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Sonntag, 1. Februar 2015

Abhörrealität in der Schwankhalle

dreiprozentextra (3%+)
von Friedo Stucke
(Bremen) Die Schwankhalle in Bremen ist der Raum für Ideen. Die Theatergruppe dreiprozentextra (3%+) hat diese Ideen mit dem Stück E.D.D.I.E. .  Es geht um Daten, wie sie gesammelt werden, was damit geschieht und darum wie wir alle damit konfrontiert sind. dreiprozentextra, das ist Theater aus der sogenannten Hildesheimer Schule. Das ist Theater mit einem hohen Aktualitätsgehalt, das sind Fakten die mit theatralischen Mitteln präsentiert werden.

Wenn man eine anonyme Kreditkarte über fünf Zahlungsvorgänge beobachtet, kann man zweifelsfrei den Namen des Karteninhabers feststellen. Über das mitgeführte Mobiltelefon kann man den genauen Aufenthaltsort einer Person ermitteln. Über das Surfverhalten im Internet wird den Nutzern, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Werbung zugestellt. Und all das ist strikt illegal. Es ist allerdings auch schwierig eine Legalität einzufordern, da wir alle nur zu gerne unsere Daten, auch die sensiblen freizügig zur Verfügung stellen. Beim Media-Markt tun wir es, wenn wir unsere PLZ angeben. Beim Real-Kauf tun wir es, wenn wir die Kassen nutzen die ohne Personal ausgestattet sind. Im Supermarkt unterschreiben wir sogar eine Einwilligung dafür, wenn wir mit der Kreditkarte unsere Lebensmittel bezahlen. Und bei Facebook, nun ja, dass ist ja hinreichend bekannt, dass wir dort den kompletten Seelenstriptease machen. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem wie wir uns „frei“ bewegen, und dem wie mit diesen frei zu beobachtenden Verhalten umgegangen werden sollte. Das ist sicher eine ethische Frage. Es ist aber auch eine rechtliche Frage wenn soviel Missbrauch damit geschieht.

Der Missbrauch ist zunächst einmal noch gar nicht zu definieren. Denn es gibt keine gesetzliche Regelung die auf alle Fälle anzuwenden wäre. In der Performance von (3%+) bekommt man einen sehr treffenden Eindruck von der allgegenwärtigen Datensammelitis. Und wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, der ist im Bilde welche Gefahren davon ausgehen können. Z.B. kann es geschehen, dass man einige Worte, die in ein terroristischem Profil passen, ausspricht, und man verliert seine Bürgerrechte, muss Folterungen und Verhöre über sich ergehen lassen. Es werden Millionen und Abermillionen Telefone angehört, aber über das abgehörte Telefon der Kanzlerin regt man sich auf. Seltsam, ist nicht die größte politische Gefahr für andere Staaten gerade von diesem Anschluss aus zu erwarten? Nach der Aufführung stellt man sich die Frage wofür diese Daten wirklich gesammelt werden. Angeblich um die Bevölkerung vor Terror zu schützen. Doch in Paris haben wir grad gesehen, dass die Attentäter von Charlie Hebdo zwar den Sicherheitsbehörden bekannt waren, aber die Morde konnten nicht verhindert werden. Leben wir wirklich in Schilda, der Stadt in der mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird? Oder ist der Sinn der Totalüberwachuung ein probates Mittel die evtl. aufkommende Selbständigkeit normaler Bürger durch ein gigantisches Angstszenario einzudämmen? Was um alles in der Welt rechtfertigt die Milliardenbeträge der Überwachungskosten, während überall auf der Welt Elend, Hunger und Armut herrscht? Was ist so wertvoll, das es um jeden Preis geschützt werden muss, um den Preis des völligen Verzichts auf Privatsphäre der gesamten Menschheit?

dreiprozentextra gibt natürlich darauf keine Antwort und stellt auch nicht diese Fragen. Sie gibt einen breiten Einblick in die Datensammelwut und konfrontiert das Publikum mit dem eigenen künftigen Verhalten. Aber eines wird sehr deutlich: Wir, die wir ausgespäht werden, sind machtlos. Man bekommt das Gefühl, dass Demokratie und Rechtsstaat noch nie so fern waren wie jetzt.

Die nächsten Aufführungen von E.D.D.I.E sind am 4. und 13. März im Polyester in Oldenburg. Infos

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