Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Dienstag, 28. August 2012

Aufrichtige Demokratie!?


(Wanna) David Graeber beschreibt in seinem Buch „inside occupy“ was Demokratie ist, wie sie entstand und wie sie heute vergewaltigt wird. In lockerem Plauderton erfährt der Leser wie es zu der occupy-Bewegung kam und wer die geistigen Initiatoren sind/waren. Gespickt mit vielen wertvollen Informationen kann man sich weiter in occupy vertiefen. Die weitreichenden jedoch nicht ausschweifenden Gedanken zur Demokratie bieten die Chance sich ein neues eigenes Bild einer politischen Form zu machen die noch nie ausgereift war.

Wenn David Graeber, der auch „Schulden - die ersten 5.000 Jahre“ geschrieben hat, von den ersten Tagen der occupy-wall-street berichtet, spürt man, dass es eine Bewegung von Menschen wie du und ich gewesen ist. Menschen die nicht länger von bornierten, machtgeilen Geldsäcken regiert werden wollen, gebildete Menschen mit durchblick die die Schnauze voll haben und mit ihrer ganzen Unfähigkeit und Ungeübtheit im politischen Handeln ernsthaft versuchen Politik zu betreiben, weil die gewählten Volksvertreter zu 100% versagen. Das schließt auch die einst ach-so-sehr-geliebte Obama-Gestalt ein, der man gerade jetzt in der Vorwahlzeit sein „Yes we can“ um die Ohren hauen kann.

Es ist ein Buch der besonnenen Empörung. David Graeber kann mit großer Sachkompetenz komplexe politische Zusammenhänge erklären. Das wird besonders deutlich wenn er über die Ursprünge der Demokratie spricht und was dann daraus im Lauf der Geschichte geworden ist. Und wenn uns heute von den Medien gebetsmühlenartig eingebläut wird was alles nicht geht und warum die Probleme in der Welt so schwierig zu lösen seien, dann antwortet Graeber darauf: „Auf dieser Welt ist vieles knapp, was wir jedoch in unbegrenztem Maß haben, das sind intelligente, kreative Menschen, die Probleme wie diese zu lösen imstande sind. Das Problem ist also nicht etwa ein Mangel an Fantasie. Das Problem sind erstickende Systeme von Schulden und Gewalt, die dazu geschaffen wurden, um uns am Einsatz dieser Vorstellungskraft zu hindern - oder die zumindest dafür sorgen sollen, dass wir damit nicht mehr erfinden als Finanzderivate, Waffensysteme oder Internetplattformen zum Ausfüllen digitaler Formulare. Und das ist natürlich genau die Situation, die so viele an Orte wie den Zuccotti Park getrieben hat.“

David Graeber - inside occupy, Campus Verlag Frankfurt am Main 2012 ISBN 978-3-593-39719-1 Broschur 14,99€

Sonntag, 26. August 2012

„Tagebuch eines Wahnsinnigen“



Ulrich Sommer als A.I.P. alias König von Spanien
(Darmstadt) Das „Theater Curioso“ gibt im Glashaus im Fürstenlager Bensheim-Auerbach ein Gastspiel an zwei Abenden mit der Groteske von Nikolai Gogol „Tagebuch eines Wahnsinnigen“. In der Regie von Gabriela Reinitzer spielt Ulrich Sommer einen kleinen Beamten Aksentij Iwanowitsch Poprischtschin der vom sozialen Aufstieg träumt. Von seiner beruflichen Perspektivlosigkeit genervt, und von der aussichtslosen Liebe zur Tochter seines höchsten Chefs gelähmt, versucht er den Spieß umzudrehen. Er arrangiert sich mit der demütigenden Realität, in dem er sich in eine Scheinwelt flüchtet, in der er als „König von Spanien“ wandelt.

Das Darmstädter Echo schreibt, „… es sei verstörend gut“ und „… kann bewegender nicht dargestellt werden“. Der international erfahrene Schauspieler, Ulrich Sommer, brilliert in aberwitzigen Dialogen mit dem Hund der Angebeteten - grandios.

Die beiden Gastspiele finden jeweils am Donnerstag den 30.08 und 06.09.2012 um 20:30 statt. Tickets zu 15,00€ / erm. 12,00€ können im Staatspark Fürstenlager 64625 Bensheim-Auerbach telefonisch unter 06251 - 93460 bestellt werden.

Freitag, 17. August 2012

Erst aufräumen dann spielen



(Wanna) Vor 10 Tagen war es endlich so weit. „Wir“ haben ein weiteres Fahrzeug auf dem Mars landen lassen. Ohne Frage ist das eine technische und organisatorische Meisterleistung. Man kann davor nur respektvoll den Hut ziehen. Dem aufmerksamen Leser wird nun auffallen das sich eben die Menschheit geteilt hat. Auf der einen Seite sind „wir“ die die von Stolz erfüllt sein sollen, weil das „wir“ die Intelligenz der Menschheit (im Vergleich zu Pflanzen und Tieren) als hochentwickelt bewiesen hat. Andererseits wird dieses „wir“ gleich wieder aufgeteilt in die, die es geschafft haben, und die die es bezahlen.

Ich bin kein Wissenschaftsverächter. Ich bin selbst ein extrem neugieriger Mensch. Wissenschaft und Entwicklung unserer geistigen Fähigkeiten halte ich für erstrebenswerte Anstrengungen der Menschheit. Und genau wegen der Bedeutung für die gesamte Erdbevölkerung, ist es nicht sinnvoll diese Bestrebungen national voran zu treiben. Kürzlich sagte ein Radiomoderator es wolle nun auch eine weitere Nation durchstarten um einen ersten Menschen auf den Mars zu bringen. Er meinte, ein Wettlauf könne entstehen bei dem eine Nation dann landet und bereits auf einen Rosenverkäufer treffen könnte. Bis es soweit ist wird aber noch einige Zeit vergehen, und man wird wohl noch einige andere Forschungsvehikel in den strahlend blauen Morgenhimmel schießen. Man darf schon spekulieren was die ersten Worte sein werden. Z.B.: „Ich erkläre die Straßenverkehrsordnung der U.S.A. auf diesem Planeten für verbindlich.“ Curiosity ist immerhin schon das dritte Fahrzeug welches die Amerikaner gelandet haben (von dem wir wissen). In der Wettlaufzeit um den ersten Menschen auf den Mars wird jede raumfahrtfähige Nation der Erde noch eine stattliche Anzahl technisches Gerät hochschießen. Das könnte dann 2040 schon für eine Auto-Scooter-Bahn genügen. Denn so wie Spass hier auf der Erde im Vordergrund steht um die wirtschaftlich bedeutenden Nationen, oder vielmehr deren Völker bei Laune zu halten, so muss auch für die ersten Menschen auf dem Mars für Unterhaltung gesorgt werden.

Schauen wir doch einmal auf die Fakten: Entfernung von der Erde zum Mars beträgt 248.000.000 Kilometer. Das entspricht einer Strecken die ich 10.000.000 Mal zurückzulegen muss um zur Arbeit zu kommen und wieder zurück. Oder sagen wir ich müsste für diese Strecke 41667 Jahre zur Arbeit fahren. Oder grob gerechnet 124.000 Mal nach Mallorca in Urlaub fliegen. Dann vielleicht doch lieber Arbeiten?!
Die Mission hat rund 2.000.000.000 Euro gekostet. Auch hierfür ein Vergleich. Wer, wie heute viele Menschen, bei einem Personal-Dienstleister beschäftigt ist und 1400 Euro im Monat verdient, der müsste etwa 119.048 Jahre Arbeiten um den Betrag zusammen zu bekommen. Allerdings kann man von 1400 Euro weder leben noch nebenbei eine Marsreise finanzieren.

Es ist also nicht der Einzelne gefragt sondern die Gemeinschaft um solche Projekte zu bezahlen. Doch sollte dann nicht auch die Gemeinschaft der Menschen mit all ihren Projekten in den Vordergrund gestellt werden? Ist es ein Zeugnis von überragender Intelligenz wenn man sich die Fähigkeiten des Wirtschaftens auf der Erde ansieht? Gibt es überhaupt einen Staat auf der Erde, der einen ausgeglichenen Haushalt vorzeigen kann? Und sind die Probleme der Wirtschaft - oder des Wirtschaftens - wirklich so schwierig und die vorgeschlagenen „Lösungen“ so alternativlos wie uns immer wieder durch Politiker vorgebetet wird? 

Als Kind musste ich erst mein Zimmer aufräumen bevor ich raus durfte zum spielen.

Montag, 6. August 2012

Altar der Trauer


(Bremerhaven) Die Anteilnahme von Freunden der unlängst bei einem Unfall in der neuen Straße verstorbenen jungen Frau treibt ihre kuriosen Blüten. Der Todesfall ist eine bedauerliche Tatsache die durchaus mit öffentlich wahrzunehmender Trauer bedacht werden soll. So wie vor einigen Jahren beim Unfalltod von Lady Di spontan viele Menschen ihre Trauer mit der Niederlegung von Blumen kund taten, so finden sich nun auch Blumen, Bilder, Kuscheltiere, Kerzen und andere Devotionalien von Trauernden in Bremerhaven platziert. In London war der Platz schnell gewählt: Der Palast in dem die Prinzessin lebte. Die Bilder gingen um die ganze Welt, jeder erinnert sich daran. Doch wo ist der angemessene Platz bei einer Person die nunmal weitaus geringeren Bekanntheitsgrad erlangte in ihrem kurzem, viel zu kurzem Leben? Die Trauernden wählten die Nähe zum Unfallort. Auf der Straße konnte man die Blumen schlecht legen. Also an die nächste Wand. Warum nun gerade die Plakattafel als Altar gewählt wurde darf spekulativ bleiben. Vielleicht war es eine unbewusste Entscheidung - unserer Konsumgesellschaft geschuldet. Das ausgerechnet eine Werbung vom Küstennebel angeschlagen ist mag ein Zufall sein. Doch ist es nicht auch eine bedenkenswerte Übereinkunft das der Unfall in der Dämmerung von einem mysteriöser Fahrer, der nicht gefunden wurde, verursacht wurde, eben gerade weil die anderen Insassen (auch die Verstorbene) wegen Vernebelung durch Alkoholgenuss nicht mehr fahren wollten?
Stresemannstraße Ecke Neue Straße Bremerhaven

Donnerstag, 26. Juli 2012

Wahr oder unwahr das Schwarzbuch WWF


(Gütersloh) Bei der Lektüre vom „Schwarzbuch WWF - Dunkle Geschäft im Zeichen des Panda“ von Wilfried Huismann steht man immer wieder vor der Entscheidung: „wahr oder unwahr - das ist hier die Frage.“ Setzt der Autor, ein dreifacher Grimme-Preisträger, seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, oder ist der World Wide Fund For Nature tatsächlich Steigbügelhalter für die weltweit skrupellosesten Umweltvernichter? Angenommen die Recherchen sind wahr, dann wird im „Schwarzbuch WWF“ der blanke Zynismus der größten Umweltsünder offen gelegt.
Der WWF hat gegen das Gütersloher Verlagshaus geklagt um den Vertrieb des Buches zu stoppen. Der Buchhändler bei mir um die Ecke wirbt in seinem Schaufenster damit, dass sich einige Buchhandlungen durch die Klage einschüchtern ließen und das Buch aus dem Regal genommen hätten. Aber das „Schwarzbuch WWF“ kann man weiterhin erwerben. Und sollte der eine oder andere Buchhändler tatsächlich kein Exemplar vorrätig haben, so wird er es sicher bei seinem Grossisten bestellen. Unter der ISBN 978-3-579-06675-2 kann es sogar direkt beim Verlag bestellt werden. Es ist bereits in der 2. Auflage unveränderten erschienen.
Der World Wide Fund For Nature erhält jährlich 500 Millionen EURO Spendengelder. Nach der Lektüre vom „Schwarzbuch WWF“ wird sich evtl. der eine oder andere Spender neu entscheiden wo und wie er finanziell unterstützt. Weitaus bedenklicher ist es zu erfahren wie der World Wide Fund For Nature zum Handlanger und Wegbereiter von Konzernen wird die skrupellos und ohne ethischem Bewusstsein die Welt ausbeuten, zerstören, verachten - einzig um des Profits Willen.
Wilfried Huismann berichtet über Großwildjäger die Safari in abgeschirmten Naturschutzparks auf artgeschützte Tiger machen. Die Ureinwohner wurden zuvor in kleinen Reservationen gepfercht und somit aus der Schusslinie genommen. Der World Wide Fund For Nature strickt eine umweltverträgliche moralische Begründung damit private Touristik-Unternehmen Gewinne machen. Ein weiteres Thema: Massentierhaltung bei Lachsfarmen in den Fjorden Chiles verpesten das Meer. 200.000 Lachse pro Käfig, das ist doppelt so viel wie in Europa erlaubt, werden mit Unmengen von Antibiotika gezüchtet. Vor einem Jahr sind bei einem Massenausbruch 130.000 Lachse ausgebrochen und haben den Reloncavi-Fjord leergefressen. „Die Industrie benutzt das Meer als Müllhalde; die Lachse in unseren Farmen produzieren genauso viele Fäkalien wie die 14 Millionen Einwohner Chiles“ wird der Biologe Hector Kol zitiert. Um ein Kilo Lachsfleisch herzustellen werden vier bis sechs Kilo wild lebende Fische getötet und zu Mehl verarbeitet. 
Am meisten schockiert das Geschäft mit dem modernen „Ablasshandel“! Huismann schildert wie der World Wide Fund For Nature Zertifikate schafft und vergibt damit Konzerne wie Monsanto Gensoja in unvorstellbarer Monokultur anbauen kann. Oder wie Palmen zur Produktion von Palmöl auf Regenwaldflächen angebaut werden die zuvor durch Brandrodung vernichtet wurden. Der Gedanke von Nachhaltigkeit im Umgang mit dem Planeten Erde und seinem Ökosystem wird mit dem Segen vom World Wide Fund For Nature mit Füßen getreten. 
Der Autor berichtet auch über die seltsame Geheimnistuerei des „Club der 1001“ in dem die „wichtigsten“ Köpfe vereinigt sind und sich Jahr für Jahr zum Panda-Ball treffen. Und er schreibt über den Dokumentarfilm Kevin Dowlings, welcher 1992 einmal im britischen Sender ITV gesendet wurde und dann im Giftschrank des Senders verschwand, und der Dowling die Karriere kostete.
Auf den 256 Seiten ist Zündstoff genug um eine neue Sicht auf den WWF zu bekommen. Übrigens auch für die Mitglieder an der Basis, die im Vertrauen an eine gute Sache eine engagierte Umweltarbeit zu betreiben glauben.


Nachtrag am 28. Juli 2012:
Der Rechtsstreit ist beigelegt. Dazu hier ein Link vom Artikel den die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte: WWF versus GVH - Schwarzbuch WWF von Wilfried Huismann 

Dienstag, 17. Juli 2012

Fünf Künstlerinnen am Puls ihrer Zeit


Videokunst von Pipilotti Rist

(Interlaken) Für die unbeirrte Suche nach visuellen Ausdrucksmöglichkeiten stehen fünf bildende Künstlerinnen in Interlaken. Anlässlich des 100. Todestages von Clara von Rappard zeigt das Kunsthaus Interlaken in Kooperation mit der Gesellschaft Clara von Rappard und der Kunstgesellschaft Interlaken die Ausstellung „Innovationen in der Kunst der Schweiz“. Neben Gemälden und Zeichnungen von Clara von Rappard 1857-1912 werden auch Werke weiterer bedeutender Künstlerinnen gezeigt: Marianne von Werefkin 1860-1938, Meret Oppenheimer 1913-1985, Leiko Ikemura geboren 1951 und 1964 Pipilotti Rist.
Die Russin Marianne von Werefkin bekam schon früh akademischen Unterricht als bei ihr im Alter von 14 Jahren das Talent zum Zeichnen entdeckt wurde. Auf Grund ihre adelige Herkunft verfügte sie über ein großes Atelier. Später erlaubte ihr eine noble zaristische Rente die Übersiedlung nach München. 1897 gründete Marianne von Werefkin die „Bruderschaft von St. Lukas“, die schließlich als N. K. V. M. eine Keimzelle zum Blauen Reiter wurde. Sie arbeitete konsequent mit dem expressionistischen Ansatz. Im Stil folgte sie den Theorien Vincent van Goghs, in der Flächenmalerei orientierte sie sich an Paul Gauguin und von Henri de Toulouse-Lautrec lernte sie die plakative Malerei. Werefkin ließ sich stark von der Japanische Kunst beeinflussen. Sie schätze „die Japaner als kunstbeflissen und versessen in ihrem Durst nach Kultur“. 
Frühstück im Pelz M. Oppenheimer
Im Grenzgebiet von Basel und Lörrach wuchs Meret Oppenheimer auf. Der Besuch der Rudolf-Steiner-Schule und die frühen Kontakte zu Literaten und Künstlern wie H. Hesse, André Breton, Marcel Duchamp und Max Ernst wirkten prägend auf ihre frühen Werke: z.B. „Frühstück im Pelz“, eine pelzbezogene Kaffeetasse. Mit dieser Tasse machte sich die spätere documenta-7-Teilnehmerin schon früh einen Namen. Bei einer Ausstellung  für fantastische Möbel zeigte sie 1939 unter anderem einen Tisch mit Vogelfüßen. Für das Theaterstück „Wie man Wünsche am Schwanz packt“ von Picasso in der Inszenierung von Daniel Spoerris entwarf sie Kostüme und Masken.
Leiko Ikemura ist japanisch-schweizerische Malerin und Bildhauerin. Als Nachkriegskind verlebte sie ihre Jugend in von Zerstörung und Entbehrung geprägten Japan. Nach dem Studium der spanischen Literatur in Osaka siedelte sie 1972 nach Spanien über um ihre Studien in Salamanca und Granada  zu vertiefen. Sie begann in einem Bildhaueratelier plastisch zu arbeiten. Von 1973 bis ´78 studierte sie an der Akademie in Sevilla Malerei. In der Züricher Kunstszene tritt sie dann markant in Erscheinung. Weitere Stationen sind Nürnberg, wo sie neun Monate als Stadtzeichnerin arbeitete, und 1985 Köln, der damalige Schmelztigel zeitgenössischer Kunst. Seit 1991 ist sie Professorin an der Universität der Künste Berlin. Im Kunsthaus Interlaken wird gezeigt wie sie mit unterschiedlichen Medien die existentiellen Daseinsformen in Motiven Stehender, Fallender, Liegender oder Fliegender auslotet.
Weltweit gefeiert wird die Videokünstlerin Pipilotti Rist. Die Schweizerin studierte von 1982 bis 1986 Gebrauchs-, Illustrations- und Fotografik an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Im Anschluss daran studierte sie an der Schule für Gestaltung in Basel Audiovisuelle Kommunikation. 1997 wurde sie auf der Biennale in Venedig mit dem Premio 2000 ausgezeichnet. Zu ihren Arbeiten zählen neben Videoinstallationen und Experimentalfilme auch Environments, Objekte und digitale Fotomontagen. Der Professor und Künstler Paul McCarthy lud sie 2002 für ein Jahr ein an der University of California L.A. zu lehren.
Am kommenden Sonntag den 29. Juli um 11:00 gibt es eine Führung unter der Leitung von Thomas Meier und Martin A. Moser mit dem Titel: Clara von Rappard als Pleinairistin - Landschaftsmotive und ihre Umsetzung.

Dienstag, 10. Juli 2012

Fasten Your Seat Belts


(Bremen) Das Bremer Theater hatte in dieser Spielzeit einen Faible für lange Stücke ohne Pause. Die Nibelungen machen da keine Ausnahme. Das Tempo und die eigenwillige Dynamik der Inszenierung der Nibelungen von Friedrich Hebbel in der Regie von Herbert Fritsch lassen dieses Opfer vom Publikum gerechtfertigt erscheinen. Ein begeisterndes Ensemble spielt nahtlos verwoben die schrille Version eines alten Trauerspiels.
Es wird von Beginn an viel geboten. Von der Bühne ergießt sich eine Energie wie in den amerikanischen TV-Serien wie CSI oder Bones. Entweder folgt man gespannt und voll konzentriert oder man verliert den Faden. Die Geschichte wird nicht erzählt sondern geschüttet. Unaufhaltsam begräbt es die Zuschauer unter der Flut von Sprachkaskaden und wechselnden Situationen. Ganz offensichtlich spielt Herbert Fritsch mit der Übertreibung. Und das macht er gut. Die Kostüme von Victoria Behr sind einfallsreich detailiert und pointiert. Sie weisen auf die vielfältigen Charakterdeutungsmöglichkeiten. Die Charaktere sind umfangreich recherchiert und gestaltet, und mit treffsicheren Schlüsselmomenten in Szene gesetzt.
Das Trauerspiel kommt aber ehr als eine Verdrängungstechnik daher. Man wird in den Theatersessel gedrückt von einer schockierenden Dynamik. Was immer man erwartet hat, dies ist anders: einnehmender, packender, konfrontierender, manipulativ, aufdringlich, ambivalent interessant. Es endet damit, dass alle im Publikum aufgefordert werden mit auf die Bühne zu kommen um dort mit den Schauspielern zu tanzen. Doch keiner wagt diesen Schritt. Denn wie endete doch die Geschichte in Etzels Thronsaal? Wurden da nicht alle bis auf den letzten Mann getötet? Das ist sicherlich nicht bei der letzten Aufführung am Samstag 14. Juli 2012 um 20:30 zu erwarten.
Die Nibelungen ist die letzte Schauspiel Aufführung in dieser Spielzeit im Bremer Theater und bildet den nahtlosen Übergang zur anschließenden Abschiedsparty auf der Bühne die ab 23:00 angesagt ist. Einige Schauspieler werden nach dieser zweiten (interims) Spielzeit ohne Intendanz das Theater verlassen: Jan Byl, Glenn Goltz, Eva Gosciejewicz, Timo Lampka, Christoph Rinke, Franziska Schubert und Varia Linnéa Sjöström. Sie haben die künstlerische Gestaltung im Bremer Theater mit getragen.