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Dienstag, 27. Dezember 2011

Karen Koltermann mit „home“ in der Kunsthalle Bremerhaven



(Bremerhaven) Die Ausstellung „home“ von Karen Koltermann, die mit einem Vorprojekt in einem leeren Ladenlokal in der Linzer Straße begann, ist nun in der Kunsthalle Bremerhaven zu sehen. Gezeigt werden nun Fotos, Video Installationen und großformatige Bilder. Die dokumentarischen Arbeiten zeigen einen künstlerischen Blick auf die verschiedenen Formen von Heimat besonders derer die keine haben. Was bedeutet es rausgerissen und/oder ohne Heimat zu sein?
Schon der Aufbau der Ausstellung entspricht ehr einer Abwrackwerft als einer Kunsthalle. Am Eingang hängt eine Plane über einem Bauzaun. Das Motiv darauf zeigt einen Verschrottungszustand der Al Zahraa, einem irakischem Frachter der über 20 Jahre wegen dem Irakkrieg in Bremerhaven an der Kette lag. Im Treppenhaus zeigt ein Großformat die Brücke des Schiffs einsam, ausgebaut und verloren in einem Meer aus Schrotthaufen. Im oberen Foyer dann eine aus vielen einzelnen Bildausschnitten zusammengesetzte, wandfüllende Seitenansicht des Frachters, als er noch in Bremerhaven fest gemacht lag. Es entsteht der Eindruck man ginge durch eine Werft an Plänen der aktuellen Arbeit vorbei. Dieses Schiff war die Heimat für irakische Seeleute die im sechsmonatigem Wechsel dort Wache schoben und nie in der BRD an Land gehen durften. Dieses Schiff lag wie ein toter Gegenstand im fremden Hafenbecken. Nie sah man Leute an Deck. Es rostete einfach so vor sich hin. Die Abwesenheit von Menschen begleiten die weiteren Bilder und Videos der Ausstellung. In einem Video werden die einzelnen Abwrackfortschritte gezeigt. Aber nie sieht man einen Arbeiter. In einer weiteren Video Installation verfolgt man einen Rundgang durch das Schiff. Wieder ist Niemand da. Leere Räume, Gänge und Decks, Wasser steht in der Bilge. Es ist die Heimat derer die keine haben, der Seeleute deren Schiff über zwei Jahrzehnte ungenutzt im Hafen lag und nun mittlerweile verschrottet ist. Auf einer großen Leinwand fährt eine Kamera auf Höhe der Scheuerleiste am Schiff vorbei. Man könnte es mit der alten „Yorikke“ verwechseln. Ein Luke in der Bordwand rückt ins Bild und man erwartet im nächsten Moment würde Mario Adorf sein heiseres Lachen rausschreien. Es ist aber die Dokumentation von 2011, die Überführung in die Abwrackwerft, und nicht das Totenschiff von B. Traven.
In einer anderen Abteilung unter der Empore hängen an Bauzaun Elementen verschiedene Bilder, auf denen eine stürmische See - Boote groß wie Nussschalen - umher wirbelt. Wer in diesen Booten schwimmt ist auch ohne Heimat. Auf der Empore liegt eine bedruckte Plane mit dem Motiv einer vom Erdbeben eingestürzten Brücke. Mit großer Sorgfalt sind die Exponate aufgebaut. Man ist immer im Erleben der Motive einbezogen. Die Erdbebenplane liegt bis vor der letzten Stufe, in Wellen gefaltet, über ein Geländer drapiert und mit einem Zipfel an der Wand gebunden. Links von der Plane ist eine freie Fläche von der man auch besser sehen könnte. Doch man müsste auf die Plane treten um dorthin zu gelangen. Man würde auch nicht auf die eingestürzten Brückenteile treten, weil man mit ihnen abstürzen könnte. Dieses direkte erleben und einbezogen werden in die Vorgänge auf den Motiven, sind von Karen Koltermann mit sicherer Hand eingerichtet. Die Bilder mit der stürmischen See sind dunkel und sehr reduziert ausgeleuchtet sowie mit Gegenlicht oft irritierend, wie aus der Kanzel eines Rettungshubschraubers. Diese Bilder sind Fotografien die sie übermalt hat. Alles was fotografisch eindeutig war wird hier malerisch mehrdeutig. Es ist aber nicht die Gefahr der man nachspüren muss, es ist das Gefühl verloren zu sein im Unendlichen. 
Karen Koltermann, die in Bremerhaven aufgewachsen ist und durch ihrem Kunstlehrer auf der Geschwister-Scholl-Schule mit Jürgen Wesseler vom Kunstverein Bremerhaven die ersten konkreten Kontakte zur Kunst knüpfte, hat seit 2003 dieses Thema bearbeitete. Mit dieser Ausstellung die bereits 2009 in Berlin in Teilen unter dem Titel „Die Überfahrt“ gezeigt wurde setzt sie eine dokumentarische Darstellung ihrer Heimatstadt fort. Sie hatte bereits mit einer Bilderreihe von leer stehenden Ladenlokalen den Wandel in der Hafenstadt festgehalten. Studiert hat Koltermann in Hamburg. Sie machte Arbeitsaufenthalte in New York, Santiago de Chile und Istanbul. 2000 wurde ihr der Kunstpreis der Galerie 149 und der Volksbank Bremerhaven verliehen. Seit 1999 machte sie mehrere Einzel- und  Gemeinschaftsaustellungen im In- und Ausland. Die Ausstellung „home“ in der Kunsthalle Bremerhaven ist noch bis zum 22.01.2012 geöffnet. Mo. - Fr- 11:00 bis 18:00 Sa. + So. 11:00 bis 17:00

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Mira Tscherne - Warum das Kind in der Polenta kocht


(Bremerhaven) Das Stadttheater Bremerhaven bringt der Jugend ein Theatererlebnis auf beeindruckende Weise nah. Gestern spielte Mira Tscherne in ihrer eigene Inszenierung „Warum das Kind in der Polenta kocht“ nach dem Roman von Aglaja Veteranyi im Pferdestall in der Gartenstraße. Die Schauspielerin hat den Roman für ihr Schauspieldiplom in Graz (Österreich) in eine reduzierte Form gebracht. Ein Drittel der Gäste entsprachen dem Erwartungsalter des JUP!, - „Junges Theater im Pferdestall“, eine Art Nebenstelle des Stadttheaters auf Zeit.
Schauspieler die frisch im Beruf sind werden gerne für das Weihnachtsmärchen oder für Jugendstücke und Kindertheater eingesetzt. Das mag daran liegen das der Altersunterschied nicht so groß ist zwischen Akteur und Zuschauer. Es ist aber auch die eingeebnete Fallhöhe die sich aus begrenzter Erfahrung und hohem künstlerischem Anspruch ergibt. Letzteres ist für Bremerhaven nicht so ausschlaggebend. Das Mass an Erfahrung um so mehr wenn es sich dabei wie bei Mira Tscherne um ein herausragendes Schauspiel Talent handelt. Sie hat vor anderthalb Jahren ihre Prüfung abgelegt, sie ist also noch auf dem Weg in den Beruf. Und soviel kann man jetzt schon sagen, sie hat noch enorme Resourcen zu entwickeln und anzubieten. Es sind gewisse Qualitäten die eine Schauspielerin auf natürliche Weise mitbringt mit denen sie sich aus der gewöhnlichen Menge abhebt. Eine davon ist die Fähigkeit sensibel auf der Bühne zu zeigen wie zerbrechlich wir Menschen sind ohne dabei selbst zu zerbrechen. Eine andere ist es Fiktion so real darzustellen das man eine Puppe nicht von einem Säugling unterscheiden kann, ausser man kneift sich und erinnert sich daran im Theater zu sitzen. Und eine weitere ist der Mut aufrichtig und natürlich auf der Bühne zu sein, und dabei das Spiel und die Dramaturgie nicht aus dem Blick zu verlieren. Diese, und weitere Fähigkeiten die ihr überragendes Talent ausmachen, hat Mira Tscherne gestern im Pferdestall gezeigt. Talent ist der Spiegel der Möglichkeiten die in einer Person stecken. Die Vorstellung war beeindruckend, berührend, fesselnd und sie hat damit gezeigt, das noch sehr viel mehr in ihr steckt. Man kann nur hoffen, dass sie nicht im Staatstheater-Regie-Einheitsbrei untergeht. Man muss hoffen und wünschen das sie einen Regisseur trifft der sie fordert und dem sie vertrauen kann. Dann sehen wir bald schon eine neue Wokalek-Jentsch-Gedeck Tscherne.
Theater lebt davon wie sehr das Publikum mit eifert, mit fiebert, sich emotional gibt und mit reißen lässt. Es ist für keinen noch so selbstsicheren Schauspieler ein leichtes vor der typischen norddeutsch stoisch gefrorenen Gesichterfassade zu spielen. Um so mehr ist da z.B. das transparente Spiel mit poetischer Klarheit zu werten, mit dem Tscherne die Puppe entkleidet wenn sie über ihre Mutter spricht. Und ebenso hervorragend ist es, wie sie die Verbindung zum Publikum hält, in dem sie direkt in deren Herzen spricht. Das Publikum aber lässt nur spärlich und aus überspannter Zurückhaltung hin und wieder eine Gefühlsregung aufblitzen, welche sofort in der stillen Tiefe der Ränge vom Dunkel absorbiert wird. Sie muss ein seelischer Torrero sein, eine Walküre der Emotionen und die Brandung die sich um den Fels herum ergießt. Es muss an dieser Stelle die Frage gestattet sein, gerade weil es sich um das JUP! „Junges Theater im Pferdestall“ handelt wo die Bildung ansetzen muss. Ist es nicht so, dass die Rezipienten mit der Kommunikation des Schauspielens vertraut gemacht werden müssen, damit sie die Darbietung auf der Bühne verfolgen können? Wenn ein Publikum eine Vorstellung als „schön“ oder „Mal was anderes“ bezeichnet möchte sich jeder Schauspieler die Kugel geben. Soviel zu den Potentialen.
In der Geschichte wird die Sicht eines Mädchens, die mit ihren Eltern in den Westen flüchtet, gezeigt. Und da fällt es auf wie eine vertrauensvolle Regie geholfen hätte. Mancher Witz versickert in unpräziser Gestaltung. Manchmal kann man nur aus dem gesprochenen Wort heraus erkennen welche Person dargestellt wird. Und die Spielrhythmik und Dynamik wäre auch besser von außen beurteilt,  wenn man selbst noch nicht die fundierte Erfahrung gesammelt hat. Theater ist immer eine Gemeinschaftsarbeit. Und dieser aufbauende Wert einer in Gemeinschaft entstehenden Aussage fehlt der Inszenierung. Es fehlt oftmals der Biss, es fehlt die Basis dafür eine kollektive Gefühlsäusserung entstehen zu lassen. Aber es fehlt eben nicht an der Fähigkeit, sondern an der Erfahrung diese Feinheiten allein meistern zu können.
Fotos und Filmsequenzen in Theaterstücken mit einzubeziehen gehört mit zu den ganz großen Herausforderungen. Film und Theater sind so unterschiedlich in ihren Kommunikationsformen wie Feuer und Wasser. Die präzise Auswahl und Gestaltung der Bilder in einem Film verschlingen ein Vielfaches von der Zeit die letztendlich am Set gedreht wird. Man kann davon ausgehen, dass alles in  einem Bild gestaltet ist, dass nichts zufällig mit aufgenommen wird, und dass ein ganz bestimmtes ausgeklügeltes Tempo gewählt wurde um diese Bilder einzufangen und in Folge zu setzen. Ganz zu schweigen davon was im Schnittraum dann noch kreiert wird. Auf der Bühne ist nichts reproduzierbar, und man kann den Bildausschnitt nur schwierig wählen. Die Life Darbietung ist ausserdem von unzähligen Überraschungen begleitet die jede Vorstellung zu einem neuen Erlebnis macht. Um diese unterschiedlichen Formen zusammen zu bringen muss man beide Sprachen, die des Films und des Theaters verinnerlicht haben. Dies ist Mira Tscherne nur zu Beginn geglückt. Während der Einlasszeit wird eine Videosequenz in einer Endlosschleife gezeigt. Darin sehen wir ein Mädchen das allein spielerisch in einer Fussgängerzone zwischen vielen vorbei schlendernden Erwachsenenbeinen Tanzschritte nachvollzieht. Man sieht nicht den Kopf des Mädchens. Nur an den Fuss- und Beinbewegungen erkennt man die naive Hingabe an die einzelnen Schritte. Das Mädchen ist so sehr in ihrem Tanz versunken, dass es die Menschen um sich herum gar nicht wahr zu nehmen scheint. Und dann stellt sie plötzlich fest als sie fast mit einem Erwachsenen zusammen trifft, dass noch andere um sie herum sind, erschrickt und läuft um sich blickend aus dem Bild. Die Sequenz ist von Tscherne aufgezeichnet worden, also kein Archivmaterial. Und sie ist eine treffende Metapher für das ganze Stück. Die im späteren Verlauf eingespielten Bilder sind weniger beeindruckend bis störend.
Lassen sie es sich nicht entgehen die allmähliche Entstehung einer großen Theaterkarriere mitzuerleben. Sie spielt sich direkt vor unseren Augen ab, so wie damals mit Thalheimer und Herbst in den 80ern.
In diesem Jahr wird „Warum das Kind in der Polenta kocht“ von und mit Mira Tscherne nur noch zwei Mal geben: Am Samstag und am Montag jeweils um 19:30. Das Stück ist für Jugendliche und jung gebliebene Erwachsene ab 15 bis 150 Jahre. Und wenn die Nachfrage groß genug ist dann könnte es auch im kommenden Jahr wieder auf den Spielplan kommen. 

Dienstag, 13. Dezember 2011

"Shatabdi Groove Express"

(Bremerhaven) Samstag Abend im Pferdestall: „Shatabdi Groove Express“ gab ein Konzert das zum lauschen animierte. Der Meistertrommler Christian Schmidhofer spielte mit seinen handverlesenen Musikern Jens Pollheide (Bass), Sebastian Weber (Steptanz und Body-Perkussion) so wie Manickam Yogeshwaran (Gesang) eine Klangvielfalt der Überraschungen. Über hundert Gäste waren begeistert und forderten mehrere Zugaben.

Die südindische Perkussion kommt mit einer Vielfalt komplexer Rhythmen daher, die sich oft erst über einen längeren Spielfluss erschließen. Darin sind viele Improvisationen möglich die Christian Schmidhofer auf faszinierende Weise zum Besten gab. Er ist viele Jahre mit dem wohl bekanntesten Weltmusik Kollektiv „Embryo“ aufgetreten. Der Bassist und Flötist Jens Polheide, der ebenfalls mit „Embryo“ auftrat, kombinierte eine arabische Stimmung dazu. Deutlicher hätte man den Begriff Weltmusik nicht erklären können. Dazu die Stimme von Manickam Yogeshwaran, Filmkenner ist er ein Begriff aus dem Soundtrack zu „Eyes Wide Shut“ von Stanley Kubrick, die wie ein Wind die Hörsinne verzaubert und in andere Welten trägt. Den Körper noch deutlicher als Instrument eingesetzt hat Sebastian Weber der eine Symphonie rhythmischer Geschichten aus seinem Body trommelte. Und nicht zu vergessen sein Steptanz, als er mit ekstatischer Klangfülle wie ein fliegender Derwisch über die Bühne sprang. Weltmusik kann man kaum besser darbieten. Christian Schmidhofer hat noch weitere  Musiker in seinem Umfeld. Alles hochkarätige Könner die sich zu den leider ehr seltenen Gigs treffen, und dann das Publikum zum aufhorchen, mitgrooven schlicht zu einem aussergewöhnlichen Konzerterlebnis verführen. Diese Musik verbindet die Menschen aus allen Regionen der Welt, sie ist eine eigene Sprache und schafft eine interkulturelle Verständigung.
Man erinnert sich evtl. noch daran das „Deep Purple“ vor vielen Jahren in Japan ein Konzert gab und die Band verwundert schaute als die Gäste auf Stühlen vor ihnen saß. Im Pferdestall war eine vergleichbare Stimmung. Nur diesmal ist die Veranstaltung in Bremerhaven und die Klänge kommen aus der ganzen unbekannten Welt. Das Publikum horchte gespannt auf die musikalische Darbietung die immer wieder überraschte, und auch das eine oder andere Bein zum wippen trieb. Es tauchten spontane Wechsel auf bei denen man ohne Grund zu lachen begann. Das Musik so was bewirkt?! Und am Ende jedes Stückes der sich Bahn brechende Applaus. Das ist keine Musik die man auf dem nach Hause Weg pfeift oder am morgen im Radio hört, nicht einmal bei Funkhaus Europa. Das ist die Musik die man als Erlebnis mit sich trägt und noch lange in Erinnerung hat, bis man dann ohne Grund plötzlich grinst oder laut loslacht, nur weil sich die Grooves im Körper verselbständigt haben.
Nach den Zugaben verließen die Gäste den Pferdestall mit erfreuten und gelösten Gesichtern. Es muss wohl gefallen haben. Man kann nur hoffen das Christian Schmidhofer uns bald wieder mit seinen Musiker des „Shatabdi Groove Express“ beehrt.

Montag, 12. Dezember 2011

home - ein Kunstprojekt von Karen Koltermann

(Bremerhaven) Am Samstag wurde im ehemaligen Blumenladen in der Linzer Straße am Stadttheater eine Ausstellung eröffnet. Es wurden die Arbeiten von Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule und Karen Koltermann gezeigt die in einem drei Monate dauernden Projekt entstanden waren. Dieses Kunstprojekt ist ein Teil der Ausstellung mit Werken von Karen Koltermann die am 18. Dezember in der Kunsthalle beginnt.
„home“ ist der Ort an den wir zurückkehren wollen wenn wir uns im Gewirr der Welt verloren haben und der Titel der Ausstellung. Mit dieser Aufgabenstellung begeisterte Karen Koltermann 17 Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule. Sie gingen durch ihre Stadt mit dem Fotoapparat und schauten genauer hin. Welche Motive machen ihre Heimat aus? Auf den Bildern sieht man viel Graffiti, Mülltonnen und Fenster oder Hauseingänge. Auf die Frage warum gerade diese Bilder sagt Marei Dierßen, es kam ihr auf die Details an. Wenn man aufmerksam auf die gewohnte Umgebung schaut fallen die kleinen Besonderheiten auf. Das ist es was die Heimat aus macht. Und Lisa Brockmann fügt hinzu: Hässlichkeit gewinne an Schönheit wenn man ohne Vorurteil an die Aufgabe heran ginge. Dann würde man auch die Schönheit in einem Sperrmüllhaufen entdecken können. Für eine Schülerin eine bemerkenswerte Erkenntnis. Und wenn man die Bilder, die fotografisch keinen besonderen Wert haben, auf diese Weise betrachtet, kann man eine Menge über die Stadt und die erforderliche Demut erkennen, die jedem in seinem Umfeld abgefordert wird.
Der Laden, wieder mal einer der Vielen leer stehenden, wurde mit Fördergeldern angemietet. In den letzten zwei Wochen haben die Teilnehmer mit der Künstlerin die Bilder zu einer Installation entwickelt und den Raum für die Ausstellung hergerichtet. An einer Wand ist ein großflächiges Bild von Karen Koltermann, der Al Zahraa die jahrelang im Hafen an der Kette lag, montiert. Das Bild ist aus vielen kleineren Formaten zusammen gesetzt. Wenn man genau hinsieht bemerkt man, dass einige Details verändert sind. In der Kunsthalle wird am 18. Dezember die Arbeiten gezeigt die sie bei der Überfahrt 2009 auf dem Schiff machte. Karen Koltermann befasst sich in ihrer Kunst mit den menschlichen Belangen, wobei ihr gerade die Kleingebliebenen und Benachteiligten am Herzen liegen.
Die Installation in der Linzer Straße ist noch bis 17.12. dienstags bis samstags von 12 bis 18 Uhr zu sehen. Am 17.12. wird anlässlich der Ausstellung „home“ die Hamburger Band „Bremerhavn“ im Pferdestall in der Gartenstraße 5-7 ein Eröffnungskonzert geben. Der Eintritt ist frei.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Fundament von Jan Neumann - Kopfkino für Geduldige

(Bremerhaven) Gestern Abend war Premiere im Stadttheater Bremerhaven. „Fundament“ lautet der Titel und ist eine Stückentwicklung von Jan Neumann in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Staatstheater 2009. Erik Altorfer inszenierte es zu Sprechcollagen in einer farbenfrohen Welt von Eva Humburg. Fünf verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Lebensweisen treffen sich zufällig am Bahnhof einer Stadt und erleben/erleiden einen Terroranschlag. Ja und?
Das ist doch tragisch! So könnte man ausrufen. Damit muss man heute ständig rechnen, antworten andere darauf. Und über diese – zur Gewohnheit verkommenen – Situation kommt der Autor auch nicht hinaus. Er benutzt die wie-auch-immer-reale Terrorgefahr um einer anderen weniger dringlichen Thematik zu folgen. Es fehlt dem Stück, und damit auch dem Autor, an Demut vor dem wirklichen Leben zu Gunsten eines pauschalisierten Lebens. Und es fehlt dem Stück eine klare Absicht die es zu belegen gilt oder an der man scheitern kann. Da nützt es auch nichts wenn er Feldforschung betreibt und mit einem Ensemble improvisatorisch die Charaktere entwickelt, oder im Team philosophiert. Das erschütternde starke Bild, der Terrorakt, wird von ihm banalisiert um über die Glaubensweisen der einzelnen Personen zu reden. Aber die einzelnen Personen, ein Religionssuchender, ein Student, eine Managerin, eine zweifelnde Ehefrau und Mutter so wie ein Top-Werbegraphiker, bleiben nur an der Klischee behafteten Oberfläche. Das essentielle Ringen nach einer Glaubensidentifikation kommt nicht ernsthaft zur Sprache. Die Personen sind immer nur Abziehbilder die wir so oder ähnlich zig Mal kolportiert kennen. Darin besteht die große Schwäche des Textes.
Jan Neumann hat aber eine andere Qualität die mich paradox erstaunen lässt. Er schreibt das Stück mit einer bezaubernden Poesie. Seine Bilder ziehen sich lang und dynamisch in großen eingängigen Bögen durch das Stück. Ein Beispiel: Eine Taube setzt an zu einem letzten Flug. Dabei streift sie auf ihrem Weg den gesamten Spielort und die Hauptcharaktere. Sie verbindet eine komplexe Handlung homogen mit einem imaginären Ort. Ein anderes Beispiel: In der Kunstthearapiesitzung mit Bettina Lauterbach, der zweifelnden Ehefrau und Mutter, ist der Text wie ein vielsprachiger Gesang komponiert. Man wird durch die Szene hindurchgezogen wie auf einer pseudoschönen Melodie, kann sich der aufgesetzten und heuchlerischen Mitgefühlsduselei nicht entziehen. Gleichzeitig überspitzt Neumann gerade soviel, dass man den beißenden Sarkasmus nicht übersehen kann. Seine Sprache ist einfach gehalten, kommt scharf auf den Punkt und ist von einer natürlichen Rhythmik die den Leser in einem Atemzug durch das Stück saugt. Und das ist der Punkt: Dem „Leser“ ergeht es so.
Die Inszenierung dagegen ist ehr überladen und holprig. Was in der Sprache punktgenau und kristallklar geschrieben steht, wird auf der Bühne durch kryptische Symbolik verwässert. Vielleicht hätte man dem Schauspiel-Ensemble sprachlich mehr zutrauen sollen. Die können das. Doch auf der Bühne steht so ein Gefühl von geistiger Klaustrophobie. Was ist das? Hörspielkino mit Umbaupausen? Es ist so voll mit irgend welchen symbolischen Ideen die nur wenige Psychologie Professoren entschlüsseln können. Die Umbauten dauern lange und scheinen nur etwas Bewegung zu schaffen. Die Umbaumusik ist nicht kongruent mit einer dramaturgischen Entwicklung, also nur Schmuckwerk? Das Bühnenbild, mit allen Grundfarben übergossen, ist so unspezifisch, man hätte es auch in Schwarz oder Weis machen können. Hier fehlt der Biss. Gerade wegen der Tatsache weil dem Stück die Absicht fehlt.
Verstehen sie mich bitte nicht falsch, ich empfehle das „Fundament“. Gehen sie hinein und nehmen sie aktiv daran Teil wie sich Theater in der heutigen Welt entwickeln soll. Diese Inszenierung und das Stück selbst bietet eine gelungene Chance für einen offenen Kontakt mit einer heranwachsenden Theater Gesellschaft. Hier ist die Gelegenheit für ein junges Publikum um sich mit den Ausdrucksformen des Theaters zu beschäftigen die noch nicht in Stein gemeißelt sind. Deutschlehrer sollten diesen Text mit ihren Schülern durcharbeiten und dann die Inszenierung anschauen und das Gespräch mit den Künstlern suchen. Man muss vor dem Stück nicht ehrfurchtsvoll erstarren wie ein Faust es fordern kann. Es ist eine kommunikative Spielerei, es ist eine Arbeit im Prozess, es ist Forschung nach einer neuen Sprache im Theater, es ist die Suche nach einer Gesellschaftsverständigung, es ist das Angebot einer Reflektion über aktuelle Vorfälle in der Welt. Seit über zehn Jahren ringt man mit diesen Themen im Theater. Warum nicht auch in Bremerhaven?
„Fundament“ wird noch am 17. und 21. Dez. 2011 sowie am 13. und 20. Jan. 2012 gespielt. Weitere Termine sind noch nicht angekündigt.

Montag, 5. Dezember 2011

No future war gestern - onethreethree rockt die Stadt

Häää?! Ahoi store? Pop up shop? Was, zum Henker, soll das sein? Es ist eine weitere Aktion gegen die Langeweile und Trägheit die sich seit, sagen wir es ruhig, dem Ende des Wallys in der Stadt ausbreitete. Vielleicht ist es auch die ultimative Talsole des Abwärtstrends in Bremerhaven. Jedenfalls ist es die klare Ansage junger Leute die von aussen auf die Stadt und in die Stadt schauen und Impulse setzen. Sie kommen aus Osnabrück, Berlin, Frankfurt und weiss der Himmel woher noch. Sie kamen um an der Hochschule zu studieren. Sie fanden eine Stadt vor die sie für ein Mindestmass an Freizeitqualität reanimieren mussten. Bremerhaven ist die letzte Station in der neue Trends, Moden und Zeitgeist ankommt. 133 ist eine Gruppe von Studenten die in der „Alten Bürger“ wohnen, ein harter Kern von fünf bis acht Leuten, und ein größerer AktivistInnenzirkel drum herum. 133 ist gleichzeitig auch ein Abbild davon, wie sich junge Leute im plusminus Studentenalter organisieren und ihre Lebensinhalte und -formen gestalten. 133 ist die Blaupause der Internet Generation, die sich durch weitreichende Vernetzung und eigene kreative Ideen das Leben gestaltet. Und aus der Sicht Bremerhavens ist es die Frischzellenkur die diese Stadt so dringend nötig hat.
Die Aktionen die 133 bisher auf die Beine gestellt haben sind geprägt von Lebensfreude und dem Spass etwas eigenes mit der freien Zeit parallel zum Studium zu unternehmen. Und ihr Enthusiasmus wurde bisher mit offenen Armen aufgenommen. Sie erhielten großzügige Unterstützung bei der Suche und Nutzung von Lokations für das Video von Hein und Mück das am Dienstag bei YouTube erscheinen wird. Es sind Menschen die mit lockerer Begeisterung an die Dinge heran gehen. Dabei ist es nicht so wichtig wie spektakulär die jeweiligen Aktionen sind. Ob es sich um eine Malaktion handelt, wie jetzt im Ahoi store, deren Bilder in einer Free Galerie verschenkt werden, oder ob es eine Sammlung von Sonnenbrillen für Nordindien im Rahmen des Projektes Shades of Love von Jürgen Altmann ist. Es geht vor allem darum nicht still zu sitzen und zu warten das was passiert. Die Aktionen die sie unternehmen sind kaum kostenträchtig und weil sie mit Verve angebracht werden bekommen die 133er auch genug Unterstützung bei der gering nötigen Finanzierung z.B. durch WIN.
Vielleicht springt der Funke irgendwann über und infiziert auch die jüngere Gesellschaftsschicht der Stadt. Erste Impulse sind schon da. Am Freitag spielten zwei Akustik Bands im Ahoi store, Salo und Mathis sowie die Friday night score, beide aus Bremerhaven. Und der neue Reiseführer könnte da ein weiterer Schritt sein. In den drei Pop-up-Tagen konnten viele Gäste im store ihre Geheimtipps von Bremerhaven abgeben: Kneipen, Lokations, Sehenswürdigkeiten und vieles mehr der etwas anderen Art. Diese Informationen und Tipps werden dann von 133 zu einem Reiseführer für Bremerhaven verarbeitet und als gedrucktes Buch im Frühjahr herausgegeben. Das ist nicht nur für Touristen die in die Stadt kommen wollen, es ist auch für die Bremerhavener die ihre Stadt auf diesem Wege noch einmal ganz anders kennen lernen können.
Die Ideen für ihre Projekte finden sie im Brainstorming und weil sie viel im Internet surfen. Ein gesteigertes Interesse wie es in der Welt vor sich geht bildet die Basis. Dann schauen sie welche Aktionen sie in dieser Stadt, in der sie während des Studiums leben, durchführen können. Dabei spüren sie kaum Grenzen, denn: „wenn man Bock hat etwas zu machen ist es auch möglich.“ Es kommt also darauf an, dass man den eigenen Antrieb findet und/oder nutzt. No future war gestern, kreativ betätigen kann man sich immer. Und wer es weit genug damit treibt wird den Schwung hinter sich herziehen wie eine following sea. 

Samstag, 3. Dezember 2011

KunstRaum Geestemünde bangt um Zukunft

(Bremerhaven) Gestern wurde die vorerst letzte Ausstellung im KunstRaum Geestemünde eröffnet. Zur Begrüßung sprach Stadtrat Dr. Rainer Paulenz einige Worte. Er nutzte die Gelegenheit den KunstRaum einmal persönlich in Augenschein zu nehmen und stellte fest, dass sich viele Bürger für diese Einrichtung interessierten, Gesichter die er auch in der Kunsthalle Bremerhaven schon gesehen habe. Über die Zukunft des KunstRaums Geestemünde konnte er keine verbindliche Aussage treffen, stellte aber in den Raum es gäbe Bestrebungen den KunstRaum auch weiterhin zu ermöglichen.

Die anschließend einführende Rede von Friedo Stucke, dem Verleger und Herausgeber dieser KULTUR-NEWS, finden sie hier im Anschluss veröffentlicht. 

"Einführende Rede zur Ausstellung '3 und 40' vom 02.12.2011"

Ich darf sie herzlich zur letzten Ausstellung in diesen Räumen vom KunstRaum Geestemünde begrüßen. Alle Künstler, die bisher im KunstRaum ausgestellt haben, wurden eingeladen einen Betrag zu leisten. 34 Künstlerinnen und Künstler konnten dieser Einladung folgen. Es ist aber noch nicht der Zeitpunkt für den ultimativen Schwanengesang. Denn der Erfolg mit dem der KunstRaum diesen Stadtteil geprägt hat, der Idealismus und das Engagement der Organisatorinnen Barbara Röpke, Sandra Jakobs, Conny Wischhusen, Rita Madena und seit kurzem Barbara Meyer, sowie der unermüdliche Einsatz des Stadteilmanagers Thomas Ventzke, erzwingen nach dem gesunden Menschenverstand dass diese Galerie weiter geführt werden muss. Die Räume, die in vielen ehrenamtlichen Stunden renoviert und in Schuss gehalten wurden, stehen ab Januar wegen der Kosten nicht mehr zur Verfügung. Dazu ein kleiner Rückblick:
2006 initiierte Jochen Hertrampf in Bremerhaven die erste Kunstaktion „Kunst statt Leerstand“. Leere Ladenlokale, wie auch dieses hier, wurden für ein Wochenende mit Kunst belebt. Diese Aktion wiederholte sich in ähnlicher Weise 2007 und 2009. Um nicht nur eine Woche im Jahr die Leerstände zu beleben entstand die Idee einen KunstRaum längerfristig zu schaffen, was dann auch geschah, zuerst in der Georgstraße 61. Nach einer fünfmonatigen Pause ging es dann weiter in diesem leer stehenden Ladenlokal. Mit Unterstützung der Werbegemeinschaft Geestemünde, WIN-Fördermitteln, der Kreissparkasse Wesermünde, dem Standortmanagement Geestemünde und vielen anderen Helfern und Idealisten ist der KunstRaum in diesem Stadtteil zu einem Anlaufpunkt geworden. Der KunstRaum Geestemünde ist nicht die private Hobbyinitiative einiger selbstverliebter Möchtegernkünstler, sondern er ist viel mehr das Angebot das Leben in Geestemünde und weit darüber hinaus mit künstlerischen und kulturellen Impulsen zu versorgen, der in dieser Form nirgends angeboten wird. Jeden Monat stellten hier ein bis drei Künstlerinnen und Künstler aus. Darüber hinaus gab es weitere Veranstaltungen wie Lesungen, Performence und Kurse. Dies hier ist der noch weiter ausbaufähige KunstRaum um den Menschen eine Alternative zur Aussichtslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Bildungsnotstand, Hoffnungslosigkeit, Drogen, Suff und, und, und zu geben.
Wie es weiter geht steht noch in den Sternen. Einen Monat vor Toresschluss gibt es noch keine Aussage wie es weiter geht. Es gibt Vertrauen und Idealismus, es gibt auch schon Lippenbekenntnisse, aber in trockenen Tüchern ist noch nichts. Und daher muss der KunstRaum Geestemünde, namentlich die Organisatoren, um die Zukunft dieser Einrichtung bangen. Bevor sie nun aus Anteilnahme ihre Geldbörse öffnen und eine überzeugende Spende in den Hut werfen, lassen sie uns einen Moment über Wertschätzung reden.
Wertschätzung hat zunächst einmal nichts mit Geld zu tun. Wertschätzung ist ein Ausdruck von Anerkennung der in unserer Zeit an Gewicht verloren hat. Unsere Wertmassstäbe sind an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet. Wir reden von "WIN-WIN-Situations", davon, was wir zurück bekommen wenn wir unsere Anerkennung oder Beteiligung ausdrücken. Wir sind kulturell kurz davor keine uneigennützige Wahrnehmung walten zu lassen. Wenn etwas keine materielle Basis hat, kann der Wert bald nicht mehr ermittelt werden. Im Staatshaushalt scheint es ja schon so zu sein, dass gerade die nicht materiellen Werte am meisten stören, die Sozialleistungen, die Leistungen die keinen merkantilen Gegenwert erzeugen. Unser gesellschaftliches, oder soll ich sagen politisches, Verhältnis zur Kunst ist da noch weit geringer ausgeprägt. Diese Haltung ist eine Geringschätzung, das krasse Gegenteil zur Wertschätzung. Wollen wir das? Nun, einmal angenommen wir wollen das nicht. Wie drück sich dann Wertschätzung aus?
Gerade in der Kunst treffen wir auf Angebote die uns verstören, verwirren und unser Weltbild ins Schwanken bringen. Aus einer Ausstellung sollten wir mit mehr Fragen heraus gehen als hinein. Eine Verstörung an uns heranzulassen bedeutet, dass wir uns für etwas öffnen das uns unbekannt ist, etwas dem wir unser Vertrauen schenken müssen. Das ist der erste Schritt zur Beteiligung, es ist eine aktive Handlung von uns gefragt, wir müssen etwas das nicht in unser Weltbild passt seine Berechtigung zugestehen. Und diese Berechtigung sollte so weit gehen, dass wir die Betrachter uns selbst in Frage stellen. Wenn wir nicht bereit sind unser Weltbild zu erschüttern, dann sollten wir nicht in eine Ausstellung gehen, sondern können getrost so lange warten bis die Welt um uns herum das für uns besorgt. Seit 2008 haben wir alle genügend Möglichkeiten gehabt zur Erschütterung auf die eine oder andere Weise. Wertschätzung ist also auch eine Frage ob wir Opfer oder Gestalter sein wollen. Kreativ handelnde Menschen suchen die Erschütterung um dann etwas neues aufzubauen. Opfer jammern über die Verhältnisse und schreien nach Gesetzen die ihr schwankendes Weltbild sichern sollen. Oder anders gesagt: Ein NPD-Verbot wandelt nicht einen einzigen Neonazi in einen demokratisch verantwortlichen Mitbürger.
Wertschätzung bedeutet, man nimmt etwas Unbekanntes wahr und lässt es in sich wirken ohne zu urteilen. Wir brauchen es nur umzudrehen. Warum sollten die anders Denkenden uns wertschätzen? Wertschätzung fördert die Angst, wir könnten von unseren Massstäben abweichen. Doch wer kann schon mit Bestimmtheit sagen was richtig und was falsch ist? Die Wissenschaft kann es nicht, sie tüftelt noch an vielen Rätseln. Der Glaube etwa? Wohl ehr nicht. Der bietet nur Trost. Wertschätzung kann ein Weg sein anzuerkennen: Keiner von uns hat je den Stein der Weisen geküsst. Es wäre die Offenheit zur Augenhöhe. Wertschätzung ist der gelebte Mut sich ins Ungewisse zu begeben aus dem man selbst gewandelt hervor tritt.
Wenn wir alle still stehen und kein Wort sagen, dann können wir uns nicht gegenseitig wertschätzen. Es bedarf der Äusserung, und im künstlerischen Sinn der extraordinären Äusserung, um eine Wertschätzung zu gestalten. Für Künstlerinnen und Künstler bedeutet dies eine erhöhte Aufrichtigkeit. Sie geben den Vertrauensvorschuss, sie machen die Einladung an Menschen die sich erschüttern lassen wollen. Sie manipulieren nicht, sondern stellen als erste in Frage. Und ihre erste Schau dessen was sie in Frage gestellt haben ist das ausgestellte Werk. Je nachdem wie tief sie in ihren Seelen gegraben haben, um eine Antwort oder ein Zwischenergebnis zu finden, sind sie verwundbar und selbst verstört. Die Schaffenden beginnen mit der Wertschätzung in dem sie ihren Selbstwert zu schätzen lernen. Die erlangte Aufrichtigkeit und Unvoreingenommenheit bleibt nicht in der Werkstatt, sie ist Teil der Person die schöpft, muss zwangsläufig mit in die Welt genommen werden die verlogen ist, in der betrogen wird, in der man argumentiert bis zum Krieg, in der Menschenleben leichtfertig für Machtansprüche geopfert werden, in der Lösungen weniger gelten als Kompromisse, in der Angst als probates politisches Mittel eingesetzt wird, in der Recht über den gesunden Menschenverstand gestellt wird. 
Welchen Wert hat der Seelenkampf den es kostet um zu schöpfen? Wie viele Stunden fallen in die Waagschale wenn der Wert eines Werkes geschätzt wird? Wie bemisst man den Gegenwert einer kunstschaffenden Stunde? Wer entscheidet was Wert ist Kunst genannt zu werden? Wie viel ist es Bremerhaven wert das der KunstRaum Geestemünde weiter besteht?
Vielen Dank!