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Donnerstag, 14. Februar 2013

Experiment Körpertheater


Ramona Suresh - Beziehungswaise
(Bremerhaven) In einer Stadt wie Bremerhaven, die sich nicht gerade sonderlich durch Innovation im Theater heraus stellt, kann man durchaus von einem mutigen Unterfangen reden, bei dem Körpertheater „Beziehungsweise“ das derzeit im JUP gezeigt wird. Die Bezeichnung Körpertheater bewegt sich zwischen Tanz im weitesten Sinne und Mimik andererseits, Sprache wird gewöhnlich sparsam eingesetzt zu Gunsten der gestischen Kommunikationsformen. Das Publikum applaudierte brav und anerkennend.
Natürlich lebt das Theater von Experimenten, vom Aufbruch in neue Felder des Erzählens. Und da man nicht einschätzen kann wie die Arbeit aufgenommen wird, sind die Theaterschaffenden naturgemäß sehr nervös. Lisa Weiss ist Theaterpädagogin, eben keine erfahrene Regisseurin, die sich dennoch der Aufgabe stellte den Roman „Ostersonntag“ von Harriet Köhler in einzelnen Motiven auf die Bühne zu bringen. Die Bühne ist durch eine geneigte Fläche in drei Ebene geteilt. Oben ist eine Mikroanlage um kurze Samples zu erzeugen. Unten wird ein Etagenbett im Verlauf des Stücks aufgebaut. Weiss kam es darauf an möglichst viel mit dem Körper auszudrücken, etwas zu vermitteln ohne die Sprache zu bemühen. Dafür ist es dann leider doch sehr Text lastig geworden.  Wenn man der Geschichte auch nur mühsam folgen kann so gibt es immer wieder schöne Momente in denen die Schauspielerin Ramona Suresh mit einer bestechend klar-poetischen Mimik erzählt. Sie steht allein auf der Bühne und spricht darüber wie sich ihr Vater beim Osteressen in die Hose pinkelt. Suresh spielt so eindrucksvoll das man quasi mit am Tisch sitzt und die Peinlichkeit am eigenen Leibe spürt. Diese Momente sind ganz großes Theater. Auch wenn es nur wenige Momente sind die so hervor stechen, macht es Spass dabei zu sein.
Die Hochachtung vor dem Experiment ist ungeschmälert trotz der nun folgenden kritischen Betrachtung. Denn was wäre ein Experiment wenn es unbeachtet bliebe. Ich beschränke mich auf drei Punkte die für jeden zukünftigen Zuschauer interessant sein dürften. Es wird im Verlauf des Stücks ein Etagenbett aufgebaut. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Wie es allerdings aufgebaut wird ist nicht gelungen. Theater wird sinnlos wenn nicht mehr erzählt wird als uns das Leben in Echtzeit bietet. Selbst „Warten auf Godot“ ist mit vier Stunden-Inszenierungen schon extrem zeitlich verdichtet. Wenn sich die Probleme des Aufbauens im Verhältnis 1 zu 1 dann auch noch wiederholen sackt das Interesse verständlich ab. Das wäre Angesichts der Schauspielerin nicht nötig gewesen. Zweitens: Es mag ja gerade im Trend liegen im Theater möglichst keine Geschichten zu erzählen, sondern Brocken und Fragmente vorzustellen, aber dennoch will der Zuschauer wissen um was es geht. Leider liegen die zu vielen und undeutlichen Textfragmente wie ein wirrer Puzzelteilehaufen auf der Bühne. Man muss sich die Geschichte selber zusammenbauen und hoffen das es so stimmt. Das limitiert die Aufmerksamkeit und das Interesse für andere Momente, bezaubernde noch dazu. Und letztendlich ist neben der Mimik von Ramona Suresh die Kommunikation durch Körper zu vage gehalten, sie nimmt einen zu geringen Raum ein und ihr fehlt der Biss poetischer Klarheit. Dem Experiment wäre eine tiefere Kenntnis von Kommunikationsformen sicher besser bekommen und so weniger Pädagogik. Aber Lisa Weiss hatte den Mut, und vielleicht können wir ihre Erkenntnisse aus diesem Versuch in einer weiteren Inszenierung sehen.
„Beziehungswaise“ für Menschen ab 16 bis 160, gibt es noch am 21. März und im Mai jeweils um 19:30

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