Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Dienstag, 27. September 2022

Die Waldlösung


(Wanna) Ich liebe Bücher die den Bruch eines Verbots im Titel tragen. So etwas wie: In drei Schritten zum perfekten Mord, oder: Wie man illegal einen Wald pflanzt. Das erstere gibt es noch nicht, das letztere habe ich kürzlich gelesen. Und, ja, ich bin begeistert. Der Verweis auf die Illegalität betrifft nur einen kleinen Teil des Buches. Der überwältigende Teil ist gespickt mit nützlichem Wissen über Bäume und Wald.

Im ersten Teil wird grundsätzliches berichtet über die unterschiedlichsten Möglichkeiten einen Wald zu pflanzen und warum das sinnvoll ist. Im mittleren Teil ist eine umfangreiche Datenbank über die verschiedenen Baumarten die in diesen Breitengraden üblich sind. In knapper Form sind die wichtigsten Merkmale beschrieben, so gut, dass man schnell eine Auswahl für das eigene Pflanzprojekt treffen kann. Im dritten Teil sind 17 Artikel versammelt in denen verschiedene besondere Informationen über Wälder erklärt werden. Im Anhang gibt es dann noch Bilder zur Baumbestimmung. Eine geballte Ladung Information die auch noch locker und witzig vorgetragen ist.

Als eine besondere Überraschung fand ich die Illustrationen die dicht am Text sind und mit einem Blick weitere Informationen bieten. Nach der Lektüre die man so nebenbei in ein bis zwei Tagen erledigen kann, ist man bereit einen Wald zu pflanzen, legal oder illegal. Wer hat das geschrieben? Nun, das war ein ganzes Team. Gewöhnlich würde man sie unter einen Herausgeber zusammenfassen und fertig. Aber wenn eine Gruppe von Menschen eine so wunderbare Arbeit abliefert, dann will ich sie auch benennen: Philipp Bauer, Iris Becker, Jeremy Connor, Jonathan Dehn, Benjamin Fredrich, Alexander Fürniß, Julius Gabele, Patricia Haensel, Sebastian Haupt, Stefanie Kaiser, Veliko Kardziev, Juli Katz, Jan-Niklas Kniewel, Andrea Köster, Daniela Krenn, Tobias Müller, Eva Pasch, Cornelia Schimek, Stefanie Schuldt und Jasemin Uysal.

Verlegt im KATAPULT Verlag Greifswald ISBN 978-3-948923-18-1

Sonntag, 11. September 2022

Das rechte Geschwür ausbreitet sich aus

(Wanna) Das Netzwerk der neuen Rechten hat mich sofort fasziniert. Denn eine so rückständige Weltsicht, wie sie die Rechten weltweit vertreten, sollte eigentlich aussterben. Doch hier scheint ein Bild sich festgefressen zu haben, ein Bild von den stumpfsinnigen Rechten die zu blöd sind ein Loch in den Schnee zu pi****, sie wissen schon was ich meine. Die beiden Autoren, Christian Fuchs und Paul Middelhoff, haben das aktuelle Bild der Rechten neu und verständlich aufgezeichnet.

Im Untertitel heißt es: Wer sie sind, wer sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern. Genau, sie tun es. Und jeder der die letzten zehn Jahre auch nur leidlich aufmerksam die Nachrichten verfolgte, hat diesen Wandel in der Gesellschaft mitbekommen. Wir haben es nicht mehr mit eine Handvoll glatzköpfigen Randalierer zu tun, sondern mit einer bemerkenswert großen Schar Intellektueller, die zeitgemäße Strategien entwickeln und an eine noch größere Gefolgschaft weitervermitteln können. Sie bewegen sich im Rahmen der Gesetze. Auch wenn sie die zu verschiedenen Gelegenheiten sehr freizügig auslegen. Aber das machen die Politiker in allen Lagern ebenso. Die neuen Rechten sind gut organisiert, kennen sich mit dem Internet aus und sie agieren in einer denkbar guten Zeit um ihre Ideen an den Wähler zu bringen. Die beiden Autoren die für DIE ZEIT schreiben haben dies Buch sehr sachlich gehalten. Das ist gut so. Denn eine emotionale Überreaktion würde die Sicht vernebeln.

