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Donnerstag, 13. September 2012

Fleischproduktion im Edith-Russ-Haus


Videostill Hörner/Antlfinger
In Zellophan eingeschweißt auf einer Styroporschale finden wir Fleischlappen mit und ohne Knochen. Kein Fell, keine Augen, kein Atem, kein Mist, kein Futter, kein Muh und Mäh, weder ein Kikiräki oder ein stilles Gemümmel gibt auch nur den Hauch einer Vorstellung von welchem Tier das Fleisch stammt. Auch unser Sprachgebrauch gibt keine Auskunft über die Zucht von Tieren, deren Leben - ein Kurzes - das am Schlachttag erlischt. Denn Fleisch wächst nicht, es wird produziert, so wie man Rasierklingen oder Waschpulver herstellt, jedenfalls sprachlich. Der Werdegang vom Futtermais bis zum Sonntagsbraten ist für den Konsumenten so transparent wie ein schwarzes Loch. Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg hat an dem Künstler-Dou Ute Hörner und Mathias Antlfinger ein Arbeitsstipendium für deren Projekt factory/farm (2011/12) vergeben. Morgen am Freitag ist die Eröffnung der Ausstellung.

Das Künstler-Dou beschäftigt sich mit dem Einfluss den Imaginationen auf die reale Welt haben. Sie kombinieren alte Techniken des Bewusstseins mit neuen Technologien, sie verbinden persönliche Visionen mit deren kollektiven Gegenstück. Seit den 1990er Jahren erörtern sie politisch brisante Themen und eröffnen kritische Perspektiven auf die Technisierung unserer Lebenswelt. Ihr gesamtes Werk zeigt sich sehr kommunikativ in Formaten wie 3-D-Animationen, (virtuellen) Dialogen, Puppenspiel-Adaptionen, Soundskulpturen und Videoarbeiten.

Discrete farms - Irgendwo muss das Fleisch doch herkommen, ein über mehrere Jahre angelegtes Projekt, ist in fünf Bereiche geteilt. Das Stipendiumsprojekt factory/farm zieht die niedersächsische Tierindustrie als lokales Beispiel für das Verhältnis zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren im Computerzeitalter heran. In ihren Recherchen spürten Hörner und Antlfinger medialen Erscheinungen und dem Phänomen der Intransparenz dieser Nahrungsmittelindustrie nach. Von der gemütlichen Eckbank Bauer Kybers Ops Room schaut man sich die grafisch anspruchsvolle Simulation einer 50.000-Hähnchen Mastanlage an. In direkter Nähe steht Kramfors. Aus einer systematisch zerlegten Leder-Couch fertigten sie die Haut eines naturalistisch modellierten Kalbs.

In ihrer aktuellen Videoarbeit treten zwei Hasenpuppen als Alter Ego des Künstlerpaars in einen Dialog über alternative Modelle zum Fleischkonsum. Hörner/Antlfinger bedienen sich dieser Kommunikationsform immer wieder in ihrem Werk. Es ist ihre künstlerische Methode mit der sie Konzepte planen und umsetzen, und mit der sie ihren Gedanken zur Entfaltung verhelfen. Statt Schockbilder entwickeln die beiden absurde Bilder und Installationen, surreale Gegenüberstellungen von Ideen des idyllischen Bauernhofs und der realen Massentierhaltung.

Dream Water Wonderland (2010), Grundlage ist der Schnelle Brüter - das AKW in Kalkar welches heute als Freizeitpark genutzt wird, nimmt die dissonante Kulisse für ein Installations-Ensemble. Diese wird von einer Erzählung begleitet in der energiebedürftige Vogelwesen die absonderliche Synthese aus technischer und biologischer Welt verkörpern. Contact Call (2008) macht in einer zweiteiligen Rauminstallation vergleichbare Überschreitungen technologischer/natürlicher Sphären hörbar. Aus Handyklingeltönen entsteht in dieser Sound- und Klangskulptur ein Wettbewerb der Lockrufe unserer Zeit.

Discrete farms - Irgendwo muss das Fleisch doch herkommen eröffent morgen am 14. 09.2012 im Edith-Russ-Haus für Medienkunst in der Katharinenstraße 23, 26121 Oldenburg. Öffnungszeiten Di.-Fr. 14:00 bis 18:00 und Sa. + So. 11:00 bis 18:00.  www.edith-russ-haus-de 

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