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Donnerstag, 5. Juli 2012

Bildlein Bildlein an der Wand, wer ist der gerissenste Ganove im Land


(Berlin) Der Fälschungscoup des Jahrhunderts von Wolfgang Beltracchi und seiner Bande ist dreist und wirft eine Menge Fragen auf die weit über das Betrugsdelikt hinaus gehen. In ihrem Buch „Falsche Bilder - Echtes Geld“ berichten Stefan Koldehoff und Tobias Timm umfassend über den Fall. Das Buch ist im Mai 2012 bei Galiani erschienen und kostet 19,99€.
Ernst Schöller vom LKA Stuttgart schätzt das ca. 30% aller Kunstwerke Fälschungen sind. Vielleicht schaut nun der eine oder andere Sammler misstrauisch auf seine Gemälde an der Wand. Ob da wohl auch ein Beltracchi drunter ist? Angemessen ist es zumindest die künftigen Ankäufe konkreter auf Echtheit zu prüfen. Die Recherchen von Koldehoff und Timm ergeben, dass Kunst oft auf Grund guten Glaubens gehandelt wird. Der Kunstmarkt ist ein Markt der wie kein anderer von undurchdringlichen Geheimnissen eingesponnen ist und Gewinnspannen hat wie sonst nur der Waffenhandel oder die Prostitution. Neben ganz legalen Käufen ist es ein Mekka für Geldwäsche, Anlage von Schwarzgeld, dubiosen Sicherheiten undundund. Nach der Lektüre dieser Recherche versteht man vieles besser im Kunsthandel, z.B. wieso der Kunstmarkt nach dem Bankencrash ausgelöst von Lehmann Brothers so boomt. 
Wolfgang Beltracchi, der sich auf die Fälschung von Werken von Künstlern aus der zweiten Reihe spezialisierte, ist nur einer von mehreren Fälschern. Seine Bilder wurden nur bis zu einstelligen Millionenbeträgen gehandelt. Bereits fünf Wochen nach der Verurteilung Beltracchis wurde ein neuer Skandal bekannt. Dabei ging es um Bilder von Pollock, Rothko, Diebenkorn und Motherwell, Kline, Still und de Kooning, also um Werke im zweistelligen Millionenbereich. Nun kann man sagen es träfe ja keinen Armen, doch in einem Rechtssystem sind die Gesetze für alle gleich. Diese Gleichstellung trifft auch für Beltracchi zu der jedoch eine Strafmilderung bekam, weil er einen so genannten Deal mit dem Gericht aushandelte. Wer weis, vielleicht ist er schon wieder fleißig bei der Arbeit.
Seine Arbeit bestand über drei Jahrzenhte darin alte Materialien zu sammeln, sich mit einigen Malern wie Heinrich Campendonk, Fernand Léger, Max Ernst oder André Derain intensiv zu beschäftigen um dann in deren Namen Werke zu schaffen die noch nie existierten. Handwerklich sind die Fälschungen ganz brauchbar, aber von echter inspirierter Kunst weit entfernt. Seine Komplizen übernahmen den Vertrieb. Um die Herkunft der Bilder zu erklären erfanden sie zwei Sammlungen und versuchten von Experten Echtheitszertifikate zu bekommen. Hier wird es dann skurril. Denn die Experten verdienten durch ihre positiven Bescheinigungen kräftig mit. Werner Spies z.B., der angesehenste Max Ernst Experte, glaubte durch Augenscheinnahme von Fotografien der Gemälde die Originalität der Bilder bestätigen zu können. Was er dann auch bei mehreren Max-Ernst-Fälschungen tat, sich dann noch für den Verkauf einsetzte und dafür kräftige Provisionen erhielt.
Wenn man das Buch von Stefan Koldehoff (Kulturredakteur beim Deutschlandfunk wurde für seine investigativen Recherchen mit dem puk-Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats ausgezeichnet) und Tobias Timm (Stadtethnologe und Kulturwissenschaftler schreibt für das Feuilleton der ZEIT)  liest stellt man sich immer wieder die Frage wem man im Kunsthandel trauen kann. Hochangesehene Galerien werden entlarvt wie sie sorglos erlogene und zweifelhafte Provenienzen Glauben schenken um sich die satten Provisionen einzustecken. Kunstexperten verzichten auf Materialprüfungen, wie z.B. vom Doerner Institut, um Kosten zu sparen und gehen lieber das Risiko ein eine Fälschung in den Stand der Echtheit zu adeln. Bilder die nach einem Verkauf als Fälschung erkannt wurden, werden nach einer Zeit des Vergessens wieder in den Handel gebracht. Die beiden Journalisten gehen über den Fall Beltracchi hinaus und stellen einen Kodex zu Diskussion dem sich der Kunsthandel unterwerfen sollte. 
Stefan Koldehoff und Tobias Timm - Falsche Bilder - Echtes Geld, Der Fälschungscoup des Jahrhunderts - und wer alles daran verdiente. Galiani Verlag Berlin 2012 ISBN 978-3-86971-057-0, 304 Seiten mit Bildteil.

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