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Freitag, 25. November 2011

Die Bürgerliche Artefaktur endet mit Finissage



Collage von Ingeborg Rath
(Bremerhaven) Am Sonntag dem 27.11. endet mit einer Finissage um 11:00 das Kunstprojekt „take five“ in der „Alten Bürger“ 194 in Bremerhaven. In acht Wochen haben fünf Künstler aus Bremerhaven und der näheren Umgebung mit ihren Arbeiten im offenen Atelier die Lebensqualität mit Impulsen belebt. Die unterschiedlichen Arbeiten die in dieser Zeit entstanden bekommen einen Platz in Lokalen und Geschäften in der „Alten Bürger“
Die Problematik ist in der ganzen Stadt zu sehen. Viele Geschäfte stehen seit Jahren leer. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen ist die hohe Arbeitslosigkeit ein Fakt der die Kaufkraft schwächt. Sinkende Umsätze treiben viele, auch alteingesessene Geschäftsinhaber in die Pleite. Ein anderer entscheidender Grund ist die Ansiedlung von Verkaufszentren die am Rand der Stadt die Kunden ziehen. Für den Einzelhandel in den einzelnen Stadtteilen wird es dann zur Herkules Aufgabe ausreichende Umsätze zu generieren. Selbst Einkaufstempel wie das Mediterraneo in der Innenstadt kommen nicht auf die nötigen Umsätze. Straßenbaumaßnahmen, die so langfristig und behindert angelegt waren dass einige Geschäfte unerreichbar wurden, kostete manchem Einzelhändler die Existenz. All diese Sachen sind hinreichend in der Presse besprochen worden. Nun liegt der Scherbenhaufen da. Die Stadt setzt seit Jahren auf mehr Tourismus. Kleine ehr unbedeutende Schritte sind erfolgt. Die Havenwelten machen einen guten Eindruck. Doch falls es einem Besucher in den Sinn kommen sollte durch Geestemünde, Lehe oder die Bgm.-Smidt-Straße zu schlendern, wird es wohl schnell der letzte Ausflug gewesen sein den er in dieser Stadt plante. Denn einkaufen kann man auch am Heimatort, wenn dort nicht sogar noch viel besser, und leere und verfallene Geschäfte/Häuser gibt es auch überall in der Republik.
Alfredo Caranguejo
Holzsägearbeit
Um der Vergeisterstadtung entgegenzuwirken initierte Jochen Hertrampf vom Kulturladen Wulsdorf bereits im Jahr 2006 die Kunstaktion „Kunst statt Leerstand“ die sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckte und an der 41 Künstler und Einrichtungen teilnahmen. Daraus ist so etwas wie eine Kulturaufgabe geworden. Aus „Kunst statt Leerstand“ wurde dann „Kultur statt Leerstand“, und immer wieder einzelne kleinere Kunst- und Kulturaktionen. In der „Alten Bürger“ gibt es die Quatiersmeisterei mit dem Kümmerer Jens Rillke. Der entwickelte mit Conny Wischhusen im Frühjahr 2011 die Idee in einem der vielen Leerstände ein offenes Atelier zu veranstalten. Mit dieser Aktion sollte die „Alte Bürger“ belebt werden. Sie erstellte ein Konzept, sprach einige Künstler an die mit ihren Arbeiten eine Vielfalt künstlerischen Schaffens anböten und stellte einen Förderantrag bei der WIN. Der Antrag wurde positiv entschieden und das Projekt startete am 2.10.2011. Jetzt, acht Wochen später, endet dieses Projekt. Durch das intensive Engagement der Künstler sind viele Werke entstanden und es haben viele kleine Geschichten statt gefunden. Man darf von einer Belebung sprechen, darf aber nicht vergessen, dass es keine Nachhaltigkeit gibt und die Impulse wahrscheinlich in wenigen Tagen oder Wochen verpufft sein könnten. Da muss die Frage gestattet sein ob es nicht sinnvoll wäre die Stadt insgesamt mit einem Kultur- und/oder Kunstförderprogramm auszustatten das sich auch nachhaltig auf den immer noch zu erwartenden Tourismus auswirkt? Die Förderung durch WIN kann bestenfalls als Trostpflaster angesehen werden. Denn die Effekte zeigen keine Nachhaltigkeit in Bezug auf die Wohnqualität-In-Nachbarschaft.
Das offene Atelier war an fünf Tagen in der Woche jeweils für mindestens zwei Stunden besetzt. Dann arbeiteten die Künstler vor den Augen der Passanten und Nachbarn. Interessiert kamen einige Bewohner aus der Umgebung herein, hielten eine Klönschnack, berichteten über ihre eigenen künstlerischen Aktivitäten, und organisierten spontan Mitmachaktionen. Ingeborg Rath, die mit selbst geschöpfem Papier eine Säule im Cafe de Fiets und andere Objekte collagierte, bekam Besuch von einem Kindergarten, um mit den Kindern deren eigenes Papier zu schöpften. Die Freude bei den Kindern war groß. Es tauchten bei ihr auch echte Bremerhavener Originale auf, so der „Rote Rolf“ der seine Erlebnisse mit Paul-Ernst Wilke teilte wie er mit ihm zusammen gemalt hatte. Hilke Leu hatte einige Kinder aus der Nachbarschaft zu Gast die sich zum zeichnen auf dem Fussboden ausbreiteten und die künstlerische Werkstatt-Atmosphäre genossen. Viele blieben auch nur an der Schaufensterscheibe stehen und beobachteten was im Laden geschah.
Anjou Reuter, Weidengeflecht
Das Arbeiten in einem offenen Atelier entspricht nicht unbedingt dem künstlerischen Schaffen. Es ist eine Einladung an die die sich näher dafür interessieren wie Kunst entsteht. Es kann nur ein schnuppern sein. Die intensiven Prozesse finden meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wenn z.B. Hilke Leu zum schmieden in die Werkstatt geht dann fällt die Welt von ihr ab und sie versinkt in ihre Arbeit. So etwas ist in einem offenen Atelier nicht möglich. Andererseits können direkte Kontakte mit dem Publikum auch herzerfrischend sein, wie sie berichtet. Anders war es da schon für Alfredo Caranguejo der seit 45 Jahren in der Szene auf der „Alten Bürger“ wandelt. Er hat einige Werke in den Läden gelassen und freut sich „So habe ich mich auf der Bürger verewigt und verwirklicht.“ Man kann auch nicht davon ausgehen in dem Zweistunden-Zeitfenster seine Kreativität anzuknipsen wenn man schon einen Arbeitstag hinter sich hat. So machte Conny Wischhusen in der Zeit  einige vorbereitende Arbeiten für die Linoldrucke um dann in ihrer Werkstatt auf der Presse die Drucke herzustellen. Die Druckpresse hätte sie eh nicht in die „Alte Bürger“ schleppen können. Anders war es da bei Anjou Reuter der sich hinsetzte und mit seinen Weiden arbeitete. Die künstlerischen Arbeitsweisen unterscheiden sich eben doch erheblich.
Am Sonntag werden nun die Werke ausgestellt. Die Geschichten mit den Quatiersbewohnern sind bereits erlebt. Die einzelnen Stücke sind zum Teil schon in den Geschäften oder Lokalen. Die verbliebenen werden dann ab 11:00 an die neuen Besitzer übergeben wenn die Sektkorken knallen. Die Wirte und Geschäftsinhaber haben sich offen für diese Aktion gezeigt und waren immer mit Hilfestellungen zur Hand wenn Mal Strom fehlte oder Wasser. Aber auch mit einem Kaffee und Tee kamen sie gerne ins Atelier um ihren Dank und ihre Verbindlichkeit zu bekunden. Was hier im kleinen auf Zwischenmenschlicher Ebene gut funktionierte darf gerne auf die weitreichenden und größeren Aufgaben in der Stadt übertragen werden. Und dann entsteht vielleicht doch noch ein Fünkchen Nachhaltigkeit.

