. Dezember 2013

Langer Weg eines Aussenseiters in den selbstgewählten Tod


(Bremerhaven) Wo der Sozialstaat nicht greift, ist der Mensch seinem Schicksal selbst überlassen. In den letzten Monaten konnte man häufiger in der Presse lesen, dass Menschen aus finanziell-sozialer Verzweiflung den Weg des Suizids gewählt haben. Der Bundespräsident beschwört die Bürger, sie mögen sich stärker ehrenamtlich, also unentgeltlich, engagieren, und somit folglich die Aufgaben des Sozialstaats übernehmen. Zig Milliarden € werden jährlich in der BRD förmlich verbrannt, veruntreut, verschwendet, doch will es den Politikern nicht gelingen die sozialen Missstände zuordnen und die Bedürftigen angemessen zu versorgen. Man muss in Zukunft deutlicher den je die Frage stellen, wer mit Geld Haushalten kann und wer nicht. Man wird auch mehr in Frage stellen müssen was wichtiger ist: Die bestehende Rechtsordnung oder das Leben der 20 - 30% Mitbürger die kaum oder gar nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

So plakativ und allgemein die Einleitung auch klingen mag, sie trifft auf viele Lebenswege und entscheidet oft über Leben und Tod einzelner Personen. Exemplarisch darf hier auf ein Buch von Eberhard Pfleiderer verwiesen werden: Rotkäppchen - Wer kannte ihn wirklich? Dabei handelt es sich um eine Figur die in Bremerhaven lebte und dort durch Suizid aus dem Leben schied. Es ist ganz normal Biografien zu verfassen über Leute die im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen oder standen. Leute die Geschichte geschrieben haben. Man setzt ihnen ein Denkmal weil sie etwas für die Gemeinschaft wertvolles geschaffen haben. Dann beleuchtet man auch deren Schattenseiten, um zu zeigen, dass es sich bei diesen Vorbildern auch um Menschen gehandelt hat. Pfleiderers Biografie von Rainer Bruno Jürgen Kühl ist das Gegenteil. Das Buch zeigt die Versagerlaufbahn eines Menschen der ethisch keineswegs vorbildlich gelebt hat. Es wird sein Kampf beschrieben, mit dem ihm gegebenen Umständen erwachsen zu werden und mit der Bürde seiner Vergangenheit klar zu kommen. Es zeigt einen Egoisten und narzisstisch geprägten Menschen der seine Lebensherausforderungen so weit verdrängt, im Sinne von Freudscher Psychologie, bis er sich  in letzter Konsequenz selbst aus der Welt entfernen muss. Was er dann schließlich auch tut.

Die Biografie ist mehr eine recht gut recherchierte Sozialstudie als ein Leuchtfeuer moralisch nachahmenswerter Grundsätze. Es ist die offen gestellte Frage, welche Verantwortung unser Sozialstaat hat? Und kommt er ihr nach? Die Sozialisation des Rainer Bruno Jürgen Kühl fand durch die Duldung seiner Mitmenschen und durch das Mitgefühl seiner Freunde statt. Die Zeit in der wir heute Leben gibt noch weniger Zeitraum für Mitmenschlichkeit als vor 30/40 Jahren. Jetzt, ca. 15 Jahre nach seinem Suizid, bietet dieses Buch eine nützliche Fallstudie. Manchmal zwar etwas schwierig der Chronologie zu folgen, und vielleicht auch zu häufige Wiederholungen im Text, könnte man als negativ anführen. Doch diese „stilistischen“ Schnitzer sind verzeihlich im Vergleich zum Thema und der gründlichen Darstellung. 

Eberhard Pfleiderer - Rotkäppchen - Wer kannte ihn wirklich? Buch mit beigefügter DVD ca. 1:40 Std. Laufzeit, beim Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven ISBN 978-3-86509-819-1

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Installationen von Obsession und Fragilität


Performative Installationen an der Schwelle der Entzifferbarkeit.

(Hannover) Die Kestnergesellschaft Hannover zeigt seit dem 12. Dez. 2013 Installationen von Karla Black und Kitty Kraus. Zur Ausstellung wird ein ambitioniertes Rahmenprogramm angeboten. Die Arbeiten sind geprägt von Einfachheit und Durchlässigkeit, sie sind raumgreifend und federleicht. 

Die Räume wirken leer. Der sensible Ausstellungsbesucher spürt sofort, dass er mitten drin ist in der Installation. Der Kopfgesteuerte läuft Gefahr das Werk zu zerstören. Da liegt z.B. in der Mitte eines Raumes eine Glasscheibe von ca. 5 Meter Länge und und einen halben Meter breit auf dem Fussboden. An einem Ende ist die Scheibe mit einer weiteren hochkant gestellten Scheibe unterstützt und hebt sich somit vom Boden ab. Diese Installation von der in Heidelberg geborenen Kitty Kraus hat keinen Namen. Kraus gibt ihren Arbeiten keine Namen. Das ist gut. Denn so gelingt es einem nicht eine Kategorie aus dem Ärmel zu zaubern und weiter zu gehen. Die beiden Scheiben auf dem Fussboden werfen Fragen auf, die noch nicht einmal unbedingt in Worte gefasst werden müssen. Der Betrachter setzt sich in Beziehung zum Raum, der nahezu leer ist, und den beiden Scheiben, die er evtl. fast zertreten hätte. Es ist die Kunst so viel wie möglich weg zu nehmen um an den Kern der Sache zu gelangen. Es ist also ein Ort der Einkehr, ein Ort der Reflektion mit sich, in Beziehung mit dem was die Installation vorgibt. Ein Moment von Spiritualität, der Begegnung des Menschen mit sich und seiner Umwelt.

Im nächsten Raum ist es gleich und anders herum. Der Raum, das ehemalige Goseriedebad, ist dunkel, diffus beleuchtet. Zwei quadratische säulenartige Kuben stehen mitten im Raum. Die Deckel scheinen in knappem Abstand darüber zu schweben, so dass waagerecht ein schmaler Lichtschein heraus strahlt. Seltsamerweise ist an der Wand aber kein Lichtstreifen zu sehen, sondern ein dunkler schmaler Schatten. Nun kann man durch diesen Licht-Schatten-Kontinuum hindurchgehen ohne es zu beschädigen, im Gegensatz zum Raum zuvor. Hier herrscht auch nicht die Spiritualität vor - sondern vielmehr das Wunder der physikalischen Irritation. Es ist also das Yang zum  Raum zuvor. Es ist hier die Welt um den Betrachter herum und wieder in Beziehung mit ihm. Hier ist der Raum gefüllt mit etwas und dennoch extrem reduziert auf das wesentliche.

Karla Black ist das farbige Pendant zu der ehr schwarzweissen Kitty Kraus. Die aus Alexandria (Schottland) stammende Bildhauerin Karla Black hat im Obergeschoß raumgreifende Installationen geschaffen. In ihren Arbeiten springt einem direkt die performative Grenzauslotung von Materie an. Obwohl auch hier die Arbeiten von bezeichnender Transparenz sind, sind sie auch geerdet durch körperliche Begegnung mit den Materialien. In einem Raum sind transparente Klebestreifen, Umgangssprachlich auch Tesafilm, von der Decke zum Fussboden lotrecht angeordnet. Die Streifen sind mit dem Auge auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Man spürt nur das etwas die Sicht beeinträchtigt, wenn man durch den großen Raum schaut. Die Klebestreifen haben Fingerabdrücke und sind recht gleichmässig über die Fläche verteilt. Als würde die Luft sichtbar gemacht. An der Wand sind drei Objekte. Hier steht die Gestaltung von Gegensätzen im Vordergrund.

Der obsessive Umgang mit Material wird noch deutlicher in einem Anderen Raum. Dort sind zwar auch wieder Klebestreifen lotrecht von Decke zum Fussboden gespannt und wenige Objekte stehen zwischen den Klebestreifen am Boden. Doch hier hat Black die Hunderte - wenn nicht gar Tausende - Klebestreifen von oben bis unten mit farbigem Kreidepulver bestäubt. Die vielleicht sechs verschiedenen Farbtöne sind alle sehr blass und ehr wie ein Farbhauch zu erkennen. Um die Obsession noch zu unterstreichen gibt es die Anweisung, dass bei einer ungewollten Beschädigung der Farbpulverspuren nicht einfach nachgepudert werden darf, sondern der Klebestreifen muss original erneuert werden. Das ringt dem Betrachter eine gewisse Achtung und Respekt ab. Es handelt sich eben nicht nur um Farbpulver, sondern viel mehr um den Akt des Handelns. Ihre Arbeiten ermahnen ohne aufdringlich zu werden daran, dass es die Taten sind die uns als Menschen ausmachen.

Die hier exemplarisch beschrieben Arbeiten von Karla Black und Kitty Kraus werden von einen umfangreichen Begleitprogramm ausgestellt. Es gibt Kestnerdialog mit der Künstlerin Kitty Kraus, Direktorenführung mit Dr. Veit Görner, kostenlose Führungen, Sonderführungen unter dem Titel „der andere blick“ mit Eberhard Meier, Gruppen und Schulführungen, Kestnerkids sehen Kunst- machen Kunst und goes International und einiges mehr. Die zahlreichen Informationen findet man auf der Homepage . Die Ausstellung ist noch bis zum 2. März 2014 zu sehen.

Dienstag, 10. Dezember 2013

Neuste Print Ausgabe der Kultur-News

Lange hat es gedauert seit der letzten Print Ausgabe der Kultur News. Nun gibt es eine neue Ausgabe mit der Nummer 006. Das Schwerpunkt Thema lautet "Alte Bürger" Bremerhaven. Sicherlich auch interessant für Leser die nicht in der Stadt wohnen. Auf Wunsch sende ich die Ausgabe gerne wie immer zu.

Samstag, 9. November 2013

Solidarität der Sanktionierten


Ralph Boes plant eine Tour durch Deutschland, um sich mit anderen Sanktionierten und Betroffenen auszutauschen. Über 3300 Euro Spendengelder sind in den letzten Wochen schon eingegangen, um diese Tour zu ermöglichen und Ralph Boes Leben zu sichern. Das Auftakttreffen der Aktion ist am 12.11.13 in Berlin.

Ralph Boes schreibt in seiner Einladung: „die durch den Brandbrief in Gang gesetzten Auseinandersetzungen um die Sanktionen in Hartz-IV haben jetzt ein Stadium erreicht, in dem eine Wandlung im Umgang mit dem Thema notwendig ist. Kräftige Sanktionen, um nach Karlsruhe klagen zu können, habe ich jetzt im Überfluss erhalten. Ein juristisches Gutachten über die Verfassungswidrigkeit der Sanktionen ist erstellt und im Sozialgericht liegen jetzt mehrere Klagen mit dem Gutachten vor. (…) Anders als bei einer Demo, die nur kurz wahrnehmbar ist, in der zwar öffentlich Forderungen gestellt, aber nicht die dahinter liegenden Probleme für außen stehende Betrachter erlebbar gemacht werden können, wünsche ich mir eine Bewegung, die sich kontinuierlich entfaltet und auf verschiedenste Weise die Probleme zeigt. Und auch die Lösungen der Probleme. Ich stelle mir vor, eine Tour durch Deutschland zu machen, auf der wir uns Ort für Ort in Ruhe treffen, Aktionen durchführen, Vernetzungen anbahnen, Ort für Ort Erlebnisberichte aus dem Leben der Sanktionierten verfassen und veröffentlichen, Fotos machen, Filme drehen, direkt mit den Politikern reden, gemeinsam über Verbesserungsvorschläge sprechen – das dann alles veröffentlichen usf.. Damit ein Bild gewoben wird, an dem die Politik sich orientieren kann. Im Vordergrund der Tour soll – aus meiner Sicht – die menschliche Dimension der Sanktionen stehen! Und die Begegnung zwischen uns allen!“  

Zur Startveranstaltung werden alle Betroffenen sowieso alle - an der Menschenrechtslage in Deutschland Interessierten – eingeladen. Es soll gemeinsam über Möglichkeiten und Potentiale der Aktion gesprochen und ein Anfang für eine größere Bewegung geschaffen werden. Die Bürgerinitiative Grundeinkommen e. V. wird dazu ein freies Buffet anbieten. Die Presse ist herzlich eingeladen, die Veranstaltung zu besuchen und die Tour zu begleiten.

Termin: 12.11.13, 18 Uhr, Zentrum Danziger50, Danzigerstr. 50, 10435 Berlin, 1.OG, großer Saal (Fahrstuhl über Rückseite vorhanden)

Pressemitteilung von Diana Aman.

Dienstag, 29. Oktober 2013

Dramaturgie des Augenblicks

Gaststätte
(Wanna) Rechtzeitig zur Weihnachtszeit mit vielen Gelegenheiten sich bei den Bekannten und Verwandten mit einem kurzem Gruß zu melden sind die ersten Motive der neuen Serie Motivpostkarten erschienen. In dieser Serie erscheinen Fotografien ausschließlich aufgenommen vom Regisseur und Künstler, Friedo Stucke. Die einzelnen Motive zeigen jeweils mehrschichtige Formen kommunikativer Situationen. Es handelt sich dabei um die "Dramaturgie des Augenblicks".


Leonce und Lena
Die einzelnen Motive erscheinen in einer limitierten Auflage von je 1000 Stück. Es gibt die Motivpostkarten einzeln im Direktverkauf im Antiquariat in der Buchtstraße 51, in Bremerhaven. Bei Bestellungen via eMail und Versand per Post sind 10 Karten die Mindestbestellmenge. Preis pro Karte: 1,00€ zzügl.1,00€ Versandkosten.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Theater in der kritischen Orientierung


(Wanna) Die Kunstform Theater befindet sich schon seit langem im starken Wandel. Es änderten sich die Bühnenformen, die Darstellungen darauf, die Dramaturgie, und es kamen viele Formen des Performens hinzu die alle auch Theater sind. Staatstheater sind von diesem Wandel ebenso betroffen wie die freien Theater, die diesen Wandel auch - nicht zuletzt durch den extremen Innovationsdruck - hervor gerufen haben. Mit dem Buch von Bernd Stegemann - Kritik des Theaters wird hier eine Grundlage vorgelegt, die für viel Diskussion sorgen kann. Der Regisseur, Philosoph und Germanist Bernd Stegemann kennt das Theater von der praktischen Seite sehr genau. Er war Dramaturg am TAT FfM, im Deutschen Theater und der Schaubühne Berlin. Ausserdem ist er Professor für Dramaturgie und Theatergeschichte an der Ernst Busch.  Seine Erfahrung und sein Studium sind in jeder Zeile zu spüren. So einfach der Titel des Buches auftritt, so komplex ist die Thematik. Stegemann hält sprachlich die Waage dynamisch zwischen anspruchsvoller Ausleuchtung und verständlicher Mitteilung. Man wird sich Zeit nehmen müssen um die ganze Weite der Gedanken zu erfassen und weiter zu denken. Und weiter denken sollte man sie unbedingt, um so mehr wenn man im Theater arbeitet.
„Wie kann Theater jenseits des paradoxen Automatismus der Ironie intelligent sein, und wie entsteht eine Gegenwart des Theaters jenseits der Präsenzeffekte postmoderner Ästhetik?“ So wird im Klappentext gefragt. Es ist zu leichtfertig gesagt, dass Stegemann eine Lanze bricht für die mimetische Kraft des Schauspielens. Es ist die messerscharfe Analyse darüber was Theater heute ist und aus welchen Faktoren es sich zusammensetzt und selbst gebiert. Auf knapp 300 Seiten gewinnt der Leser ein umfangreiches Bild über Themen wie „Performative Wende“, „Authentizität“, „Paradoxien der Dialektik“, „Postkapitalistisches Theater“, „Spielweisen“, „Sprechweisen“ und verschiedene mehr. Zum Verständnis ist es hilfreich zu wissen wer Adorno, Marx, Boltanski, Hegel und Heidegger sind oder waren. Es ist ein beflügelnder intellektueller Ritt eines auch-Pragmatikers.
Bernd Stegemann, Kritik des Theaters, Verlag Theater der Zeit, 334 Seiten, 24,50€, ISBN 978-3-943881-02-8 auch als eBook erhältlich ISBN 978-3-943881-48-6

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Klimawandel – ooh doch!!!


Dies ist ein Beitrag in eigener Sache.
Gibt es einen Klimawandel oder gibt es ihn nicht? Doch das ist noch nicht einmal die Kernfrage. Denn sie käme zu spät, der Klimawandel ist bereits da. Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten 50 Jahren um ca. 0,65 Grad gestiegen. Das ist etwa zweimal so viel wie in den vergangenen 100 Jahren. Tendenz steigend.  Derzeit strittig in den Medien diskutiert wird die Dringlichkeit. Und an diesem Punkt setzt die Installation „Kliiimawandel??? Sooooo´n Quatsch!!! Das machen wir später.“ ein. Wie man kürzlich im Greenpeace-Magazin lesen konnte gibt es Studien die einen Klimawandel erst in späteren Jahrzehnten erwarten lassen. Diese Ergebnisse unterstützen die Haltung: Nach mir die Sintflut! So wundert es auch nicht, dass diese Studien von denen in Auftrag gegeben wurde, die sich am „weiter so“ eine goldene Nase verdienen, natürlich auf Kosten der Umwelt. Die Weichen für einen Klimawandel sind von der Gesellschaft und der Wirtschaft gestellt. Mittlerweile bedarf es einer gigantischen Anstrengung um den Klimawandel zu stoppen, und eine noch viel größere Anstrengung um ihn umzukehren.
Meine Installation „ Kliiimawandel??? Sooooo´n Quatsch!!! Das machen wir später.“ leistet einen verschwindet geringen Beitrag für die Regenerierung der Umwelt. Aber sie leistet ihn. Bis zum 20. Oktober 2013 ist die Installation noch auf der ReArt t(w)oo in Ihlienworth zu sehen. Sie besteht aktuell aus 381 Gläsern mit einem Schraubdeckel aus Metall. Es sind Gläser wie sie in vielen Haushalten wieder verwendet werden um z.B. Marmelade einzukochen. In vielen Hobby Werkstätten sammelt man darin Schrauben, Nägel und diverse andere Kleinteile. Die Gläser stehen in einer spiralförmig beginnenden Reihe, die sich zum Ende hin kurvenreich durch den Raum schlängelt. In jedem Glas liegt ein Zettel. Auf der Vorderseite steht der Titel der Installation gedruckt. Auf der Rückseite handschriftlich das Datum der Ausstellung und meine Unterschrift. Es handelt sich um eine „Wander-Installation“ die bei jedem weiteren Aufbau um zusätzliche Gläser erweitert wird. Wenn sich eines Tages ein Käufer findet, der die gesamte Installation übernimmt, wird die Hälfte des Erlöses nach Abzug von Galeriegebühren und Steuern an eine Gesellschaft oder Verein gespendet, die oder der sich intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt und fördert. 
Der Preis der Installation ist mit 50,00€ pro Glas festgelegt. Bei derzeit 381 Gläsern handelt es sich noch um einen übersichtlichen Betrag. Wer also einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten will ohne sich finanziell groß aus dem Fenster lehnen zu wollen, kann Gläser spenden. Ich reinige die Gläser und füge sie der nächsten Ausstellung bei. Dabei bitte ich zu bedenken, dass ein signifikanter Beitrag zur Nachhaltigkeit noch nicht einmal geleistet werden kann selbst wenn 1.000.000 Gläser ausgestellt und verkauft wurden. Diese Installation soll darauf aufmerksam machen wie groß die Anstrengung sein muss um den Klimawandel zu stoppen. Es kann also jeder selbst entscheiden was wichtiger oder sinnvoller ist: Die Installation immer wieder auszustellen um ein Bewusstsein zu schaffen, oder zu kaufen und somit auf materieller Ebene zu wirken.ReArthall in Ihlienworth

Samstag, 28. September 2013

Aus-gehungert auf dem Weg zum Bundesverfassungsgereicht


Die folgende Pressemeldung wird hier unverändert veröffentlicht. Bereits in den vergangenen Monaten hatte ich einige Pressemeldungen zu diesem Fall veröffentlicht. Sie können auf diesem Blog nachgelesen werden. Friedo Stucke

Nach einer erneuten Sanktion, die am 1.August 2013 über Ralph Boes verhängt wurde, hat dieser erneut öffentlich vorgelebt, dass die Sanktionen sehr wohl bis zum Hunger führen. Nach über 50 Tagen ist die Lage um Ralph Boes so besorgniserregend geworden, dass nun mehrere Menschen begonnen haben, Darlehen an das Jobcenter Berlin-Mitte zu überweisen. Sie fordern das Jobcenter auf, im Namen der Allgemeinheit das Geld umgehend an den mittellosen Ralph Boes weiterzuleiten. Wird das Jobcenter selbst diese Gelder vorenthalten?
Die Arbeit von Ralph Boes, die Verfassungswidrigkeit des Hartz-IV-Systems öffentlich anzuklagen, begann mit seinem Brandbrief im Juni 2011. Immer wieder zog er seit dem bewusst und willentlich Sanktionen auf sich. Er braucht sie, um mittels ihrer zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe klagen zu können. Zweitens soll öffentlich klar gezeigt werden, zu welch drastischen Mitteln unser so genannter Sozialstaat greift, um seine Forderungen durchzusetzen. Wie weit ist der Staat bereit zu gehen, um Menschen in den Niedriglohnsektor und in sinnlose Beschäftigungsmaßnahmen zu zwingen? Die diesmalige Sanktion betrifft nicht nur den Lebensunterhalt, sondern auch Kosten für Unterkunft, Heizung und Krankenkasse.
Inzwischen wurde beim Sozialgericht Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt. Damit wäre die Sanktion bis zur richterlichen Klärung ihrer Gültigkeit aufgehoben worden. Doch diese aufschiebende Wirkung wurde abgelehnt.
Hilfsbedürftigkeit oder Mittellosigkeit sind heute kein hinreichendes Kriterium mehr, um staatliche Unterstützung zu erhalten. In erster Linie zählt die menschenrechts- wie verfassungswidrige Unterwerfung unter eine unzeitgemäße Vollbeschäftigungsdoktrin! Die Darlehensanweisungen an das Jobcenter sind ein Aufruf, sich wieder an die Fürsorgepflicht zu erinnern und dieser bedingungslos nachzukommen.
Ralph Boes ist nach über 50 Tagen der Mittellosigkeit nicht mehr Handlungsfähig. Er steht am Scheideweg. Das Jobcenter wird die Darlehen vermutlich nicht weiterleiten. Herr Boes könnte verhungern und es würde kaum mehr als ein Achselzucken in der Politik bewirken.
Doch damit noch nicht genug! Das Jobcenter hat vor wenigen Tagen die nächste 100% Sanktion ausgesprochen. Es sei zu erwarten, dass Herr Boes seinen Pflichten auch in Zukunft nicht nachkommen wird. Wohin soll das führen?
Um die Klage zum Bundesverfassungsgereicht aufrecht zu erhalten, muss Ralph Boes leben. Auf  Drängen der Aktivistengruppe hat er seit Kurzem angefangen, wieder Nahrung anzunehmen, wenn sie von Freunden gegeben wurde. Ohne Solidarität wäre Ralph Boes bald Geschichte. Wir danken den Darlehensgebern für ihre Zivilcourage.
Diana Aman

Die drängende Zukunft Europas


(Wanna) Bereits im vergangenen Jahr legte der Steidl Verlag aus Göttingen das neue Buch von Oskar Negt vor: Gesellschaftsentwurf Europa. Oskar Negt ist der Soziologe der es wagt fundamental anders zu denken in Zeiten da eine Übermutter Merkel mit beschwichtigenden Worten für Ruhe sorgt. Die Demokratie ist noch lange nicht ausgereift. Und die Notwendigkeit Demokratie auf innovative Beine zu stellen ist so nötig wie nie.
Mit dem vorliegendem Text versucht Oskar Negt eine Lücke zu füllen. Denn Negt befürchtet, dass das große Vereinigungsprojekt Europa in Verruf gerät, „weil im verengten Horizont der mit diesem epochalen Projekt Beschäftigten die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Menschen in den einzelnen Ländern nicht vorkommen“. „Nationale Eigentümlichkeiten und kultureller Eigensinn der einzelnen Länder haben harte Prägungen hinterlassen, die durch Geld und institutionelle Vereinbarungen nur schwer aufzubrechen sind. Deshalb sind aktive Bewusstseinsbildung und die Entwicklung politischer Urteilskraft Grundpfeiler im europäischen Gebäude…“, so Negt in der Vorbemerkung.
Soziale Bewusstseinsbildung ist die Grundlage für eine solidarische Ökonomie. Für die Rettung von Bankensystemen ist Geld vorhanden, dabei wird billigend in Kauf genommen dass die Gesellschaftsordnungen Europas zerfallen. Hier bricht Negt eine Lanze für die politische Bildung. Um als Französin, Deutscher etc. sich als Europäer/in zu verstehen bedarf es kollektiver Lernprozesse die Raum geben für die Alltagserfahrungen der Menschen.Auf gut 100 Seiten blickt er auf die Lebensgrundlagen der Europäer die gewandelt oder vereinigt werden müssen. Negt erkennt an, dass Wirtschaft, Ökonomie nur sinnvoll ist wenn sie den Menschen als Gemeinschaft dient. Hier spricht ein kluger Kopf mit Weitsicht. Er gibt Entwürfe wie ein Europa sein sollte/könnte in dem nicht nur Eliten und Finanzmagnaten leben, sondern wir alle miteinander.
Oskar Negt - Gesellschaftsentwurf Europa Verlag Steidl / ifa 2012 ISBN 978-3-86930-494-6

Donnerstag, 5. September 2013

Artrium Schauspiel Seminar an der Ostsee


(Hamburg) Es dürfte keine Frage sein, das sich die Art des Schauspiels in den letzten Jahren gewandelt hat. Die Anforderungen an Schauspieler entsprechen dem Wandel in der Gesellschaft. Alles muss schnell gehen, Informationen vermitteln und darf nicht über Fakten hinaus gehen. Doch Publikum und Schauspieler empfinden zunehmend eine Leere, und Unverbindlichkeit in der Darstellung der Charaktere. Die Schauspielakademie Artrium in Hamburg beschäftigt sich in einem Seminar mit der „Magie der Berührung“. Dabei handelt es sich um ein Schauspiel Seminar das vom Leiter der Akademie, Lukas Scheja, entwickelt und geleitet wird.
Es geht darum zu lernen wie man als Schauspieler das Publikum erreicht um dessen Ergriffenheit oder emotionale Beteiligung zu mobilisieren. Scheja erforscht mit den Teilnehmern in besonderen Übungen, die auf die Bedürfnisse für Bühne und Film abgestimmt sind, „Berührung als Phänomen und Sensation in der darstellenden Kunst“. Das Seminar ist für Schauspieler und professionelle und ambitionierte Künstler überhaupt konzipiert. 
Konkrete Informationen zum Seminar, das vom 20. - 22. Sept. 2013 in Grundstein-Neukirchen an der Ostsee statt findet, erhält man bei Uta Grey: Kontakt oder via Tel.: 0172 - 70 22 111.

Donnerstag, 22. August 2013

Global denken - lokal handeln


(Wanna) Der Titel, Die große Volksverarsche, ist zu harmlos um den Inhalt von Hannes Jaenickes Buch auch nur annähernd zu beschreiben. Oder es gibt keinen Skandal mehr der uns Menschen ergreifen kann, so sehr ergreifen, dass wir in die Lage kommen betroffen zu reagieren um etwas verändern zu wollen. Wir sind gelähmt in Gleichgültigkeit. Wir sind müde von Fleischskandal zu Datenskandal zu Politikskandal usw. gejagt zu werden. Denn wir Konsumenten sind einfach nur Menschen die Leben wollen. Wir sind es Leid mit jedem Einkauf eine neue Verarschung zu erdulden. Vielleicht schlägt aber bald die Ohnmacht um in Wut. Dann raffen wir uns evtl. auf und ergreifen die kleinen Gelegenheiten mit denen uns der Protest gegeben ist, mit dem wir zum Ausdruck bringen können, wie sehr es uns anödet belogen, betrogen missachtet zu werden.

Hannes Jaenicke listet in neun Kapiteln auf wie Industrie und Medien uns zum Narren halten: Verpackungswahn, Banken, TV, Kosmetik, Energiewende, Bekleidung, Automobile, Medizin und Pharmaindustrie und zu guter letzt Weine. Im letzten Kapitel beschreibt Jaenicke, wir Konsumenten haben durchaus auch Mittel zur Hand uns zu wehren. Er stellt diesem Kapitel ein Zitat von Gandhi voran: "Die Menschen zögern oft, einen Anfang zu machen, weil sie fühlen, dass das Ziel nicht vollständig erreicht werden kann. Diese Geisteshaltung ist genau unser größtes Hindernis auf dem Weg zum Fortschritt, ein Hindernis, das jeder Mensch, sofern er nur will, aus dem Weg räumen kann."

Wir bekommen genau das was wir erwarten. Wir erwarten, dass wir verarscht werden und werden es. Dieses Buch aus dem Gütersloher Verlagshaus (ISBN 978-3-579-06636-3) ist aber vor allem für die unter uns geschrieben, die sich informieren wollen um die Erwartung zu formulieren wertvolle Produkte kaufen zu können. So findet man hier Informationen in Hülle und Fülle. Nicht nur die weiterführenden Webadressen um sich individuell zu informieren und Entscheidungen zu treffen ist ein großes Plus in diesem Buch, sondern die unmittelbare Darlegung von Umständen mit denen wir täglich beim Einkauf konfrontiert sind. Wenn in wenigen Wochen Wahl ist haben wir  alle die, wenn auch noch so kleine, Gelegenheit, unserem Unmut Ausdruck zu verschaffen. Die Probleme die Jaenicke beschreibt sind nicht unlösbar, sie sind vielmehr von wenigen unter uns gewollt.

Die Eingangs beschriebene Lethargie kann nach der Lektüre leicht überwunden werden. Jaenicke gibt allerdings keine Handlungsanweisungen, sondern schildert vielmehr dass man sich gegenseitig informieren und unterstützen - und mit kleinen Schritten für eine Verbesserung sorgen kann. Es ist ein Paradebeispiel für den Slogan: Global denken - lokal handeln.

Sonntag, 11. August 2013

Keilschrift, gedruckter Kodex bis zum eBook.


(Wanna) Die Zeit der leichten Urlaubslektüre ist bald wieder vergessen. Mit Beginn der Arbeit wendet man sich sachlicheren, ernsthafteren Themen zu. „Das Buch“ eine illustrierte Geschichte aus dem Gerstenberg Verlag (ISBN 978-3-8369-2697-3) ist dann genau der Titel der beides erfüllt. Vom ersten Code in Ton gedrückt bis zum eBook wird die gesamte Geschichte erzählt. In kurzen Essays mit 266 Illustrationen, davon 214 in Farbe, liefert der Autor Martyn Lyons einen Eindruck über alle wesentlichen Stationen die das geschriebene Wort bis heute ging. Es sind viele, sehr viele Stationen, so viele dass es nicht möglich war auf 224 Seiten zu sehr in die Tiefe zu gehen. Doch selbst mir als altem Büchernarren eröffneten sich hier und da noch Episoden aus der Geschichte, die mir unbekannt waren.
Allen Unkenrufen zum Trotz wird das Buch in seiner gebundenen Form weiter bestehen. Seit über zehn Jahren werden massiv Texte digital erfasst und in verschiedenen Formaten zum lesen angeboten. Doch diese Entwicklung konnte nicht annähernd dem Kodex seine Berechtigung streitig machen. Es ist wahrscheinlicher zu erwarten, dass die technische Entwicklung in ihrer Hast und revolutionärem Fortschritt, den Versuch das Buch abzulösen hinter sich lässt. Im Kapitel Wissen für alle gibt das Buch hierüber Auskunft.
Ein anderes Kapitel befasst sich mit dem Werdegang der Verleger die aus den Druckereien entstanden sind. Weitere Themen sind Buchkunst, Zensur, Urheberrecht, Enzyklopädien, die érsten Bestseller, der Wandel vom Sachbuch zur Belletristik, und natürlich die Entstehung und Entwicklung des Buchdrucks. 
Der Band ist eine Gelegenheit zum Einstieg in die Geschichte des Buches. Im Anhang findet sich ein Glossar und eine Bibilographie mit der man sich in der Thematik vertiefen kann. Es ist aber auch ein schönes Geschenk für Buchliebhaber die noch keinen Zugang zur Entwicklung dieses Mediums haben. Ohne die neuesten Entwicklungen zu übersehen schließt der Autor mit einer interessanten Zusammenfassung: „Wo kaum verlässliche Stromnetze existieren, kann das gute alte Buch all seine Vorteile ausspielen: Es ist tragbar, haltbar und wiederverwendbar, und es braucht weder Batterien noch Wartung.“ Und wenn es einmal „abstürzt“ hebt man es einfach wieder auf und ließt weiter.

Dienstag, 9. Juli 2013

Wo steht das Freie Theater heute?




(Bremerhaven) Aus Protest und Enttäuschung haben vor mehr als zwei Jahrzehnten viele Theaterschaffende den staatlichen Bühnen den Rücken gekehrt um in eigener Regie Theater zu machen. Völlig auf sich gestellt haben diese kreativen Menschen die Theaterlandschaft neu geformt, vielseitig ausgestaltet und mit zahllosen Innovationen auf einen Stand gebracht, dass heute die staatlichen Theater sich gerne dort inspirieren um ihr Publikum zu erreichen. Der transcript Verlag aus Bielefeld legt eine Rückschau über die Entwicklung der Freien Theater vor: Herausgegeben von Eckhard Mittelstädt und Alexander Pinto - Die Freien Darstellenden Künste in Deutschland Diskurse, Entwicklungen, Perspektiven ISBN 978-3-8376-1853-2 zum Preis von 29,80€.
Die 22 Autoren berichten mit sachlicher Klarheit leidenschaftlich über die Entstehung der Freien Theater und deren Entwicklung. Dabei wird deutlich, die Kreativen in der Freien Szene sind mehr als Künstler. Sie sind die Verwaltungsangestellten, Manager, Bühnenbauer/Handwerker, Werbefachleute, Kulturwissenschaftler, Pädagogen, Netzwerker, Vereinsgründer und nicht zuletzt Kulturpolitiker. Oft findet man die vielen Qualifikationen in gehäufter Mehrfachnennung in einer Person. Allrounder! Aus der Not vor keinem noch so abwegigen Job versagend, haben sie alle Aufgaben erledigt um die Darstellende Kunst, ihre Berufung, zu erfüllen. Die einzelnen Beiträge zeugen von einer reifen Kritik und Selbstkritik. Nannten sie sich zu Beginn Freies Theater weil sie sich aus Zwängen befreiten, so sind sie heute in mannigfachen Umständen immer noch gefangen. Sei es dass sie nur 30% ihrer Arbeit für die Kunst einsetzen, oder dass sie selbstausbeuterisch den sozialen Stand des Prekariats geprägt haben; sie denken sogar darüber nach das Attribut „Frei“ aus dem Namen zu entfernen.  
Die einzelnen Beiträge sind gegliedert in: A. Die Freie Darstellende Kunst im gesellschaftlichen Diskurs, B. Das Freie Theater auf dem Weg, C. 20 Jahre Freie Darstellende Künste - Ein Blick auf die Genres, D. Das Freie Theater und seine Strukturen. Ergänzt wird es durch einen umfangreichen Serviceteil mit weiterführenden Literaturhinweisen und Webadressen, so wie kurze Darstellungen der Autoren.
Im Teil C. Genres bekommt man eine Vorstellung von der Vielseitigkeit der Freien Szene. Kinder- und Jugendtheater, Tanz, Puppentheater, experimentelles Theater, Sprechtheater, Musiktheater, Dokumentarisches Theater und die diversen Zwischen- und Übergangsformen. Die verschiedenen Herangehensweisen sprengen die Klassifizierungen. Vor allem weil seit einigen Jahren intensive und grenzüberschreitend nach neuen Ausdrucksformen geforscht wird. Die Einzelkämpfer der ersten Jahre haben sich über Vereinsstrukturen und Interessengemeinschaften Schritt für Schritt organisiert. Aus den Landesverbänden entstand ein Bundesverband der mit unermüdlicher Hingabe erreichte, dass die Freien Theater auch kulturpolitisches Gehör erlangten. Ein großer Raum ist der Förderung gewidmet, deren Struktur und Schwierigkeiten so wie Vorschläge zur Verbesserung.
Ich empfehle dieses Buch nicht nur für die vielen kreativen Menschen im Theater. Es ist auch lesenswert für alle politischen Entscheider und leidenschaftlichen Theatergänger. Transparenz, Offenheit und Beteiligung sind die Schlagwörter mit denen die Freien Theater ihren mutigen Beitrag in die kulturelle Gemeinschaft geben. Das geht uns alle an.

Montag, 3. Juni 2013

Drittes Ego Zooming im TIF


Shang-Jen Yuan
(Bremerhaven) Zum Ende der Spielzeit zeigen die Tänzerinnen und Tänzer des Stadttheaters Bremerhaven ihre eigenen Choreographien im TiF, dem Theater im Fischereihafen. Dann kommen die Tanzliebhaber der Stadt auf ihre Kosten, ein Augenschmaus bei dem die Vielfältigkeit des Balletts gefällig ausgebreitet wird. Am Donnerstag hatte Ego Zooming im 3. Jahr Premiere. Es waren noch Plätze frei in den Reihen der begeisterten Zuschauer.
Müsste ich hinterher ein Thema für diesen Abend angeben, so wäre die Entscheidung leicht: Der menschliche Körper in seiner unermesslichen Vielfalt. Es drängt sich die Frage auf was Tanz eigentlich sei. Das Ego Zooming Ensemble präsentiert unaufdringlich einige Antworten. Die Tänzer sind dankbar, sich der Gnade bewusst das höchste Gut der Menschheit, seinen Körper, in aller Schönheit und unendlichen Wandelbarkeit zu zeigen. Ihre Körper sind federleicht. Ihre Skelette sind  biegsam und elastisch. Alle Körperteile wirken in Harmonie. Musik und Körper werden zur Einheit und gehen in dieser Einheit weit über Musik und Körper hinaus. Allein durchs zuschauen wird mir bewusst, wie viel mehr mein eigener Körper ist als Fleisch und Knochen, welche ich Tag für Tag durch die Gegend schleppe. Auch ich fühle mich federleicht und biegsam wenn mir hier und da ein Laut der Verzückung entweicht. Das muss man nicht fantasieren, es ist real, so real! Die Tänzerinnen und Tänzer zaubern diese Momente auf die Bühne für all die die gewillt sind sich mitreissen zu lassen, die offen und bereit sind den tieferen Sinn von Kunst zu erfahren: Transformation, Hoffnung und Reflektion.
Im Ballett Ensemble hat es einigen Wandel geben. Dadurch wird die Darstellungsvielfalt wie mit einer Frischzellenkur angereichert. Nicht nur dem Nordsee-Zeitungs Redakteur Loskant war zu Schwanensee aufgefallen, dass die Vanaev Choreographien in ihrer Darstellungsvielfalt zu erschöpfen drohen. Beim Ego Zooming III ragten vier Tänzerinnen und Tänzer heraus wie Leuchttürme in einer Neumondnacht. Louisa Poletti zeigt in ihrer eigenen Choreographie „My Little World“ einen spirituellen Bezug in fließenden Harmonien zu Musik von Radiohead. Lidia Melnikova´s Choreographie war eine erfrischende und clowneske Geschichte um „The Princess and the Pea“ die sie zusammen mit Kai Braithwaite spielte. Die jedoch schockierend interessanten Nummern wurden von den neuen Tänzern Oleksandr Shyryayev und Shang-Jen Yuan geboten. Shyryayev ist groß. Wenn er beginnt, weicht der Raum zurück um Platz für Oleksandrs Ausdruck zu schaffen. Er zeigt eine Poesie von einem Gedicht das niemand verstehen kann, nur erspüren, ahnen kann. Shang-Jen dagegen nutzt eine Kommunikation bei der Akteur und Betrachter in ihren Rollen klar aufgeteilt sind. Er gestaltet den Tanzboden mit einer Stellwand und Lichtprojektionen, die durch ihn Dreidimensionalität schaffen und in Frage stellen. Shang-Jen konstruiert ein Bild und lässt dann sein Publikum darüber reflektieren. Seine Choreographie hat eine geistige philosophische Ebene die fremd und ambivalent fesselnd wirkt.
Es gab filmische Gestaltung beim Ego Zooming III in diesem Jahr die hervorzuheben ist. Zwei Clips zeigten Ausschnitte aus den Probenprozessen. Intelligente und einfühlsame Kameraführung, sowie ein präzise gestalteter Schnitt gaben einen tänzelnden Einblick hinter die Kulissen. Ein weiterer Film  mit dem Titel „A Satisfied Mind“ Musik von Jeff Buckley ist Teil einer Choreographie Elizabeth Towles, getanzt von Michael Scicluna und Ensemble. Die Kombination von Filmsprache und Tanz ist sehr gelungen.
Der ca. zweistündige Abend mit einer kleinen Pause verging wie im Flug, Ein Flug wie auf einem Teppich aus Tausendundeiner Nacht. Langer, starker Applaus und befriedete Gesichter zum Schluss. Weitere Vorstellungen gibt es im Theater im Fischereihafen (TiF) am 23. + 24. Juni jeweils um 20:00. Karten gibt es unter 0471-49001 im Stadttheater Bremerhaven.

