Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Freitag, 21. November 2014

Kopierte Gemälde und halbfertige Möbel

Jochen Plogsties und Heimo Zobernig im alten Goseriede Bad. 


Die  Kestnergesellschaft stellt zwei Künstler mit beachtenswerten Positionen aus: Skulpturen und Malerei von Heimo Zobernig, und Jochen Plogsties´ Malerei. Bei beiden Künstlern empfiehlt es sich die Hintergründe ihrer Arbeiten aufmerksam zu erkunden. Beide Ausstellungen sind von 21. November  2014 bis 15. Februar 2015 geöffnet.

Jochen Plogsties - Souvenier du Maroc
Mit dem Titel „Küsse am Nachmittag“ werden Gemälde von Jochen Plogsties gezeigt. Es handelt sich um Kopien. Der „Kopierbegriff ist in den letzten Jahren in Verruf gekommen“ sagt Plogsties. Aber es wurden schon immer Bilder kopiert um die Werke zu untersuchen und zu studieren. Seine Bilder sind von sehr unterschiedlichem Format.  Die Bildvorlagen stammen aus Bildbänden und Zeitungen, er findet sie auf Postkarten oder im Internet.  Alle seine Bilder sind Reproduktionen, und somit keine Fälschungen. Schon allein der Größenunterschied zum vermeintlichen Original ist extrem. Um die Herkunft zu dokumentieren sind neben den Motiven weisse bzw. farbige Flächen wie z.B. Bildumrahmungen bei einer Buchseite. Die Bildvorlagen sind auch nicht zwangsläufig die Originalen Werke, wie
Jochen Plogsties - Gewandstudie
beispielsweise bei der Mona Lisa, welches im Original viel größer ist. Da er die Bildstruktur im Verhältnis auf das neue Bildformat überträgt, könnte man glauben das jeweilige Original zu sehen. Aber es handelt sich um Reproduktionen bei denen sich Plogsties mit der Struktur des Bildaufbaus beschäftigt hat. Die Größe, die Farbgebung und den Maluntergrund ändert er. Als Maler interessiert ihn vor allem was er mit der Farbgebung schaffen kann. Die ursprüngliche Entscheidung Da Vincis bei der Mona Lisa kann er eh nicht nachvollziehen, und das ist auch nicht sein Anspruch. Im Gegensatz zur mechanisch produzierten Kopie leistet er einen subjektiv geprägten Prozess von Aneignung, Adaption und Abstraktion, der in seinen Bildern mal subtil, mal offenkundig entsteht. Plogsties thematisiert mit diesen Arbeiten das Originalitätsdogma und die damit verknüpfte Frage nach Autorschaft, Stil und Authentizität. Ausserdem reflektiert seine Arbeitsweise die neuen Möglichkeiten der Produktion, Rezeption und Distribution von Kunstwerken.

Heimo Zobernig


In der oberen Etage kommt man in ein - was? Ein Gebrauchtmöbellager? In drei Reihen sind die Skulpturen aufgestellt. Beim schwarzen Tisch beginnend kann man die Entstehungsgeschichte der einzelnen Arbeiten folgen. Skulpturen? Eine Skulptur z.B. ist ein aus drei Presspanplatten rechtwinklig zusammengeschraubtes - Ding, teilweise mit weisser Binderfarbe angestrichen. Zobernig will keine schönen Arbeiten. Doch um nicht schön zu machen muss man nicht hässlich herstellen. Es reicht die sentimentalen Schnörkel wegzulassen, es genügt die Fantasie ohne Nahrung zurückzulassen, oder einfach sachlich zu sein. Und darin ist er ein Meister. 


Heimo Zobernig - Skulpturen Kestnergesellschaft
Seit dem letzten Jahrhundert hat es sich in der Kunst geändert, dass nicht allein der Künstler bestimmt was Kunst ist, sondern der Betrachter tut es gleichfalls. Es trifft nicht länger Subjekt auf Objekt, sondern Subjekt trifft auf Subjekt. Der Rezipient ist durch sein Schauen auf Augenhöhe. Es entsteht, die vielleicht edelste künstlerische Tugend, die der Konfrontation, und im günstigsten Fall der Konfrontation mit sich selbst, dem Subjekt hier wie da. Die Skulpturen haben nichts belehrendes, sind vielmehr geistvoll gestaltete Objekte die eine klare Form ergeben. Da ist z.B. der Infotresen der als Teil einer Raumgestaltung auf der dokumenta X stand. Wenn man ihn genau betrachtet kann man zu dem Schluss kommen, dass die Nutzung diese Skulptur zur Weitergabe von Informationen dient. Es ist ein Gegenstand, der erst durch das zutun des Betrachters einen Nutzwert bekommt. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, ob die Skulptur in dieser Austellung gezeigt wird, oder für eine entsprechende Nutzung auf der dokumenta X bereitgestellt wurde. Man muss ein bisschen tiefer in seiner eigenen Gedankenwelt graben, und sich von evtl. Vorurteilen, oder gar zu schnellen Schlüssen, verabschieden, um den zart verschmitzen Humor Zobernigs zu genießen.

Die Arbeiten zeichnen sich einmal durch die reduzierte Schlichheit und zum anderen durch die subtile Verschiebung der Wertigkeit aus. Die Abwesenheit von gängigen Schönheitsvorstellungen bekommt Ästhetik einer respektvoll, würdigen Fügung von Bauteilen. Man fühlt sich eingeladen an dem Entstehungsprozess teilzuhaben. Man ist auch aufgefordert hellwach und mit klarem Geist zu schauen, um die gebotene Konfrontation anzunehmen. 

Heimo Zobernig - ohne Titel 2014 Acryl auf Leinwand
Parallel zu seinen Skulpturen untersucht Zobernig in seinen meist quadratischen Gemälden Grundfiguren abstrakter Malerei: die Monochromie, das Raster und das Gestische. Während das Raster als rationales Schema immer schon im Zentrum von Zobernigs Interesse stand, taucht erst seit kurzem ein gestisches Vokabular in seinen Bildern auf. Er kombiniert Raster mit komplexen Anordnungen aus freien Linien, amorphen Strukturen und scheinbar unkontrollierten Farbverwischungen. Was auf den ersten Blick als Zeugnis spontaner Handlungen erscheinen mag, entsteht in einem kontrollierten Prozess, bei dem die Komposition bereits am Anfang feststeht. Kontrastierende Farbschichten und unterschiedliche Produktionsphasen werden darin verschränkt und das Verhältnis von Figur und Grund, Oben und Unten sowie Raum und Fläche destabilisiert. Wie auch die Skulpturen werden die Bilder zu Elementen eines offenen, enzyklopädischen »System Zobernig«, das Gattungsgrenzen überwindet und immer wieder neue Deutungen anbietet.

Zu beiden Ausstellungen ist ein Katalog erschienen. Wie üblich gibt es bei den Ausstellungen der Kestnergesellschaft wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm. Die entsprechenden Informationen findet man auf der INTERNETSEITE der Kestnergesellschaft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen