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Samstag, 7. Februar 2015

In Ewigkeit erstarrt

von Friedo Stucke
Trauernder Mann - Wieland Förster
(Bremen) Das Gerhard Marcks Haus darf mit Sicherheit als „das“ Bildhauermuseum im Norden bezeichnet werden. Just mit der aktuellen Ausstellung von Figuren wird hier eine Position in der Bildhauer Kunst ergründet die der Figur elementar ist: Der Schmerz! Man spricht von Mut in dem Bewusstsein, sich der Gefahr auszusetzen der Physis eine Verletzung, oder eben einen Schmerz, zuzufügen. Es kostet Überwindung und Entschlossenheit seinen Körper in Aktion zu versetzen, wohl wissend, dass in diesem Körper das Leben wohnt. Wir können die Gefahr des Todes oder einer Verletzung ignorieren, beim Militär ist das alltäglich, oder wir tasten uns mit Feingefühl an das Risiko heran, weil Entwicklung und Lernen immer mit dem Überschreiten von Grenzen zu tun hat.

Für die Ausstellung „Figur tut weh“, die noch bis 12. April im Gerhard Marcks Haus zu sehen ist, empfiehlt es sich Zeit mitnehmen. Es werden dort sehr viele und sehr unterschiedliche Positionen zur Figur gezeigt, die es Wert sind mit Bedacht nachempfunden zu werden. Gleich zu Beginn begegnet man einer männlichen Figur mit einem Arm. Dieser Arm hängt in einer gelösten Haltung herab. Er wirkt so leicht, dass man meint, man könne ihn zum schwingen bringen. Eine gelöste Haltung. Gleichzeitig streckt sich die Figur ins Hohlkreuz und dehnt den Hals zur linken Seite. Welche Anstrengung mag vorangegangen sein, damit die Figur diese Gesamthaltung eingenommen hat? Da es sich um eine eingefrorene Bewegung handelt, kann man davon ausgehen, dass die Figur - würde sie leben - sich selbst kaum darüber bewusst sein dürfte, was sie da gerade macht. Diese Figur erinnert an schwere Arbeit. Die älteren Leute unter uns haben eine ganz andere Erinnerung an schwere Arbeit als man sie heute noch machen kann. Wie haben sich die Grenzen der Anstrengung in den, sagen wir in den letzten 50-60 Jahren, verschoben? Allein mit der intensiven Betrachtung dieser Figur können wir ein bewussteres Verhältnis zur heutigen Zeit erlangen.

Wieland Förster im Vergleich mit anderen Bildhauern


Die Materialien sind Zement, Sandstein, Holz, Polyester, Textil, Leder , Eisen und überwiegend Bronze. Materialien und Konzepte der Figuren bilden eine Einheit wie z. B. in der Nr. 20 von Hede Bühl - Sitzende Figur, oder Nr. 12 von Michael Schoenholtz - Mann, teilweise bekleidet. Bei den bronzenen Figuren sticht ins Auge, dass die Materialwahl ideal mit der gestoppten Bewegung überein stimmt. Dabei ist jedem klar wie hart und starr Bronze ist. Verglichen mit der unterbrochenen Bewegung kommen einem unweigerlich Ideen von Ewigkeit und Tod in den Sinn. Anderseits ist Bewegung der Inbegriff von Leben.

Hände der Großen Neeberger Figur - Wieland Förster
Diese Widersprüche finden sich auf mehreren Ebenen in der Großen Neeberger Figur von Wieland Förster, die im Raum II den zentralen Punkt der Ausstellung einnimmt. Der erste Eindruck nimmt die Illusion von Schönheit. Mit 3,18 Meter ist sie schon fast von bedrohlicher Größe. Auf dem zweiten Blick fallen die Missverhältnisse der Proportionen auf. In die Länge gestreckte Waden, gestauchte, quellend muskulöse Oberschenkel, ein kantiges Becken, darüber eine abgeschnürte Taille. Der athletische Brustkorb würde ehr zu einem männlichem Schwimmweltmeister passen und sie idealisieren Brüste zu einer indischen Göttin. Einzig mit ehrlicher Anmut sind Hände und Füsse. Die Figur ist weder jugendlich noch alt, aber vielleicht auch beides. Sie ist weder aufreizend noch abstoßend, aber interessant genug um sie ergründen zu wollen. Ihr Gesicht ist nicht zu sehen, weil sie sich grad ein, sagen wir Kleid, überstreift. Ich muss in diesem Punkt Wikipedia widersprechen. Es ist der Moment in dem sie das Kleid vom Kopf aus über ihren Körper fallen lässt und nicht umgekehrt. Spinnen wir ruhig weiter: Sie war schwimmen mit ihrem Liebhaber und kleidet sich nun rundum befriedigt wieder an. Vielleicht steht sie so da um ihrem Liebhaber, der noch in der Nähe weilt, einen letzten Blick auf ihren nackten Körper zu gewähren. Mit einer toleranten Betrachtung findet man in dieser Figur die wichtigsten Themen die unser aller Leben ausmachen: Liebe, Sexualität, Vergnügen, Arbeit und Tod. Die Große Neeberger Figur umfasst alle Lebensabschnitte. Vielleicht ist das auch eine Hoffnung, auch im hohem Alter noch die Erfüllung des Lebens zu finden.


Unsere Vorstellungen von Schönheit, Körper, ewige Jugend, Arbeit, Zwang, Starre, Bewegung und Schmerz werden in den einzelnen Figuren der Ausstellung auf einen harten Prüfstand gezogen. Natürlich nur wenn man sich die Zeit nimmt und sich darauf einlässt etwas Konfrontierendes zu erfahren. Nur dann ist man evtl. bereit, in einer Zeit die Glück und verlockende Beschwingtheit prophezeit, die Mühe und den Schmerz zu akzeptieren der damit Hand in Hand geht. INFOS

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