Montag, 21. November 2011

Weihnachtsstück im „piccolino haventheater“

Bremerhaven (neph) Theater für kleine Menschen im „piccolo teatro haventheater“ nennt sich „piccolino“. Gestern war Premiere mit dem Weihnachtsstück „Mama Muh“ für Kinder und jung gebliebene Erwachsene.
Das kleine Zimmertheater in der Alten Bürger 200, in Bremerhaven, erfindet sich immer wieder neu. Auf der Handtuch großen Bühne entstehen immer wieder überraschende Welten. Die Begrenzung durch Wände kann man nicht spüren wenn im „piccolo“, oder jetzt auch „piccolino“ das Licht angeht. Es ist ein Stall mit echtem Stroh, Gartenwerkzeugen und Milchkannen aufgebaut. Staub und Spinnweben, eine schwache Funzel und Mäuse (aus Stoff) geben die Stimmung. Und diese Stimmung zieht die Kinder und Erwachsenen in ihren Bann. Ein Blick über die Schulter und ich sehe strahlende Kinderaugen die bei jeder Bewegung auf der Bühne mitfiebern. Eltern, die gewöhnlich vorrangig zu solchen vorweihnachtlichen Vorstellungen wegen der Aufsicht mitgehen, haben einen Glanz und eine Faszination im Gesicht gleich dem ihrer Schützlinge. Was macht es aus, dass diese Spannung entsteht und im gesamten Spielverlauf rüber kommt? Bei einem Kinderstück stellt sich auch die Frage wer der bessere Kritiker ist: Der Verfasser dieser Zeilen oder das naivste und direkteste jüngste Publikum? Natürlich sind es die Kinder! Also lese ich meine Kritik von den Gesichtern der Unbestechlichen ab. Während der Einlasszeit viel Rumoren. Einige quengeln, andere weinen, Ungeduld wird geäußert und manche wechseln noch Mal die Plätze. Doch als Heike Eulitz als "Mama Muh" mit ihrem Rad aus der Bibliothek mit den Büchern kommt wird es mucksmäuschen still. Sie lauschen und haften sich mit ihren Augen ans Spiel. Kindern muss man ständig etwas anbieten um sie bei der Stange zu halten. Sie denken nicht, sie leben mit auf der Bühne im Stall und im Krähennest, in dem Dayen Tuskan als Krähe und bester Freundin von "Mama Muh" wohnt. Dayen Tuskan und Heike Eulitz erfüllen diesen Punkt voll und ganz. Sie spielen in einem dynamischen Fluss der sich mit der Atmung der Kinder zu verbinden scheint, und so ein großes Theater-Publikum-Tier entsteht, dem sich niemand entziehen kann. Von Anfang bis Ende. Das Spiel von der Bühne im Ohr und den Blick auf die Kinder sehe ich wie sie oft vor lauter miterleben das Lachen vergessen. Hier und da haucht ein Lächeln über die Gesichter, doch das Spiel geht schon weiter - und bevor man was verpassen könnte was dort auf der Bühne geschieht - verzichten sie lieber, wenn auch unbewusst, auf den Lacher. Erst ganz zum Schluss, als das Stück zur Auflösung kommt, brachen sich die gehaltenen Lacher Bahn. Die Kinder lachten vor Glück ohne einen genauen Anlass zu kennen. Volltreffer! Bravo!
Dayen Tuskan links und Heike Eulitz
Das Stück wurde von Dayen Tuskan geschrieben vom Oetinger Verlag autorisiert und von Roberto Widmer inszeniert. Es ist eine Compilation mehrerer Bücher und Geschichten von "Mama Muh". Der Inhalt dieser Fassung beschreibt die Vorbereitungen auf das nahende Weihnachtsfest. Es handelt von Freundschaft, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Neugier, Ungeduld, Achtung und Alltag. Kein erhobener Zeigefinger, vielmehr "nachvollziehbare Situationen und für jede Religion verständlich", zieht sich als Motto durch die Handlung. In einer simplen Sprache wird kurz und knapp erzählt. Wie in einem Atemzug schreitet die Handlung voran. Wenn es eine Aussage gibt, dann vielleicht diese: „Lebe ehrlich und aufrichtig in jedem Augenblick mit deinen Freunden“. Das macht neugierig darauf noch öfter etwas von Dayen Tuskan zu hören. Und ganz nebenbei löst Roberto Widmer das Versprechen ein, im „piccolo“ eine Bühne zu bieten auf der sich neue Künstler ausprobieren können. Wo sonst ginge das für Theatermenschen in dieser Stadt?
Nach dem Schlussapplaus zieht es die Kinder magnetisch auf die Bühne, zu dem Ort an dem sich gerade alles abgespielt hat. Autogramme werden gegeben und die Requisiten bewundert. Dieses Erlebnis wird den Kindern noch lange in Erinnerung bleiben. Und nun die halbbittere Pille hinterher: die Vorstellungen sind ausverkauft. Und einen Trost gibt es auch: es gibt eine Warteliste auf der man sich eintragen lassen kann. Und dann wird es wohl noch zusätzliche Vorstellungen geben, hoffentlich. Anmeldungen unter 0471 - 4838 777 oder info@haventheater.de 