Montag, 27. Mai 2013

Der nackte Wahnsinn amüsant gespielt


(Bremerhaven) Die Theatertruppe „Markant“ hatte am Samstag Abend Premiere mit der Posse „Pension Schöller“ in der Storm Deel der Theo Lutherstraße 7.  Trotz Mega-Fussball-Ereignis fanden sich viele Zuschauer in der Aula der Theo ein.
Ensemble "Markant" und Regisseurin Anke Hempel
Die Inszenierung von Anke Hempel zeigte ein turbulentes Spiel der beliebten Spielvorlage von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby welches bereits 1890 uraufgeführt wurde. Die Autoren, mehrere Jahre aktiv im Mainzer Carneval-Verein, schrieben ein pointiertes Stück. Wenn es den Amateuren von Markant vielleicht manchmal auch an Präzision fehlte, so glichen sie dies durch Spieleifer und Zusammenspiel aus.
Der Neffe Alfred Klapproth (Nils Richter) will ein Cafe eröffnen und benötigt dazu eine Kapitalspritze von seinem Onkel Philipp Klapproth (Wolfgang Martens). Er wird dabei von seiner Tante Ida Klapproth (Johanna Zimnik) unterstützt. Doch der Onkel knüpft eine Bedingung an den Kredit: Sein Neffe soll ihm dabei behilflich sein eine Nervenheilanstalt kennen zu lernen. Wie geschaffen dafür ist die Pension Schöller, in der sich die schrägsten Charaktere der Stadt einquartiert haben. Da ist der Prof. Bernhardy (Steve Böker) der mit Safari-Erlebnissen prahlt, die poetisch-prosaisch überdrehte Schriftstellerin Josephine Zillertal (Christiane Seeliger), der in seinen Kriegserinnerungen zirkulierende Major von Mühlen (Ruth Taylor). Die Pensionswirtin Frau Schöller (Johanna Zimnik) sorgt sich um ihren Mann Eugen (Britta Dunzik) und um ihre Tochter Franziska (Jordes Jeser) die doch nun endlich unter die Haube muss. Nachdem sich die schrägen Vögel, äh Pensionsgäste, beim Onkel vorgestellt haben nimmt das Schicksal seinen Lauf. Im letzten Akt treffen sich alle auf dem Gut Klapproth in Kyritz und bringen den Onkel in doppeldeutiger Bedrängnis.
Markant besteht aus jüngeren und älteren theaterbegeisterten Amateuren die schon über zehn Jahre oft und in wechselnder Besetzung in Bremerhaven und darüber hinaus aufgetreten sind. Mit einfachen Mittel wie z.B. simplen Paravents und minimalsten Requisiten haben sie eingängige Charaktere entworfen die durch die bunten Garderoben unterstrichen werden.
Weitere Vorstellungen sind für den 29.05. + 31.05. + 01.06. + 05.06. jeweils um 19:30 Uhr und am 02.06. um 16:00 Uhr vorgesehen. Karten gibt es an der Abendkasse oder können im Kulturbüro Bremerhaven bestellt werden: 04706 - 1386

Montag, 20. Mai 2013

Theatergruppe „Markant“ spielt „Pension Schöller“


(Bremerhaven) Die Posse „Pension Schöller“ von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby ist seit seiner Uraufführung 1890 eine beliebte Spielvorlage für Berufs-, Amateur- und Schülertheater. Im Mittelpunkt steht der wohlhabende Gutsbesitzer Klapproth, dessen innigster Wunsch es ist, einmal eine Nervenheilanstalt von innen kennen zu lernen. Sein Neffe, der dringend Geld für die Gründung eines Künstlercafés benötigt, beschließt zusammen mit seiner pfiffigen Freundin, den Wunsch des Onkels Wirklichkeit werden zu lassen, indem sie die etwas exzentrischen Gäste der „Pension Schöller“ als „Irre“ ausgeben. Es kommt zu einer ganzen Reihe von Situationen absurder Komik, die ihren Höhepunkt erreichen, als die Pensionsgäste, wie Klapproth meint, aus der Heilanstalt „ausgebrochen“, in seinem friedlichen Gutshof einfallen. Schließlich muss er erkennen, dass er das Opfer einer Intrige geworden ist.

Die Theatertruppe Markant ist eine Gruppe jüngerer und älterer Theaterbegeisterter, die seit mehr als zehn Jahren ernste und heitere Stücke zur Aufführung bringt, so u. a. eine Bearbeitung von Goldonis „Mirandolina“, Borcherts „Draußen vor der Tür“ und zuletzt 2012 Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“. Auch bei der „Langen Nacht der Kultur“ und beim Lichterfest im Speckenbütteler Park haben Mitglieder  der Gruppe mehrmals mitgewirkt. Seit einigen Jahren finden die Proben und Aufführungen in der „Theo“ statt.

Die Premiere von „Pension Schöller“ in der Regie von Anke Hempel ist am 25. 05. 2013 um 20 Uhr in der Aula der Theo, Lutherstr. 7, 27576 Bremerhaven. Karten für 7 €, erm. 5 € gibt es an der Kasse.

Sonntag, 12. Mai 2013

Friedrich Hebbels Maria Magdalena in Bremerhaven


(Bremerhaven) Nahe an der noch nicht erfundenen Gattung „Hörspieltheater mit Symbol-und Zeichensprache“ hielt gestern Abend im Stadttheater Bremerhaven Thomas Oliver Niehaus´Maria Magdalene Premiere. Mit dem bürgerlichen Trauerspiel wurde zumindest der Bildungsauftrag, mit der in Deutschland als minderwertig geltenden Pädagogik, erfüllt.
Minimalkonsens - die Geschichte: Klara (Meret Mundwiler) hatte ersten Sex mit Leonhard (Andreas Möckel). Der wird aber erst von ihrem Vater Anton (Kai Krause) akzeptiert wenn er einen Job hat. Aber Leonhard ist viel mehr hinter der Mitgift her als hinter Klara. Als er erfährt, dass es gar keine Mitgift gibt, lässt er Klara fallen wie eine heiße Kartoffel. Mittlerweile hat er auch schon mit der Tochter des Bürgermeisters eine lohnenswertere Partie am Haken. Antons Sohn Karl (Martin Bringmann) wird falsch verdächtigt Juwelen gestohlen zu haben. Als der Haftbefehl vollstreckt wird, erleidet die Mutter (Isabel Zeumer) einen Herzstillstand und stirbt. Anton ist mächtig enttäuscht. Sohn ein Lump?! Frau Tod?! Freier verpisst sich?! Alle Hoffnung liegt nun auf der Tochter, sie solle ihrem Vater nur ja keine Schande machen. (Doch wir wissen was er nicht weis; sie ist schon schwanger) Doch er verlangt dass sie in die Hand der sterbenden Mutter schwöre, sie werde ihm keine Schade bringen. Klara, in aufrichtiger Loyalität, ist zerrissen zwischen Vater (der widerum schwor sich zu töten falls sie Schande über ihn brächte), Friedrich (Walter Schmuck), (Den Burschen den sie wirklich liebt) und Leonhard (welcher ihre Ehre retten könnte) der sie doch heiraten möge nach dem sich zeigte, dass Karl unschuldig am Juwelenverlust ist. 
Klara ist die einzige die kein eigenes Leben hat. Sie ist nur der Katalysator für die Erfüllung der Leben der Männer, einer Spezies die so unselbständig ist, das sie ohne die Stütze durch christlichen Glauben und der durch Heirat verpflichteten häuslichen Küchenhilfe nicht existieren kann.
Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Klaras Bitte an Leonhard wird mit aller Härte abgelehnt. Friedrich stellt Leonhard zum Duell. Und Karl will nach der U-Haft nun zur See fahren und dort sein Glück, und vor allem die Befreiung vom väterlichen Elternhaus suchen. Am Ende verliert der Patriarch alles. Hebbel war eben auf seine Art schon ein fortschrittlicher Geist (UA 1846).
Minimalbewegung und Zeichengeunkel: Sprechtheater muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Schauspieler sich nicht bewegen dürfen. Es bedeutet vielmehr, dass sie durch die Bewegung ihres Körpers eine Kommunikation üben die dem gesprochenen Wort einen Sinn gibt der weit über das Wort selbst hinaus geht. Durch das Spiel der Mimen werden mehr als nur der Gehörsinn an der Wahrnehmung beteiligt. Doch das ist hier nicht gegeben. Allein Kai Krause versteht es mit Bravour dem Wort eine Bedeutung beizugeben. Auch er ist in seinem Bewegungsstil ganz ruhig, schreitet mit wenigen Schritten über die Bühne macht mal hier und da eine Drehung, alles abgesprochen, abgezählt und auf den Punkt genau. Doch Krause fügt eine sehr wichtige Sache hinzu: Er lässt die Worte wie einen lebenswichtigen Atem durch seinen Körper wandern, und wenn sie die Lippen verlassen spürt man jede Regung die dieser Atem im Vater bewirkte. Krause kommuniziert mit mehr als einem Sinn. Er macht uns im Theatersessel betroffen, wir fühlen mit ihm. Warum sehen wir das nicht bei Meret Mundwiler in der Verkörperung der Klara? Klara ist die Heldin dieses Schauspiels!
Man darf nun nicht davon ausgehen das sich nichts auf der Bühne bewegt. Keineswegs. Da ist eine organisierte Dynamik zu erkennen. Das Bühnenbild hauptsächlich bestehend aus einem Baugerüst (was mag das wohl bedeuten?) wird beklettert - rauf und runter. Warum??? Vielleicht um dem Auge des Betrachters etwas Bewegung anzubieten - damit er nicht einschlafen möge? Dynamik durch Spannung tritt auch auf: Klara fällt bei einem ihrer Gänge fast von der Treppe weil Andreas Möckel ihr keinen Platz ließ. Ein Schreckens „Ach!!!“ ging durchs Publikum. Sind das die Methoden um ein Publikum bei der Stange zu halten? Oder ist es die Zeichen- oder Symbolsprache die allerorten erscheint? Z.B. Oben am Gerüst ist ein Richtkranz, oh was mag das bedeuten,? Auf dem Gerüst oben links ist ein blauflackerndes Licht, uuh ein technischer Defekt oder Mystik? Der weiße Gehrock von Leonhard ist ganz verstaubt auf einer Seite, ist das Dreck auf seiner Weste? Der Gerichtsdiener tritt mit E-Gitarre auf, was bedeutet das nun schon wieder? Die Tote Mutter tritt auf und spricht sogar - aus dem Grab oder ins Gewissen - man weis es nicht. Wolfram, ein Mann, wird von Kika Schmitz dargestellt, ein Hinweis auf die weibliche Seite des (Neben)Charakters?
Der Bewegungsminimalismus wird so weit getrieben das nicht einmal eine Pause möglich ist. Hitchcook hat uns anderthalb Stunde zugestanden als Zeiteinheit für eine Blasenfüllung. Thomas Oliver Niehaus erweitert das auf satte zwei Stunden. Kein Wunder dass viele im Publikum auf die Uhr, aufs Handy schauten und auf den Sitzen zu rutschen begannen. Aber vielleicht war auch das nur ein Trick um die Zuschauer wach zu halten
Am Ende zollte das Publikum einen mässig langen Premieren-Applaus der deutlich und verdient anschwoll als Kai Krause und Meret Mundwiler sich verbeugten.

