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Mittwoch, 25. Dezember 2013

Installationen von Obsession und Fragilität


Performative Installationen an der Schwelle der Entzifferbarkeit.

(Hannover) Die Kestnergesellschaft Hannover zeigt seit dem 12. Dez. 2013 Installationen von Karla Black und Kitty Kraus. Zur Ausstellung wird ein ambitioniertes Rahmenprogramm angeboten. Die Arbeiten sind geprägt von Einfachheit und Durchlässigkeit, sie sind raumgreifend und federleicht. 

Die Räume wirken leer. Der sensible Ausstellungsbesucher spürt sofort, dass er mitten drin ist in der Installation. Der Kopfgesteuerte läuft Gefahr das Werk zu zerstören. Da liegt z.B. in der Mitte eines Raumes eine Glasscheibe von ca. 5 Meter Länge und und einen halben Meter breit auf dem Fussboden. An einem Ende ist die Scheibe mit einer weiteren hochkant gestellten Scheibe unterstützt und hebt sich somit vom Boden ab. Diese Installation von der in Heidelberg geborenen Kitty Kraus hat keinen Namen. Kraus gibt ihren Arbeiten keine Namen. Das ist gut. Denn so gelingt es einem nicht eine Kategorie aus dem Ärmel zu zaubern und weiter zu gehen. Die beiden Scheiben auf dem Fussboden werfen Fragen auf, die noch nicht einmal unbedingt in Worte gefasst werden müssen. Der Betrachter setzt sich in Beziehung zum Raum, der nahezu leer ist, und den beiden Scheiben, die er evtl. fast zertreten hätte. Es ist die Kunst so viel wie möglich weg zu nehmen um an den Kern der Sache zu gelangen. Es ist also ein Ort der Einkehr, ein Ort der Reflektion mit sich, in Beziehung mit dem was die Installation vorgibt. Ein Moment von Spiritualität, der Begegnung des Menschen mit sich und seiner Umwelt.

Im nächsten Raum ist es gleich und anders herum. Der Raum, das ehemalige Goseriedebad, ist dunkel, diffus beleuchtet. Zwei quadratische säulenartige Kuben stehen mitten im Raum. Die Deckel scheinen in knappem Abstand darüber zu schweben, so dass waagerecht ein schmaler Lichtschein heraus strahlt. Seltsamerweise ist an der Wand aber kein Lichtstreifen zu sehen, sondern ein dunkler schmaler Schatten. Nun kann man durch diesen Licht-Schatten-Kontinuum hindurchgehen ohne es zu beschädigen, im Gegensatz zum Raum zuvor. Hier herrscht auch nicht die Spiritualität vor - sondern vielmehr das Wunder der physikalischen Irritation. Es ist also das Yang zum  Raum zuvor. Es ist hier die Welt um den Betrachter herum und wieder in Beziehung mit ihm. Hier ist der Raum gefüllt mit etwas und dennoch extrem reduziert auf das wesentliche.

Karla Black ist das farbige Pendant zu der ehr schwarzweissen Kitty Kraus. Die aus Alexandria (Schottland) stammende Bildhauerin Karla Black hat im Obergeschoß raumgreifende Installationen geschaffen. In ihren Arbeiten springt einem direkt die performative Grenzauslotung von Materie an. Obwohl auch hier die Arbeiten von bezeichnender Transparenz sind, sind sie auch geerdet durch körperliche Begegnung mit den Materialien. In einem Raum sind transparente Klebestreifen, Umgangssprachlich auch Tesafilm, von der Decke zum Fussboden lotrecht angeordnet. Die Streifen sind mit dem Auge auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Man spürt nur das etwas die Sicht beeinträchtigt, wenn man durch den großen Raum schaut. Die Klebestreifen haben Fingerabdrücke und sind recht gleichmässig über die Fläche verteilt. Als würde die Luft sichtbar gemacht. An der Wand sind drei Objekte. Hier steht die Gestaltung von Gegensätzen im Vordergrund.

Der obsessive Umgang mit Material wird noch deutlicher in einem Anderen Raum. Dort sind zwar auch wieder Klebestreifen lotrecht von Decke zum Fussboden gespannt und wenige Objekte stehen zwischen den Klebestreifen am Boden. Doch hier hat Black die Hunderte - wenn nicht gar Tausende - Klebestreifen von oben bis unten mit farbigem Kreidepulver bestäubt. Die vielleicht sechs verschiedenen Farbtöne sind alle sehr blass und ehr wie ein Farbhauch zu erkennen. Um die Obsession noch zu unterstreichen gibt es die Anweisung, dass bei einer ungewollten Beschädigung der Farbpulverspuren nicht einfach nachgepudert werden darf, sondern der Klebestreifen muss original erneuert werden. Das ringt dem Betrachter eine gewisse Achtung und Respekt ab. Es handelt sich eben nicht nur um Farbpulver, sondern viel mehr um den Akt des Handelns. Ihre Arbeiten ermahnen ohne aufdringlich zu werden daran, dass es die Taten sind die uns als Menschen ausmachen.

Die hier exemplarisch beschrieben Arbeiten von Karla Black und Kitty Kraus werden von einen umfangreichen Begleitprogramm ausgestellt. Es gibt Kestnerdialog mit der Künstlerin Kitty Kraus, Direktorenführung mit Dr. Veit Görner, kostenlose Führungen, Sonderführungen unter dem Titel „der andere blick“ mit Eberhard Meier, Gruppen und Schulführungen, Kestnerkids sehen Kunst- machen Kunst und goes International und einiges mehr. Die zahlreichen Informationen findet man auf der Homepage . Die Ausstellung ist noch bis zum 2. März 2014 zu sehen.

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