Dienstag, 8. November 2011

Wie spricht Gemüse





(Bremerhaven) Im Fischereihafen in einer ehemaligen Produktionsstätte für Rollmöpse und andere Leckerei ist das Figurentheater Bremerhaven von Ulrike Andersen beheimatet. Seit einigen Jahren steht die Kartoffelkomödie, ein Ritterdrama, auf dem Spielplan. Das ist schwarzer Humor für Erwachsene die sich gerne einmal verzaubern lassen wollen.
Das Figurentheater befindet sich recht unscheinbar in der ausgedienten zwei geschoßigen Packhalle V. Eine schmale Treppe führt nach oben. Rechts ist ein Fotoatelier und grade aus steht die Tür zum Theater offen. Draußen alte, zig Mal umgebaute Ziegelmauern und oben ein liebevoll hergerichteter Veranstaltungsraum. Draußen fegt der herbstliche Wind über den Asphalt und drinnen wartet ein Tempel der Verzauberung auf das Publikum. Musik hinter der Bühne macht Atmosphäre. Die Gespräche auf den Reihen klingen wie in einem privaten Wohnzimmer. ca 40 bis 50 Gäste können Platz nehmen, man ist hier unter sich. Die Gäste eines Figurentheater sollten sich noch ein bisschen Erinnerung an ein Puppenhaus aus ihrer Kindheit erhalten haben. Es ist die kleine Welt in der alles möglich ist, eine Welt die keine Grenzen kennt und von der wir selbstverständlich wissen: sie ist irreal, Fantasie, Zauber und gibt Raum zum durchatmen von den Sorgen des Alltags.
An der Kasse bekommen wir einige Hinweise. Dort ist die Garderobe, hier die Getränke, in wenigen Minuten geht es los wir warten noch auf weitere angekündigte Gäste. Die Wartezeit überbrückt der freundliche Mann in dem er uns etwas über das Gebäude berichtet, wie dort früher gearbeitet wurde, wie man die Körbe mit Fisch durch ein Loch im Fussboden hiefte. Diese kleine persönliche Ansprache verbindet die Gäste die sich untereinander nicht kennen zu einer Gruppe Zuschauer. Wir schauen jetzt wie eine familiäre Gemeinschaft, ein Grundmass an Intimität entsteht. Als ob wir ein Geheimnis teilen würden, das wir ausserhalb dieser Mauern niemanden erzählen würden: Die Liebe zur kindlichen Fantasie. Dann geht es los.
Ulrike Andersen, verkleidet als bäuerliche Hausfrau, erscheint mit einem Topf voll Kartoffeln. Sie setzt sich und beginnt zu schälen und zu erzählen. Ein Prolog. Dann geht sie ab und die Figuren übernehmen das Spiel. Eine Hand-Kartoffelpresse tobt fauchend mit aufgerissenen Maul durch die Landschaft. Ein roter Gummihandschuh versucht sich in Sicherheit zu bringen. Aussichtslos! Nach wenigen Fluchtversuchen hat die Kartoffelpresse den Handschuh im Maul. So ist der gefürchtete Drache. Der König und seine Prinzessin, mit Kartoffelköpfen, haben sich im sicheren Kochtopf zurück gezogen. Wer es schafft den Drachen zu töten soll die Prinzessin zur Frau bekommen, verkündet der König. Da kommt einer der sich in die Prinzessin verliebt. Doch das muss geheim bleiben, den sie ist ja schon dem Drachentöter versprochen. Dann kommt einer dem man es sofort zutrauen mag, dass er den Drachen erlegt. Aufgebläht vor Mut und Stolz schreitet er zur Tat, allerdings planlos. Ich will nicht alles verraten. Der Drache wird nach einigen Verwicklungen getötet und durch Intrigen so auch manch anderer. Es gibt ein Happy End, soviel sei gesagt.
Gigolo kampfbereit gegen den Drachen
Das Spiel und die Sprache der Puppenspielerin überraschen durch kunstvoll erfundene Eigenwilligkeit. In einer Puppenwelt wird man kaum Texte erwarten die ein Goethe oder Schiller mit feinsinnlicher literarischer Begabung zisilierte. Es sind aber auch nicht nur Laute die von den Kartoffelfiguren und den Küchengeräten gestöhnt, gefaucht oder gehaucht werden. Ulrike Andersen hat eine ganz eigene Sprache ersonnen die so vortrefflich auf Charaktere und Situationen passt, dass man aus dem Staunen nicht heraus kommt. Man erkennt die Sprechmelodie der italienischen Sprache um einen Charakter zu zeichnen und dann eine nordischen Sprachmelodie für einen anderen. Sie spielt aber auch noch mit lateinischen Brocken in Situationen da man zwar eine konkretere Ahnung braucht was gesagt sein muss, aber nicht in die rationale Verständigung abgleiten darf. Und dann in wieder anderen Situationen sprechen die Figuren wie aus der Luft gegriffene deutsche Floskeln, die in ihrer Spontaänität keinem Charakter zugeordnet werden können, sondern vielmehr Situation bleiben. So bleibt die Kommunikation auf der Ebene einer Fantasiesprache diffus und hochkommunikativ zugleich. Die Wahrnehmung konzentriert sich auf die zwei qm Spielfläche und dem darin befindlichen Königreich. Man fiebert mit den Figuren und versteht alles aus der Handlung heraus, als wäre man ein weiterer Charakter, eine mitspielende Kartoffel.
Neben der Sprache ist die Handlung oder das Spiel der Figuren die wichtigste Komponente. Mimik ist den Kartoffeln leider nicht gegeben. Ulrikes Figuren haben eine dynamische Rhythmik als stärkstes Ausdrucksmittel. Wie im Film die Geschichte wesentlich durch die Bildersprache erzählt wird, so sind es hier längere Passagen in denen die Charaktere die Gäste in die Wunderwelt mitreißen. Wie der Gigolo sich hinter einer Tasse mit Kochgeschirr versteckt, oder sich ein Petersillienzweig als Nelke ansteckt, und nicht zuletzt der erste Kuss zwischen dem Liebespaar. Das sind Momente die man kaum einen Schauspieler in dieser Intensität und Glaubwürdigkeit zutraut. Das sind die Augenblicke in denen man in die Puppen- oder Figurenwelt eintaucht und eine von ihnen wird. Das Spiel ist fesselnd ohne spektakulär zu werden, es ist ergreifend ohne gefühlsduselig zu werden und es ist schlicht auf das wesentliche reduziert.
Nach der Vorstellung, die mit gebührendem Beifall bedacht wurde, läd die Spielerin die Gäste ein zu Pellkartoffeln mit Butter. Zwei große Kummen mit dampfenden Kartoffeln stehen bereit. Überrascht zögern einig, doch dann stehen sie auf und bedienen sich. Man sitzt noch einige Zeit zusammen und klönt über dies und das. Es fällt schwer nach Hause zu gehen, der Abend war schön.
Wer das Figurenhteater, und besonders die Kartoffel Komödie, noch nicht kennt darf sich auch weiter hin auf eine weitere Aufführungen freuen. Für 2011 ist die Komödie abgespielt, aber im kommenden Jahr gibt es wieder neue Vorstellungen. Ausserdem kann man die Komödie auch für besondere Anlässe buchen. Kontakt (www.figurentheater-bremerhaven.de) Tel.: 0471-417584

Sonntag, 6. November 2011

Bilder und Schmiedearbeiten im Kunstraum Geestemünde

(Bremerhaven) Am Freitag eröffnete im "KunstRaum Geestemünde" eine neue Ausstellung. Diesmal sind es drei Künnstlerinnen; Waltraut Roosch, Monika Schultz Malerei und Brigitte Schilling Schmiedekunst. Zur Einstimmung sang das A-capella-Ensemble „5 Zylinder 5 Takt“.
Das Angebot künstlerischer Arbeiten ist groß in der Region Bremerhaven. Und wie kürzlich ein Kommentator auf Facebook postete, avanciert Bremerhaven zur kulturellen Großtstadt. Die Aussage ist evtl. ein kleines bisschen übertrieben. Dennoch ist Kunst ein herausragendes Potential dieser Region. Immerhin kann der Kunstraum Geestemünde jeden Monat durchschnittlich zwei Künstlerinnen oder Künstler ausstellen, und das mit hohem Engagement und niedrigem Budget. 

B. Schilling Ringe
Brigitte Schilling bildete sich seit 2000 für Schmiedearbeiten bei der VHS, der Europäischen Kunstakademie und an der Uni Bremen weiter. Ihre Arbeiten lassen den engen Bezug zum Christentum erkennen. So ist ihre künstlerische Aussage in einem Gebot leicht wieder zu geben: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Für sie ist Kunst sowohl Zufall als auch das Mittel mit dem kommuniziert wird. Die christlichen Symbole sind in ihren Arbeiten immer wieder zu finden.
Eine Besucherin stellte fest dass das Bildangebot sehr hoch ist. Sehr viele Malerinnen und Maler sind in der Region anzutreffen. So ist es zu begrüßen, dass diese beiden Malerinnen ihre Bilder gemeinsam nach Themen und Farben gehangen haben und nicht getrennt nach der Person. Der Betrachter kann hier mehr von der Malerei erfahren wenn er vergleichbare Bilder neben einander hat und sich orientieren kann wie die eine es gemacht hat und wie die andere. Waltraut Roosch und Monika Schultz haben Überschneidungen in der Ausbildung. Als gemeinsame Lehrer können sie Elke Pries, Monika Sieveking, Carmelo Cicero und Peter Krusche nennen. Die Bilder sind experimentell in der Wahl und Anwendung der Materialien. Die Farben leuchten im Duett. Während Roosch mehr graphische Elemente in den Bilder hat sind die Arbeiten von Schultz deutlich abstrakter. Beide arbeiten ohne ein vorheriges Konzept. Die Bilder entstehen durch ein vielfaches ausprobieren über einen langen Zeitraum.
Am 20.11.2011 wird die Ausstellung mit einer weiteren Veranstaltung interessant. Dann rezitiert die Worpsweder Künstlerin Friedericke Dorothee Fricke Engelsgedichte von Rainer Maria Rilke. Beginn 15:00 der Eintritt ist frei.

