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Montag, 13. November 2017

Erste Premiere der BallettCompagnie Oldenburg

© by Stephan Walzl: Marié Shimada, Ensemble
(Oldenburg) Schon der Titel „Drei Generationen“ verwies mit vier Choreografien auf ein breit gefächertes und Zeit überspannendes Programm. Stilistisch gesehen könnte man sagen, wurde hier der Stab vom Meister auf den Schüler weiter gegeben, wodurch ein verbindendes Ausdrucksrepertoire entstand. Die vier einzelnen Stücke erforderten mehrere Unterbrechungen, denn es wurden Kostüme gewechselt, die Beleuchtung anders eingerichtet und auf der Bühne wurden Wandlungen vorgenommen. Das Publikum im kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters schien wegen dieser Pausen überrascht, diese kleinen Unterbrechungen waren aber unvermeidlich.

Die erste Choreografie „From the Lighthouse“ von Lester René Gonzales Álvarez wird im Programmheft als eine Arbeit über Angst angekündigt. In der ca. 20 Minuten dauernden Uraufführung, die mit interessanten Momenten sehenswerte Bilder zeigte, schien allerdings die Angst nur eine geringe Rolle zu spielen. Die Kostüme erinnerten an einen Hauch von Gothik; wäre da vielleicht noch etwas schwarzer Lippenstift gewesen. Der angekündigte Ausdruck versteckte sich hinter einer konzeptuellen, erdrückenden Ästhetik. Die eigens für diese Arbeit komponierte Musik von Johann Pätzold eröffnete mehr Möglichkeit um das Wesen der Angst sichtbar zu machen.

Dann fragte Antoine Jully durch die Tänzer Eleonora Fabrizi und Timothée Cuny in einer Begegnung zwischen Mann und Frau „Is this it?“ Leere Bühne und ein einsamer Stuhl. In einer kryptisch verschlüsselten Bildsprache stellen sich beide verschiedenen Situationen die einen intellektuellen Anstoss zum Zusammenwirken von Mann und Frau geben. Die Musik, und das ist ein bemerkenswertes Highlight, kommt von Asaf Avidan. Der israelische Musiker, Autodidakt, verfügt über eine Stimme die direkt ins Herz seiner Hörer geht. Obwohl man sich gewünscht hätte, er würde live dabei sein, muss ich doch gestehen, dass durch den eingespielten Ton die Einsamkeit um die beiden Figuren auf der Bühne noch eindringlicher wirkte.

„Tensile Involvement“ ist eine Arbeit von Alwin Nikolais, einem amerikanischen Choreografen, aus dem Jahre 1953. Dies kleine Zwischenspiel von nur wenigen Minuten war der erfrischende Gegenpol zu dem ansonsten ehr düsteren, nachdenklich stimmenden Abend. Farbenfroh und voller Überraschungen konnte man hier einen Eindruck davon bekommen was in den 50ern als digitale Zukunft verstanden wurde. Wer den Film Logans Run kennt wird sich erinnert fühlen an eine Vision der Zukunft in der hirnlose Geschöpfe in einer aufgesetzten Fröhlichkeit unbeschwert und zu allem ‚Ja‘ sagend durchs Leben gehen. Heute, 64 Jahre später, sehen wir in der luftig leichten Arbeit von Nikolais wie treffend und vorausschauend er doch war.

Der Abend schloss mit „Harmonic Language“, eine weitere Uraufführung von Antoine Jully, nach der Musik von Béla Bartók, Streichquartett Nr. 4. In dieser Arbeit beschäftigte sich Jully mit der Beziehung zwischen Musik und Tanz. Die Tänzer sind in uniformen weißen Overalls gekleidet, um eine Tanzsprache zu erfinden mit der Jully „die Musik so genau wie möglich mit dem Körper einfangen möchte“.


Abgesehen von den kleinen Zwischenspiel des Totalen Theaters Alwin Nikolais‘ war es ein recht dunkler und intellektuell geprägter Abend. Die Körpersprache wurde in ein ehr enges Korsett tänzerischer Freiheit gedrängt. Das kann man sicher als eine stilistische Herausforderung betrachten, machte es aber für viele Zuschauer zu einem schon fast überstrapazierten par force Ritt. Dies war nicht der Abend an dem man zurückgelehnt schöne Ästhetik vorgeführt bekam. Vielmehr war es fordernd und forschend, und böse Zungen würden sogar sagen, man habe sich mit diesem Anspruch etwas verhoben. Während die Oldenburger Fangemeinde sich jedoch zu einem frenetischen Applaus hochschaukelte verstummte der Beifall beim anderen Teil des Publikums in fragend zu Boden gerichteten Gesichtern.

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