Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Samstag, 27. Juli 2019

Wie entsteht Herkunft und Identität?

TachoTinta & Gast
(Oldenburg) Am Ende der Präsentation vom makingoff#41 des flausen+ Forschungsprojektes am Theater Wrede+ fragt Silvia Ehnis Perez Duarte wie sich die Anwesenden identifizieren. Gemeint war da nicht der Ausweis, Reisepass oder Führerschein. Sie fragte nach unserer Identität. Eine nachdenklich kollektive Stille breitete sich aus. Ein Moment den die vier Tänzer an diesem Abend mehrfach erreichten. Ihre Arbeit geht unter die Haut, trifft im Herzen und breitet sich von dort in respektvoller Weise aus. Das ist Poetik die große Fragen stellt - ohne Anklage oder Vorverurteilung. Die Fragen, auf die derzeit keiner eine befriedigende Antwort geben kann.

Why are two asians and one latin sitting and the floor? - ist der Arbeitstitel unter dem die Gruppe TachoTinta vier Wochen in Oldenburg theatrale, kreative Forschung betrieb. Neben der oben erwähnten Mexikanerin gehören noch die beiden Koreanerinnen Mijin Kim und Seulki Hwang sowie als Gast der Türke Enis Turan dazu. Vier diplomierte Tänzer die neue Wege in der Kunst suchen. Das Projekt flausen+ wurde initiiert vom Theater Wrede in Oldenburg. Förderungen für Innovationen gibt es in vielen Bereichen. Flausen+ ist das einzige Programm dass für Theater zugeschnitten ist. Hier können die Gruppen künstlerische Risiken eingehen ohne einem Erfolgsdruck ausgesetzt zu sein. Wer sich auf Entdeckungsreise macht, der darf auch scheitern können dürfen. Doch ist es nicht oft gerade diese Freiheit die den Erfolg herbei zieht? Enis Turan der als freelancer Tanz-Projekte produziert sagte, er würde gefühlte 80% mit Organisation verbringen und den Rest kreativ auf der Bühne. Diese Einschätzung kann ich nur bestätigen und habe ähnliches auch schon von vielen anderen Kollegen gehört. In diesem Jahr standen 180 Anträge 5 flausen+ Stipendien gegenüber. Deutlicher kann ein Fördervakuum kaum illustriert werden.

Junge Künstler forschen. Wie muss man sich das vorstellen? Bei diesen vier Wochen flausen+young artists in residence steht die Frage wie sie als die Gruppierung die sie sind wahrgenommen werden. Wie entsteht der erste Eindruck? Ist er biographisch? Welches Erscheinungsbild entsteht, und wie entwickelt sich daraus eine Identität? Ein wesentlicher Punkt ist die Herkunft und wie sie in diesem Land aufgenommen werden. Dann erstellen sie sich einen Tagesplan nach dem sie sich zeitlich genau richten. Das gibt eine äussere Form und hilft den Fokus auf die Frage zu halten.  Sie führen täglich ein Logbuch um so mit den Mentoren des Projektes Kontakt zu halten. Das Logbuch ist übrigens im Netz einzusehen. Eine spannende Lektüre darüber wie dieser Prozess verlief. Einmal pro Woche gibt es mit den Mentoren eine Reflektionsrunde. Und dann am Ende steht das Making Off, eine Präsentation dessen was sie in den vier Wochen gefunden haben, bzw. zumindest einen Einblick in die Arbeit, denn es ist ein vielfaches mehr entstanden.


Die making off’s die ich bisher gesehen habe, es waren schon einige, sind alle auf ganz unterschiedliche Weise abgelaufen. Bei diesem ging es vor allem darum ein Feedback aus dem Publikum zu bekommen. Also stellten sich die Akteure gegenseitig vor. Wobei die Vorstellung aus der Wahrnehmung der Person gestaltet wurde die erzählt. Darauf folgte eine erste tänzerische Einheit mit anschließender Gesprächsrunde. Interessant war nun zu beobachten wie die Kommentare aus dem Zuschauerkreis gestaltet wurden. Durch deren Aussagen entstand eine Identität, in dem das auf der Bühne gezeigte identifiziert wurde. Doch war es das auch wirklich? Hat Identifizierung also auch etwas mit erkennen, Aufmerksamkeit und eigener Bewertung zu tun? Jedenfalls war es eine rege Gesprächsrunde die zu Gunsten weiterer Vorstellungsmomente in Grenzen gehalten werden musste. Bemerkenswert ist die hohe Professionalität mit der die vier Tänzer arbeiteten. Es lag eine Spannung von respektvoller und mutiger Risikobereitschaft im Raum, eine wichtige Voraussetzung um Grenzen zu überschreiten. Aus dieser Forschungsarbeit ist geplant eine konkrete Inszenierung zu machen. Dann darf man wirklich gespannt sein.  Link

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen