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Donnerstag, 24. Mai 2012

Zwei Stunden um Mord und Rache „Die Orestie“ im Theater Bremen


(Bremen) Das Schauspiel Bremen zeigt in einem spannendem Kraftakt „Aischylos - Die Orestie“ in der freien Übertragung von Walter Jens, Regie von Alice Buddeberg, Bühne und Masken von Sandra Rosenstiel, Kostüme von Martina Küster und Musik von Stefan Paul Goetsch. Eine starke Ensemble Leistung die zu Recht mit starkem Beifall bedacht wurde.
Die Handlung ist recht vereinfach so: Agamemnon opferte seine Tochter Iphigenie für den Trojafeldzug. Bei seiner Heimkehr erfährt er, seine Frau Klytaimestra brach mit Aigisth die Ehe. Sie tötet Agamemnon. Ihr Sohn Orest nimmt Jahre später Rache und tötet sie. Doch kann Mord mit Mord gesühnt werden?
Mit dieser Frage ist die Verbindung zu Gegenwart hergestellt. Bei Aischylos wird die causa vor die Erinnyen gebracht. Deren Entscheidung endet mit Stimmengleichheit und Orest wird frei gesprochen. (In dubio pro reo?!) Athene spendete ihnen einen Kult und die zürnenden Erinnyen wandelten sich zu gütigen Eumeniden. Von nun an wird Recht nicht länger von den Göttern gesprochen sondern es ist Aufgabe des Staates: Halleluja! Halleluja?
Kann der Staat besser Recht sprechen als die Götter? Zwei Nachrichtensprecherinnen treten auf und berichten den Ablauf des Trojanischen Kriegs, aus der Sicht Spartas und aus der Sicht Trojas. Die Nachrichten fliegen gleich Wutbeschuldigungsfetzen über die Ägäis. Jede Tatsache ist in der Nachricht zur Auslegungssache geworden. Man könnte denken, die Menschen selbst sind es die das Leben auf der Erde so unerträglich machen. Und darin liegt eine Stärke der Inszenierung: Man wird wirklich erregt sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Dem Schauspiel Ensemble muss man großes Lob aussprechen. Das Stück hat eine Spieldauer von zwei Stunden. Das ist mehr als eine Blasenlänge nach Hitchcock. Und dieses mehr erfordert ein enorm spannungsreiches Schauspiel; das Publikum muss vergessen woher es kam, und dass es im Theater sitzt. Dieser Kraftakt ist gelungen. Sicherlich gelang dies weil die Regisseurin Alice Buddeberg die richtige Rhythmik, und ein dynamisches Spiel gefunden hat, gespickt mit prägnanten und dennoch einem Klassiker angemessen zurückhaltenden Charakteren. 
Überragend im Spiel Varia Linnéa Sjöström als Kassandra mit riesiger Schaumstoffmaske. Die Vielschichtigkeit der Kassandra wird durch ihr Spiel mit den verstellten Körper Proportionen eindrucksvoll sichtbar, die mythologische Gestalt spricht aus der Ewigkeit. Das ist Schauspielkunst wie sie selten erlebt werden kann. Franziska Schubert steht dem nicht viel nach in der Rolle der Elektra. Sie wandelt sich von der schnoddrigen Göre zur erkennenden Tochter hin zur emanzipierten auf ihr Recht pochenden erwachsenen Frau.
Bei so vielen Hingemeuchelten muss ein Wort über Blutvergießen gesagt werden. Hier hat Alice Buddeberg eine sehr schöne Lösung gefunden. In der Mitte über der Bühne ist ein Auslass. Darunter finden sich die Sterbenden ein und werden mit einer Flut von schwarz gefärbtem Wasser im Moment des Sterbens rein gewaschen. Denn auf der Familie des Agamemnon lastet der Fluch des Tantalos bis in die fünfte Generation. Die Tötungen sind also nicht allein menschliche Niedertracht, sie liegen auch im unergründlichen Bereich des Schicksals. Die Viktimologie hat noch keinen Einzug in der Rechtsprechung gefunden, doch im Theater haben wir die Gelegenheit über die Grenzen von Schuld und Sühne hinaus zu schauen. Buddeberg bietet auf vielen Ebenen die Gelegenheit sich ein eigenes Urteil über die Staatsgewalt zu bilden ohne die Rechtsordnung gleich ins Wanken zu bringen.
Unbedingt sehenswert! Weitere Vorstellungen am 26. und 31. Mai jeweils um 20:00 Die Vorstellungen und Anfangszeiten der folgenden Monat findet man im Spielplan unter  www.theaterbremen.de 

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