Donnerstag, 3. November 2011

Poetry Slam erreicht Bremerhaven


(Bremerhaven) Dienstag Abend fand in der VHS der erste Poetry Slam statt. Die Idee wurde von Eberhard Pfleiderer aufgegriffen und auf Seestadtniveau umgesetzt. Mit neun Autoren und ca 50 Gästen wurde im Ausbildungs-Restaurant der Volkshochschule Bremerhaven der Versuch unternommen, diese in der gesamten Bundesrepublik seit Jahren bekannten Literaturform, ein Forum zu geben.
Was ist ein Poetry Slam? Diese Frage dürfte vielen Bremerhavenern unter den Nägeln brennen. Selbst viele der anwesenden Gäste hatten keine klare Vorstellung davon. Die Basis ist ein ca. sieben minütiger Text. Ein Autor, oder so genannter Slammer, schreibt einen Text in diesem Zeitmass. Von Slam zu Slam wird dieses Zeitmass abgewandelt. Es können auch mal fünf oder zehn Minuten sein die einem Slammer zur Verfügung gestellt werden. Da kommt es auf die Sprachgewandtheit der Slammer an, wenn sie ihren Text in kürzerer Zeit dabieten müssen. Die Texte sind oft philosophisch, spritzig, und stehen den Rap-Texten nahe. Gewöhnlich sind die Texte so verdichtet, dass man sie nicht mehr verstehen kann sondern erleben muss um sie zu erfahren. Um das zu erreichen werden die Texte so zu sagen mit Sprachwitz, Wortspielereien, Metaphern, Sprechmelodie und vielen experimentellen Komponenten komponiert. Poetry Slam kann man als die Hochform des „kreativen Schreibens“ bezeichnen. Dabei werden alle Regeln freizügig gebrochen um ein Literaturerlebnis zu schaffen, dass sich durch die Kunst des Lesens oder Aufsagens auszeichnet. die sieben Minuten-Texte zu schreiben darf man ohne Scham als eine aussergewöhnliche Fähigkeit bezeichnen.
Obwohl diese Form der Literatur den Autoren viel abverlangt ist sie als Literaturform in den Elfenbeintürmen der Sprachwissenschaft noch nicht anerkannt. So wird beispielsweise beim „Poetry an the Road“ in Bremen Poetry Slam strikt ausgeschlossen. Die Veranstalter begründen das mit der nicht normfähigen Natur dieser Literaturform. Es ist eben zu viel erlaubt und die Kategorie „Dauer“ sagt nicht genug über die Form aus. Nichts desto Trotz erfreuen sich seit einigen Jahren Poetry  Slam Veranstaltungen wachsender und großer Beliebtheit. Im Rhein-Main-Gebiet sind Slams mit 500 bis 1000 Gästen keine Seltenheit. Es gibt Wettkämpfe bei denen die besten Slammer der BRD ermittelt werden. In Städten wie Hamburg gibt es kein Wochenende an dem nicht mehrere Poetry Slams statt finden. Es ist also wirklich „verwunderlich“, wie Eberhard Pfleiderer zur Einführung in der VHS sagte, „dass es in Bremerhaven bisher noch nicht angekommen sei“. Grade der Tourismusbranche müsste es doch aufgefallen sein wie viele Kurzbesucher mit dieser Veranstaltungsform in die Stadt zu locken wären. Dazu muss man wissen das die Slammer viel unterwegs sind und quasi an jedem Wochenende in einer anderen Stadt auftreten, und dabei oftmals ihre Fangemeinde im Schlepptau oder vor Ort haben. Sie werden oft eingeladen und bekommen kein Honorar, sondern lediglich ihre Reisekosten erstattet.  Auf der Internet Seite My.Slam.de finden sich einige Akteure die an über 1000 Veranstaltungen teilgenommen haben.
Es gibt einige Regeln nach denen ein Poetry Slam abgehalten wird. 1. Ca. sieben Minuten Text hatte ich schon erwähnt. Wird diese Zeit überschritten gibt es verschiedenen Möglichkeiten darauf zu reagieren. Beim „Slammer Filet“ in Bremen wird ein steigender „Hafenumgebungslaut“ eingespielt bis der Slammer nicht mehr zu verstehen ist. Es gibt auch die Variante einen Wecker klingeln zu lassen oder mit einer Hupe zu tröten. Oder eine andere Variante, die in der „Kuß Rosa“ im Bremen praktiziert wird, ist, dass das Publikum den Slammer ausbuht oder ihn lautstarkt zum weitermachen auffordert. 2. Eine Jury wird aus dem Publikum gefunden in dem man fünf bis acht zu Juroren ernennt die sich freiwillig dazu melden. Sie urteilen nach eigenem Geschmack und so wie sie sich von dem Restpublikum beeinflussen lassen mit einer Note von 1 bis 10. Die höchste und die niedrigste Wertung werden dann gewöhnlich gestrichen. Dabei wird ungeregelt davon ausgegangen; jemand der sich traut einen eigenen Text vorzulesen beweist soviel Mut, dass er nicht geringer als mit der Note 4 bewertet wird. Auch Juroren werden immer wieder mal ausgebuht. Es geht dabei nicht so sehr um eine objektive Beurteilung, sondern um einen Gewinner zu ermitteln. 3. Der Text muss alleine tragen. Der Slammer darf keine Requisiten und kein Schauspiel/Gesang einsetzen um sich eine bessere Bewertung zu erschleichen. Ein gewöhnlicher Hut als Kopfbedeckung ist gestattet sofern er neutral zum Text ist. Die Slammer können vom Blatt lesen oder auswendig aufsagen. Das steht ihnen frei. 4. Es werden je nach Anzahl der Teilnehmer zwei Halbrunden gelesen. Dann lesen die Gewinner der beiden Halbrunden in einer Schlussrunde aus der dann der Gewinner des Abends ermittelt wird. Der Gewinn ist eine Flasche Alkohol, ein gebrauchtes Buch o.ä., Geldpreise sind verpönt. Die Slammer werden mit Getränken für diesen Abend vom Veranstalter freigehalten. Der Spass an der kulturellen oder künstlerischen Betätigung steht an erster Stelle.
Der erste Slam in der Seestadt kam mit einer ehr steifen Zurückhaltung daher. Die o.g. lockeren Regeln wurden missachtet und bestenfalls als Anregung verstanden um etwas anderes zu regeln. Warum das Rad hier neu erfunden werden musste wird wohl ein Geheimnis bleiben. Warum eine dreiköpfige Jury aus Dr. Beate Porombka (VHS), Rainer Donsbach (NZ) und Eberhard Pfleiderer sinnvoller war, wurde auch nicht richtig deutlich. Das aufwendige Beurteilungsverfahren überzeugte keineswegs. Es wurde nach drei aus der Luft gegriffenen Kategorien entschieden: A) Form des Vortrags, B) passt die Form zum Inhalt und C) Ausdruck des Vortrags. Besonders C) verwundert, weil doch beurteilt werden sollte ob der Vortrag beim Publikum angekommen sei. Das Publikum war anwesend, man hätte es fragen können.

Mathias Meier in Aktion
Die neun Autoren trugen ihre Schriften mit Herzblut vor. Die Texte wurden brav bis stürmisch mit Beifall bedacht. Es waren nicht unbedingt die typischen Slam-Texte, was der Veranstaltung nicht schadete. Im Gegenteil: mit der Lyrik wie sie von Manfred Barkhausen und Helmut Heiland vorgetragen wurde könnte ein eigenständiges Slam-Profil für die Seestadt entstehen. Den einzigen typischen Slam-Text präsentierte Mathias Meier. Er erreichte das Publikum unvermittelt und gewann die ungeteilte Sympathie aller und den ersten Preis; ein gebrauchtes Buch.
Abschließend kündigte Eberhard Pfleiderer an in einem Jahr evtl. einen nächsten Slam zu veranstalten. Bis dahin bleibt viel Zeit zur Reflektion und sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.