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Samstag, 23. Februar 2019

Das Spiel des Lebens

(Hannover) Was auch immer geschieht, soviel ist sicher: wir werden sterben. Mit dieser simplen Wahrheit beschäftigen wir uns allerdings nur ungern oder erklären es sogar zum Tabuthema. Das Theater an der Glocksee hat sich dieses Thema vorgenommen und nun macht das Ensemble davon eine neue Stückentwicklung. Premiere von „Freund Hain - Das Spiel des Lebens“  ist am 29.03.2019 um 20:00.

Es liegt schon einiges an Recherche Material bereit welches Milena Fischer-Hartmann, die für Regie und Konzept verantwortlich ist, zusammengetragen hat. Doch nun haben die Proben von „Freund Hain“ begonnen. Und zu dieser Produktion lädt das Theater auch wieder zum besonderen Begleitprogramm ein, das VIP für Very Interested Persons, die an 3 Terminen einen intensiven Blick hinter die Kulissen werfen und eine aussergewöhnliche Gelegenheit bekommen einen Einblick zu nehmen in den Entstehungsprozess einer Stückentwicklung. Dieses Begleitprogramm ist heute eine seltene Form, wird hier doch etwas einen analogen Stellenwert eingeräumt wird, wo doch jeder zuerst ans Internet denkt wenn es um Informationen geht. Und es wird dem Theater das gegeben was eben nur im Theater geht: das unmittelbare Erlebnis von Mensch zu Mensch.

Zunächst stellten sie die Idee und die Recherchen vor die es schon gibt, dann konnten alle einen Blick auf das Modell der Raumgestaltung werfen, und anschließend nahmen alle Platz im Theaterraum der schon zum Teil eingerichtet ist. Man muss schon staunen wie wandlungsfähig dieses kleine Theater ist. Vor einigen Jahren, ich erinnere mich an „Hase Hase“, da wurde durch die Wand zum Foyer gespielt, bei „Raskolnikow humanity is overrate“ kamen Auftritte durch die Küche und beim „Dachsbau“ wurde auch draußen im Regen wacker gespielt. Der Raum, der schwarze Kubus, wird vom Ensemble nicht als echte Begrenzung verstanden. Die Grenzen werden auf kreativer Art und zweckmäßig zur jeweiligen Produktion ausgedehnt, überwunden oder angepasst.


In dem Theaterraum saßen wir nun also und waren nicht nur die interessierten Theatergänger, sondern auch Informanten fürs Ensemble. Wir wurden aufgefordert Feedback zu geben wie wir z.B. die Sitzsituation erleben in Bezug darauf, dass hier der Tod behandelt werden wird. Schnell und überraschend unbefangen entwickelte sich ein intensives und philosophisch anhebendes Gespräch. Offensichtlich brennt es vielen Menschen unter den Nägeln wenn es um den Tod geht. Dabei muss man sagen, es ging wegen des Themas nicht nur traurig oder bedrückt zu, nein, es wurden angeregt die unterschiedlichsten Beiträge gegeben, und es mangelte nicht an würdevollem Humor. Im Mittelpunkt stand dabei selbstverständlich auch das Leben an sich. Denn den Tod kann man eben nur ermessen wenn man das Leben dabei nicht vergisst. Nach der Groteske „Das Knurren der Milchstraße“ zeigt das Ensemble nun, dass sie als Professionelle Theatermacher eben auch respektvoll und mit angemessener Würde den ernsten Stoff des Todes bearbeiten können. Man kann noch an weiteren Terminen an diesem VIP Programm teilnehmen. Anmeldung ist ratsam: www.theater-an-der-glocksee.de

Montag, 18. Februar 2019

Gescheitert in einer kalten Welt

Frank Auerbach, Max Roenneberg, Elif Esmen © Manja Herrmann
(Bremerhaven) Das Stück Extremophil zeichnet sich vor allem durch extrem viel Worte aus. Aber die Schauspieler haben sich die Anerkennung verdient, dass sie diese Wortwalze bezwungen konnten. Vor drei Jahren wurde das Stück von Alexandra Badea in Paris uraufgeführt. Drei Menschen beschreiben ihre Funktionen im Leben an denen sie scheiterten. Unglücklicherweise sind die drei Biografien kongruent mit Situationen die wir aus den Nachrichten und diversen Filmen zur genüge kennen. Und sei es drum, auch wenn der Text literarisch perfekt durchkomponiert ist, auf der Bühne wirkt er steif und ermüdend. Ein Sujet das vor drei Jahren aktuellen Reiz hatte, könnte man heute schon als einen Griff in die Mottenkiste betrachten. Das liegt vor allem daran, dass wir gesellschaftlich und politisch auf der Stelle treten. Oder könnte man konstatieren: Die totale Überwachung und Kontrolle von Staat und Wirtschaftsunternehmen, deren Höhepunkt nicht mehr so fern schein, führt zu einer anhaltenden Bewegung rechtspopulistischer Gesinnung? Derartige Gedanken tauchen jedenfalls auf wenn man auf die Inszenierung schaut.

Es wäre schön gewesen wenn dem Regisseur etwas eingefallen wäre um dem Text ein wenig Leben einzuhauchen. Doch seine Wahl fiel wohl ehr auf eine streng literarische Lösung, als darauf der Schauspielkunst zu vertrauen. Die Tiefen des Textes hat er offensichtlich nicht ausgeschöpft. So hinkt die Bühnenshow dem geschriebenen Potential weit hinterher. Dennoch gelang es jedenfalls Frank Auerbach, vielleicht in Eigeninitiative, seiner Figur in einen lebendig nachvollziehbaren Charakter zu verwandeln. So wurde zumindest aus dem Sprechtheater auch ein wenig Theater. Die Bühne nach hinten mit drei silber-blitzenden Lamellenwänden vor grell weissen Lampen, davor vier schlichte Bänke, gebaut in einem übertrieben robusten Stil so wie man Autobahntoiletten kennt. Hier trifft man eine kalte Welt die Vandalismus erwartet und daher Massnahmen  dagegen ergriffen wurden. Der Rhythmus der Beleuchtung unterstreicht es noch einmal: Dort wo monologisiert wird geht eine Lampe an, natürlich ohne jeden Farbfilter. Man muss sich fragen: Wenn so eine kalte isolierte Welt von der Mehrheit anerkannt wird, oder zumindest geduldet wird, ist es dann nicht auch gut so? Also wogegen sollte man sich nach diesem Text schon groß aufregen? Aber vielleicht ist gerade das die entscheidende Frage.


Die nächste Vorstellung findet am 22.02.2019 um 19:30 statt. www.stadttheaterbremerhaven.de

Samstag, 16. Februar 2019

Zwischen Chaos und Ordnung

(Bremen) Der Raum zwischen einer bestehenden Ordnung zu einer nächsten wird mit dem Begriff Hiatus beschrieben. Unusual Symptons am Theater Bremen haben in der Choreografie von Helder Seabra diesen Ort, der gekennzeichnet ist von Stabilität und Zerfall, ausgelotet. Eine nicht gerade leicht verdauliche Kost die im politischen Gefüge dieser Zeit bestens angelegt ist.

Schon seit langem ist die politische Diskussion um die immer gleichen Probleme festgefahren. Die Argumente sind ausgelutscht, die Reformvorschläge abgedroschen und es gibt keine Sicht auf eine wirkliche Veränderung. Angenommen die Ordnung unserer Gesellschaft wäre am Ende ihrer Weisheit, dann könnte es sinnvoll sein die Perspektive zu wechseln. Taugt die Ordnung nichts, dann greift das Chaos. Sind wir in dieser Zeit vielleicht am Übergang von einem Zustand in einen anderen? Aus der Einführung zu diesem Tanzabend vom Dramaturg Gregor Runge kann man solche Gedanken ableiten. Und damit ist man geneigt Tanz, bei aller Ästhetik und Leichtigkeit oder Harmonie der Bewegung, als ein Medium qualitativ hochwertiger geistiger Reflektion anzusehen. Hier ist es nicht das scharfe Wort mit dem man rational und logisch eine Sache erforscht, sondern die visuelle und betroffen leidenschaftliche Erfahrung des Miterlebens um zu einem besseren Verständnis zu gelangen. So stellte ich mir die Frage, bei den vielen dynamischen Bildern die in vielfältiger Wiederholung gezeigt wurden, wie viel Chaos in der Ordnung sein kann und umgekehrt. Oder etwas konkreter benannt: Wenn wir eine Gesellschaftsordnung  haben, wie kann es dann sein das gleichzeitig so viel Chaos herrscht. Bei einem Rechtsanwalt hatte ich einmal eine Bücherwand gesehen mit den Loseblattordnern von Gesetzestexten. Meterlange Regale auf Dünndruckpapier; wer zum Henker soll wissen was da drin steht und wie man sich danach verhalten soll. Also ein überwältigendes Chaos in der besten Ordnung?

Gerade in den vielen Wiederholungen der aufwendig choreografierten Abläufe ist eine weitere Stärke zu finden. Sehe ich etwas einmal, kann ich rational verstehen. Sehe ich etwas mehrfach erkenne ich ein Muster, also einen komplexeren Zusammenhang. Sehe ich es dann noch und noch und noch Mal, entsteht eine Beziehung zwischen dem was ich sehe und Situationen aus meinem Erleben. Ich werde hineingezogen. Sind die Wiederholungen in vielen Variationen, dann entsteht eine Beklemmung die den Tretmühlen gleichen Ablauf vieler Tage zeigt. Sicherheit durch Vorhersehbarkeit wird zur eingeschränkten Welt, ja, es wird sogar alles ausgeschlossen was eine Erlösung bringen könnte. Ist das die Angst vor dem Chaos oder die Angst vor der Freiheit? Zeiten des Übergangs sind immer sehr kreative Zeiten. Aus der Biologie wissen wir, dass gerade die Übergangsbereiche von z.B. Wald zu Feld die größte Artenvielfalt bietet. Oder: Die Migration wird als ein bedrohliches Phänomen beklagt, bekämpft verwaltet, aber die Wirtschaft sucht händeringend nach Fachkräften die nur durch Migration zu finden sind.

In dieser Zeit des Übergangs stellt sich auch die Frage ob im Chaos ein Aufbruch zu finden ist, das ringen mit einer, oder um eine, Initialzündung hin zu einer neuen Ordnung, einer dynamischen vielleicht. Oder ist Dynamik, die stete Veränderung eine Ordnung an sich? Diese Fragen bleiben offen. Sie sind aber durch das Tanz Ensemble: Gabrio Gabrielli, Michai Geyzen, Nora Horvath, Alexandra Llorens, Ulrike Reinbott, Diego de la Rosa, AndorRusu und Young-Won Song auf beeindruckende Weise dargestellt worden. Die Kraft der bewegten und bewegenden Bilder allein durch beseelten menschlichen Körper zeigt wie vielschichtig wir alle sind, unabhängig unserer Kultur, Religion oder Herkunft.


Das nächste Mal ist dieser fantastische Tanzabend am Sonntag den 3. März um 18:30 zu sehen. Ich möchte noch erwähnen dass es eine interessante Einstimmung unter dem Titel Physical Prologue auf der Probebühne gab. Das ist ein schöner ruhiger Übergang von dem was immer man den ganzen Tag tat hin zu einer künstlerischen Teilnahme. www.theaterbremen.de

Donnerstag, 14. Februar 2019

Bremer Erklärung der Vielen

Kunst und Kultur schaffen einen Raum zur Veränderung der Welt

Als Aktive in der Kulturlandschaft haben wir eine aus der Geschichte Deutschlands erwachsene Verantwortung, da von unserem Land die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil, unter ihnen auch viele Künstler*innen. Kunst wurde als „entartet“ diffamiert und Kultur flächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Als Kulturschaffende in Deutschland tragen wir deshalb eine besondere Verantwortung und wollen diese wahrnehmen.

Heute begreifen wir die Kunst- und Kultureinrichtungen als offene Räume, die Vielen gehören. Unsere Gesellschaft ist plural. Viele unterschiedliche Interessen treffen aufeinander und finden sich oft im Dazwischen. Das Zusammenleben in einer Demokratie muss täglich neu gestaltet werden - aber immer unter einer Voraussetzung: Es geht um Alle, um jede*n Einzelne*n als Wesen der vielen Möglichkeiten!