Samstag, 11. Mai 2013

Ralph Boes und Hartz IV


Pressemitteilung 

Die unendliche Sanktion 
 
Ralph Boes hungert inzwischen erneut, seit nunmehr 37 (!) Tagen, aufgrund einer 60% Sanktion des Jobcenters Berlin-Mitte. Da er das Hartz-IV-System als menschenrechts- und verfassungswidrig kritisiert und sich nicht beugen lassen will, ist ein Ende der Sanktionen nicht abzusehen. Eine 100% Sanktion wird durch ein neues Schreiben des Jobcenters vorbereitet.
 
Was ist los in diesem Land?
Inge Hannemann, die inzwischen wohl bekannteste Jobcentermitarbeiterin Deutschlands, verweist auf die Missstände des Hartz-IV-Systems. Während Deutschland die Whistleblower offiziell schützen möchte, passt es doch gar nicht in den Kram, wenn eine Fallmanagerin ausplaudert, wie demütigend, grundgesetzwidrig und irrational die Anwendungen der Sanktionen im SGBII sind. Sie ist vorerst freigestellt.
 
Auf der anderen Seite belegt Ralph Boes durch seinen öffentlichen Widerstand, zu welchen Konsequenzen die Sanktionen führen.
Schon seit über 5 Wochen hungert er aufgrund der neuerlich wieder gegen ihn verhängten Sanktion und stellt die Menschenrechtsfrage für die Innenpolitik Deutschlands.
In seinem letzten Schreiben an das Jobcenter kündigt er nun sogar an, in den Wahlkampf zu gehen: Bis zur Wahl  will er „Vollzeit ehrenamtlich (…) im Interesse und zum Wohle der Allgemeinheit“ tätig sein.
 
Das Sanktionsziel  Ralph Boes zur fremdbestimmten „Erwerbsarbeit“ zu erziehen, wird sie verfehlen.
Auf der Agenda seines parteilosen Wahlkampfes steht:
-„Rückgewinnung der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ der BRD
- Wiedereinsetzung der Menschenrechte und der Verfassung
- Stärkung der Arbeitnehmerrechte und der Wirtschaftskraft

Diese Gesellschaft wird sich entscheiden müssen:  Ist nur Gelderwerb „Arbeit“ – und sinnvolle, selbstlos geleistete Tätigkeit nicht? Wir haben mit dem Prinzip des „Forderns und Förderns“, ein System geschaffen, welches Menschen zur Unterwerfung  zwingt.
 Wer nicht im Sinne der engen Erwerbsdoktrin arbeitet, hat sein Recht auf Leben derzeit verwirkt. 

Donnerstag, 28. Februar 2013

Cino Djavid mit Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet



Frühlings-Erwachen
(Wilhelmshaven) Die Landesbühne Niedersachsen Nord meldet, Schauspieler Cino Djavid, seit 2010 festes Ensemblemitglied an der Landesbühne, wurde im Anschluss an die gefeierte Premiere von „Frühlings Erwachen“ am 23. Februar von der proskenion Stiftung mit dem Nachwuchsförderpreis für Darstellende Künste ausgezeichnet. Der Jury erstmals aufgefallen war Cino Djavid in der Rolle des Karl in der Wilson/Waits-Fassung von „Woyzeck“, es folgten weitere außergewöhnliche Auftritte als Orest in „Iphigenie“, Mercutio in „Romeo und Julia“, Yaya in „Bilal“ und König Alfonso in „Die Jüdin von Toledo“. 

Die Jury um Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Lars Göhmann begründet darüber hinaus ihre Entscheidung wie folgt: „Cino Djavid spielt mit unausweichlicher Intensität. Er nähert sich in großer Ernsthaftigkeit seinen Rollen, dekonstruiert diese, setzt sie wieder zusammen, macht sie sich zu eigen. Seine faszinierende Bühnenpräsenz, seine Professionalität, sein kreativer Wille und eine nicht zu bändigende Lust am Darstellen, kennzeichnen ihn als eine Schauspielerpersönlichkeit mit beeindruckendem künstlerischem Potenzial. Und er fordert – Kollegen wie Zuschauer. Ein Schauspieler, wie ihn unsere Theaterlandschaft dringend benötigt.“

Zur Zeit steht Cino Djavid als Spiegelberg in „Die Räuber“, als Carlos in „Clavigo“, als Keil in der Uraufführung „Ubu, König“ und als Moritz Stiefel in „Frühlings Erwachen“ auf der Bühne der Landesbühne.

Die proskenion Stiftung ist eine der führenden Einrichtungen in der Nachwuchsförderung der Darstellenden Künste und prämiert seit 2006 herausragende und außergewöhnliche Leistungen junger Bühnendarsteller. Der bundesweit ausgeschriebene Preis wird alle zwei Jahre verliehen und dient zugleich als Forum, um junge Künstler einem breiteren Publikum vorzustellen.

Dienstag, 19. Februar 2013

Großer Premierenerfolg in privater Atmosphäre


Ensemble und Projektchor Stadttheater Bremerhaven
(Bremerhaven) Mit großem Applaus endete die Premiere Samstag am Stadttheater Bremerhaven von „Wie im Himmel“ einem Schauspiel von Kay Pollak. Eine bemerkenswerte Ensembleleistung flankiert von einer großen Anzahl lokaler Chöre schaffte berührende Momente.
Großes Theater entsteht immer dann, wenn eine Gemeinschaft die Form der kreativen Zusammenarbeit findet, wenn jeder seinem Platz einnimmt und zum Teil einer größeren Idee wird, die man als Einzelner nicht mehr überblicken oder ausfüllen kann. Das erfordert ein Mass besonderer Toleranz und Respekt. Werden diese Qualitäten freiwillig aufgebracht, dann geschehen Wunder im Theater; ringen sich die Beteiligten diese Qualitäten ab, dann sinkt zwar das künstlerische Niveau, aber es bleibt immer noch eine Arbeit wie aus einem Guss. Der Erfolg von „Wie im Himmel“ ist dem Abringen des Ensembles zu verdanken.
Die bewegend großen Momente entstanden durch den Projektchor und dem finalen Auftritt der zehn Chöre: ARS NOVA Obertonchor Brhv., Chorvereinigung Concordia Brhv., Church People Langen, Hand in Hand, Basdahl, Inspiration, Ev. Stadtkantorei Brhv., PopArt, Seaside Gospel Singers, Seniorensingkreis Langen und The Crocodiles. Hartmut Brüsch, dem musikalischen Leiter, ist es gelungen die ca. 200 Chormitglieder zu einer Einheit zu formen. Es sind die unaufdringliche Disziplin der Chöre, und die Harmonie im Gesang, die den tieferen Sinn des Stückes vermitteln.
Das Stück handelt von der Kraft der Musik, und wie sie auf die Menschen – mit all ihren Sorgen und Nöten – wirken kann, vorausgesetzt sie hören wirklich hin und finden den ureigensten Ton in sich selbst. Genau dies ist das Anliegen von Daniel, dem schwedischen Dirigenten der auf dem Höhepunkt seiner Weltkarriere an den Ort seiner beladenen Kindheit zurückkehrt. Dem Theaterstück ging eine Filmversion voraus bei der der Autor selbst Regie führte. Dramaturgisch hat das Stück in der Übertragung für die Bühne einige Federn gelassen. Charaktere wurden zusammen gestrichen und auf weniger Schauspieler verteilt. Dadurch verebbt die Vielfalt der kleinen bewegenden Geschichten der einzelnen Dorf- bzw. Chormitglieder. Ihre Geschichten werden zwar exponiert, verlaufen aber ungeklärt im Sande. Die Transformation des Protagonisten findet gar nicht statt, er stirbt einfach an TBC? Lungenembolie? jedenfalls spuckt er Blut. Da die Charaktere auf Abziehbildformat reduziert wurden und keine Wandlung durchlaufen, ist es eine weitere vertane Gelegenheit für das Schauspielensemble seine Fähigkeiten zu zeigen. Die Abwesenheit von verantwortungsvoller Regie wird an diesem Theater von Inszenierung zu Inszenierung deutlicher. Es kann nur auf Eigeninitiative zurück zu führen sein, dass Walter Schmuck den geistig behinderten Tore so spielt, dass der eine Welt über die Worte hinaus offenbart; oder dass Isabel Zeumer als Pfarrersfrau ihrem Mann nach allen Regeln der Kunst die Leviten liest, wenn sie ihm seine Bigotterie und das verlogene Christentum darlegt. Der Intendant Ulrich Mokrusch, der für diese Inszenierung verantwortlich zeichnet, kann sich dankbar und glücklich schätzen über so ein gut funktionierendes Ensemble zu verfügen.
Die Handlung endet mit der Teilnahme des Dorfchors an einem internationalem Wettbewerb in Wien. Auf der Bühne formiert sich der Projektchor mit den Schauspielern, und aus allen Saaltüren, auch vom Balkon, tauchen die anderen Chöre auf und stimmen mit ein. Das Stadttheater wird in diesem Moment zu einem erhabenen Klangkörper. Das Publikum gibt sich hin und erlebt tatsächlich die Kraft der Musik. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass mit dem letzten verklingenden Ton ein begeisterter Applaus einsetzt und gleich darauf die Menschen sich nach und nach erheben. Der Atem der Musik hebt sie aus den Sesseln. Kein Wunder. Denn die Zuschauer sind fast ausnahmslos Verwandte und Freunde der Akteure auf der Bühne plus Premierenabonnenten. Wie die Inszenierung sich durchsetzt werden erst die kommenden Vorstellungen mit mehr oder weniger neutralem Publikum zeigen. 

Donnerstag, 14. Februar 2013

Experiment Körpertheater


Ramona Suresh - Beziehungswaise
(Bremerhaven) In einer Stadt wie Bremerhaven, die sich nicht gerade sonderlich durch Innovation im Theater heraus stellt, kann man durchaus von einem mutigen Unterfangen reden, bei dem Körpertheater „Beziehungsweise“ das derzeit im JUP gezeigt wird. Die Bezeichnung Körpertheater bewegt sich zwischen Tanz im weitesten Sinne und Mimik andererseits, Sprache wird gewöhnlich sparsam eingesetzt zu Gunsten der gestischen Kommunikationsformen. Das Publikum applaudierte brav und anerkennend.
Natürlich lebt das Theater von Experimenten, vom Aufbruch in neue Felder des Erzählens. Und da man nicht einschätzen kann wie die Arbeit aufgenommen wird, sind die Theaterschaffenden naturgemäß sehr nervös. Lisa Weiss ist Theaterpädagogin, eben keine erfahrene Regisseurin, die sich dennoch der Aufgabe stellte den Roman „Ostersonntag“ von Harriet Köhler in einzelnen Motiven auf die Bühne zu bringen. Die Bühne ist durch eine geneigte Fläche in drei Ebene geteilt. Oben ist eine Mikroanlage um kurze Samples zu erzeugen. Unten wird ein Etagenbett im Verlauf des Stücks aufgebaut. Weiss kam es darauf an möglichst viel mit dem Körper auszudrücken, etwas zu vermitteln ohne die Sprache zu bemühen. Dafür ist es dann leider doch sehr Text lastig geworden.  Wenn man der Geschichte auch nur mühsam folgen kann so gibt es immer wieder schöne Momente in denen die Schauspielerin Ramona Suresh mit einer bestechend klar-poetischen Mimik erzählt. Sie steht allein auf der Bühne und spricht darüber wie sich ihr Vater beim Osteressen in die Hose pinkelt. Suresh spielt so eindrucksvoll das man quasi mit am Tisch sitzt und die Peinlichkeit am eigenen Leibe spürt. Diese Momente sind ganz großes Theater. Auch wenn es nur wenige Momente sind die so hervor stechen, macht es Spass dabei zu sein.
Die Hochachtung vor dem Experiment ist ungeschmälert trotz der nun folgenden kritischen Betrachtung. Denn was wäre ein Experiment wenn es unbeachtet bliebe. Ich beschränke mich auf drei Punkte die für jeden zukünftigen Zuschauer interessant sein dürften. Es wird im Verlauf des Stücks ein Etagenbett aufgebaut. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Wie es allerdings aufgebaut wird ist nicht gelungen. Theater wird sinnlos wenn nicht mehr erzählt wird als uns das Leben in Echtzeit bietet. Selbst „Warten auf Godot“ ist mit vier Stunden-Inszenierungen schon extrem zeitlich verdichtet. Wenn sich die Probleme des Aufbauens im Verhältnis 1 zu 1 dann auch noch wiederholen sackt das Interesse verständlich ab. Das wäre Angesichts der Schauspielerin nicht nötig gewesen. Zweitens: Es mag ja gerade im Trend liegen im Theater möglichst keine Geschichten zu erzählen, sondern Brocken und Fragmente vorzustellen, aber dennoch will der Zuschauer wissen um was es geht. Leider liegen die zu vielen und undeutlichen Textfragmente wie ein wirrer Puzzelteilehaufen auf der Bühne. Man muss sich die Geschichte selber zusammenbauen und hoffen das es so stimmt. Das limitiert die Aufmerksamkeit und das Interesse für andere Momente, bezaubernde noch dazu. Und letztendlich ist neben der Mimik von Ramona Suresh die Kommunikation durch Körper zu vage gehalten, sie nimmt einen zu geringen Raum ein und ihr fehlt der Biss poetischer Klarheit. Dem Experiment wäre eine tiefere Kenntnis von Kommunikationsformen sicher besser bekommen und so weniger Pädagogik. Aber Lisa Weiss hatte den Mut, und vielleicht können wir ihre Erkenntnisse aus diesem Versuch in einer weiteren Inszenierung sehen.
„Beziehungswaise“ für Menschen ab 16 bis 160, gibt es noch am 21. März und im Mai jeweils um 19:30