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(Hannover) In einer wahnsinnigen Welt ist der Wahnsinn normal. Dann ist es sinnlos über Werte zu sprechen die wir heute noch verteidigen oder verabscheuen. Eine ernsthaft geführte Diskussion ist dann überflüssig. Landauf landab sieht man in den Theatern, staatliche oder freie, die Auseinandersetzung mit den Problemen dieser Zeit. Wiederkäuend werden die Argumente herauf gewürgt, leidenschaftlich in die Mikrofone gepredigt um genügend Volk für die eigene Sache zu gewinnen. Terror, Flüchtlinge, Kapitalismus und völlig durchgeknallte Staatsoberhäupter. Immer der selbe Reigen und kein Schritt Bewegung oder Veränderung in Sicht. Man möchte Mal den Pausenknopf drücken - durchatmen - abschalten. Das haben die Akteure vom Theater an der Glocksee in Hannover erkannt und ein Stück auf die Bühne gebracht das uns allen einen Moment der Besinnung verschafft. Den ganzen Affenzirkus einmal aus der Sesselposition zu betrachten um der irrsinnigen Weltpolitikshow die Maske herunter gleiten zu lassen. Und dann kommt (vielleicht) eine neue Bewertung der Lage zum Vorschein, die Groteske, die Form die es gerade noch schafft eine angemessene Beschreibung von Realität zu geben. Mit dem Preisgekrönten Drama von Bonn Park „Das Knurren der Milchstraße“ wird einmal wirklich alles durchgeschüttelt was uns mit hypnotisierenden Mantras Tag für Tag eingebläut wird. Es wird Zeit den Rapport einmal abzubrechen. Doch die Kakophonie der Argumente treibt uns zu einer nüchternen Betrachtung: die der grotesken Darstellung.
Das Ensemble an der Glocksee ist ja schon bekannt dafür Themen anzupacken die man als heiße Eisen bezeichnen kann. Aber diesmal legen sie noch einen Zahn drauf. „Das Knurren der Milchstrasse“ ist ein Rundumschlag bei dem jeder auf die eine oder andere Art betroffen wird. Die eingangs erwähnten Themen unserer Zeit kommen auf sehr aussergewöhnliche Art und Weise in den Fokus. Es ist nicht nur die genial übertriebene Überhöhung, die es dem Zuschauer ermöglicht eine neue Position zu Bekanntem einzunehmen. Es ist vielmehr die sprühende Spiellust die den Theaterraum zum platzen bringen will. Und man kann sagen das Publikum wird mal gehörig durchgeschüttelt. Da sind die einen die sich kein Grinsen verkneifen können und andere die von Minute zu Minute versuchen sich zu distanzieren. Aber alle sind voll involviert, das ist Theater-Erlebnis pur. Welch eine Erholung, sich für eine Blasenlänge der Sachlichkeit zu entledigen, um tief durchzuatmen. Es ist sehr hilfreich wenn man seine Vorbehalte und eingefleischten Ansichten beiseite lässt und sich dem virtuosen Treiben in aberwitzigen Kostümen hingibt. Es ist als würde ein unparteiischer Beobachter aus dem Weltraum auf die Erde blicken und aus dem staunen nicht mehr heraus kommen. Und kurz bevor so ein Beobachter dem Wahnsinn verfällt, kann er ein befreienden Schrei zu uns herunter senden: „Kommt mal klar!“ Ein Weckruf der nicht anklagt, ein Schock der nicht lähmt, eine Besinnung ohne Scham, ein Tabubruch ohne Strafe; all das ist zu spüren wenn die Milchstraße knurrt.
Dargestellt wird „Das Knurren der Milchstraße“ von Bonn Park auf der Bühne von Andrea Casabianchi, Johannes Fast, Astrid Köhler und Lena Kußmann, Regie führte Jonas Vietzke, das krasse Bühnenbild ist von Britta Bremer und die schrägen Kostüme von Juliane Brösemann. weitere Vorstellungen sind im Januar 2019 am 11., 12., 16., 18., 9., 23., 25. und 26. jeweils um 20:00 Kartentelefon: 0511-161 3936 oder www.theaterglocksee.de
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