Der rechte Populismus, der die Kultureinrichtungen als Akteur*innen dieser gesellschaftlichen Vision angreift, steht der Kunst der Vielen feindselig gegenüber. Rechte und nationalistische Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne und Programme eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kultur.

Am Beispiel ihres verächtlichen Umgangs mit Menschen auf der Flucht, mit engagierten Kulturschaffenden, mit Menschen diverser Herkunft, diverser Kulturen, Lebensentwürfen oder Religionen und mit Andersdenkenden wird deutlich, wie sie mit der Gesellschaft beabsichtigen umzugehen, sobald sich die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten verändern.

Wir, die Unterzeichnenden, begegnen diesen Versuchen mit einer klaren Haltung.

Wir, die Unterzeichnenden, verstehen das Land Bremen als offen, bunt, vielfältig und liberal. Diese tolerante Vielstimmigkeit zu erhalten und für sie entschieden zu kämpfen, wo es notwendig ist, dazu verpflichten sich die Kunst- und Kultureinrichtungen und die Interessenvertretungen der freien Kunst- und Kulturschaffenden dieser Stadt und dieses Landes.

- Wir, die Unterzeichnenden, führen die offene und kritische Auseinandersetzung über rechtspolitische und jede andere Form von populistischen Strategien, die demokratische Grundwerte untergraben. Aus der Überzeugung heraus, dass wir den Auftrag haben, unsere Gesellschaft als eine demokratische fortzuentwickeln und zu verteidigen gestalten wir diesen Dialog gemeinsam mit den Akteur*innen der Kunst- und Kulturszene und der Öffentlichkeit.

- Wir, die Unterzeichnenden, fördern Debatten, bieten aber kein Forum für rechtsnationale und andere Propaganda.


- Wir, die Unterzeichnenden, wehren die Versuche der Rechtspopulisten und anderer Populisten ab, Kultur für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

-Wir, die Unterzeichnenden, solidarisieren uns mit Menschen, die durch extremistische Ideologien ausgegrenzt und bedroht werden und wenden uns gegen jede Form der Diskriminierung.

- Rassismus begegnet uns täglich. Wir setzen uns deswegen mit den eigenen Strukturen auseinander und stellen sie zur Diskussion. Wir müssen die Kunst- und Kulturräume, sowie unsere Gesellschaft öffnen, damit  wir wirklich Viele werden!


Solidarität statt Diskriminierung. 
Es geht um Alles. 
Die Kunst bleibt frei!

Freitag, 8. Februar 2019

Theater nah am Publikum

(Hannover) Wer glaubt Theater, das analoge Erlebnis in einer virtuellen Zeit, sei tod, der mag sich vielleicht vom Geruch einiger verstaubter Musentempel irritieren lassen. Doch es ist durchaus schon zum angesagten Treffpunkt avanciert. Zumindest in den freien Theater die ich von Zeit zu Zeit besuche. Kürzlich war ich beim ersten „Salon“ im Theater an der Glocksee. Das kleine, ja schon fast beengende Foyer war am vergangenen Dienstag bis zum bersten gefüllt. Kaum zu glauben das noch ein Pianist und Saxophonist Platz fanden um auf Wunsch eine musikalsche Einlage nach der anderen zu spielen.

Nach kurzer Ansage das dieses Publikumsformat ein neuer kultureller Treffpunkt an ausgesuchten Dienstagen stattfindet war die Klubsituation schon eröffnet. Doch neben den Musikern und den spontanen Gesprächen, bei denen schnell klar wurde dass viele zum ersten Mal in dem Theater waren, wurde an verschiedenen Stellen noch eine Menge Infos über die kommenden drei Produktionen präsentiert. Nicht jede Information kann man im Netz finden. Vieles kann man eben nur erleben wenn man sich auf macht um persönlich da zu sein. Salon, der neue Ort in dem die Kultur des Austauschens, eine „Nah-Bar“ für Gespräche, Aktionen, Kunst und Politik, für Lesungsabende, Clubmomente, Experimente, aktuelle Diskurse und Treffen zwischen Künstlern und Publikum, auf Augenhöhe Platz findet, wurde mit großer Begeisterung gefeiert. Man darf gespannt sein wie dieses neue Format des Theatererlebens ausgebaut wird.


Die Termine findet am auf der Webseite.