Durch die Aufgliederung in viele Kapitel bekommt man einen sehr guten Eindruck davon wie das Netzwerk aufgebaut ist. Am Ende eines Kapitels ist jeweils ein Organigramm gezeichnet um die Verbindungen und Beziehungen der einzelnen Personen und Organisationen miteinander zu zeigen. Dieses Netzwerk ist so weitreichend und feingliedrig, das es in alle Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens reicht. Sie sind über die AfD im Bundestag und können da auf vielfältige Art ihre Ansichten verbreiten. Sie sind auf der Straße bei Demonstrationen die sie quasi kapern für ihre eigenen Aussagen. Sie überfluten das Internet und schleichen sich in die sozialen Netzwerke um dort mit geschickter Manipulation die rechte Weltsicht zu vertreten. Und sie sind in der Wirtschaft mit kleinen und größeren Unternehmen, und in der Kultur; immer mit dem Ziel das rechte Denken als Teil des Alltags werden zu lassen.

Dieses Buch ist eine Bestandsaufnahme der rechten Szene wie sie heute funktioniert. Es gibt keine Sicht auf eine Zukunft, wie es in den nächsten drei oder fünf Jahren sein könnte. Es gibt auch keine Auskunft darüber wie sich andere Parteien verhalten, die evtl. den Humus für rechtes Denken vorbereiten. Und es sagt auch nichts über die große Zahl der Mitbürger aus, die eine starke Affinität für rechtes Denken entwickeln. Überhaupt gibt es keinen einzigen Satz in dem Buch wie man dieser Horrorflut primitivster Denkweise begegnen kann. Man bekommt ehr den Eindruck dass sich dieses rechte Myzel unaufhaltsam ausbreiten wird. Aber die Augen davor verschließen darf (sollte) (kann) man auch nicht.

Rowohlt Polaris - ISBN 978-3-499-63451-2

Sonntag, 4. September 2022

James Canton - Biografie einer Eiche

(Wanna) Puh, - ich fand es zu Anfang etwas mühselig ins Buch reinzukommen. Es erschien mir irgendwie zu belanglos. Und dann sind da die Wiederholungen: Der Weg zur Eiche, der Hase, einzelne Vögel die er immer wieder antrifft etc.. Das schien mir schon etwas schwerfällig. Doch wer bin ich schon? Bestimmt nicht der ultimative Urteilsfäller. Denn es gibt ja immerhin viele Bücherfreunde daheim in ihren Lesesesseln. Nun, immerhin ist der Dumont-Buchverlag keiner der irgendetwas herausbringt wenn er nicht einen Sinn darin sehen würde, und sei es nur der merkantile. Und dann handelt es sich hier ja auch um eine 800 Jahre alte Eiche. Das ist eine verdammt lange Zeit. Acht Jahrhunderte! Dass es auf der Welt überhaupt etwas gibt, was so viele Jahre Frühling für Frühling neue Blätter aus den Knospen treibt und sie im Herbst jeweils wieder abwirft. 800 Mal! James Canton beschreibt nicht einmal ein Dutzend Besuche an der Eiche. Dann bezieht er schon andere, wesentlich jüngere Bäume (200 bis 300 Jahre) in seine Betrachtungen ein. Er klettert hinauf, versteckt sich oben im Geäst, übernachtet darin und blickt über die umliegende Landschaft. Er ist nur ein vorübergehender Gast der sich lediglich einige Jahre mit den Eichen beschäftigt. Er lebt mit den Bäumen, er wird Teil von ihnen, bekommt ihren Rhythmus und übernimmt deren Wahrnehmung. Jedenfalls so wie Menschen denken wie Bäume wahrnehmen.
Und beiläufig erzählt er etwas über die Tiere, Insekten, Vögel, Schlangen etc. Die alle im Kosmos der Eichen ein Zuhause gefunden haben. Das ist eine erstaunliche Menge.  Viele von ihnen werden dort geboren, leben eine zeitlang in dieser Biosphäre um dann als Nahrung für andere Tiere zu sterben. Sie verlassen die Eiche nie. So langsam verstehe ich den Rhythmus des Buches. Zeit die man aushalten muss ist etwas was mit einer Eiche, einer alten Eiche, verbunden ist. Des Lesers Verortung in der Welt bekommt in Bezug mit so einem knorrigem Riesen eine ganz andere Wertigkeit. Das ist es auch was der Autor immer wieder bei dem Baum sucht. Analog seinen Platz im Gefüge seines Lebens.
Der deutsche Titel des Buches ist irreführend: Es geht nicht um die Biografie einer Eiche. Im Untertitel heißt es: Was alte Bäume uns lehren (wenn wir nur langsam genug zuhören) Es geht um Tagebuchnotizen und weitere interessante Nachforschungen. Im Original: The Oak Papers. Und genau das erfüllt das Buch voll und ganz. Wer schon das eine oder andere über Bäume, vor allem Eichen, gelesen hat, der wird auch an diesem Buch seine Freude finden. ISBN 978-3-8321-6661-8