Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Freitag, 27. Februar 2015

Innovation braucht Förderung

© by Andre Lewski
(Oldenburg) Weiterbildung ist in allen Bereichen der Berufswelt ein unverzichtbares Mittel um Schritt halten zu können. Arbeitsabläufe werden optimiert, Materialien werden besser genutzt oder es kommen immer neue auf den Markt, Organisationen werden effektiver und straffer gestaltet und es tauchen Situationen und Herausforderungen auf denen man sich stellen muss. Da ist es doch selbstverständlich auch in den künstlerischen Disziplinen eine aktive Förderung für Forschung und Weiterbildung zu schaffen. Die darstellende Kunst beschäftigt sich mit zeitgenössischen Inszenierungen mit den aktuellen Belangen der Gesellschaft. Da ist es ein Gebot der Stunde sich diesen Erneuerungen auch mit neuen Formaten der Darstellung und Kommunikation zu stellen. So wie es staatliche Programme zur Weiterbildung und Forschung für verschiedene Berufszweige gibt, genauso sind sie auch zwingend nötig für das Theater.

Das Oldenburger Theater Wrede+ hat schon seit einigen Jahren ein Förderprogramm aufgelegt und mit viel Engagement ausgebaut. In diesem Programm, das den Namen flausen trägt, können Gruppen sich für einen begrenzten Zeitraum mit der Forschung ihrer Ausdrucksmöglichkeiten beschäftigen. Dabei kommt es nicht drauf an etwas fertiges am Ende vorzuweisen. Vielmehr soll ein Freiraum gegeben werden in denen die darstellenden Künstler sich Herausforderungen stellen und auch scheitern dürfen. Denn nur wenn man ein Risiko eingeht kann man auch etwas neues hervorbringen.

Ab dem 18. März kommt die 14. Forschungsgruppe ins Theater Wrede+ zu flausen. Unter dem Arbeitstitel: Wir rufen Dich Galaktika - oder Endlich ist die Hoffnung tot findet sich eine Gruppe von Bühnenkünstlern in Oldenburg ein. Der Initiator dieses Projektes, Andre Lewski, hat die Choreografin Lee Meir, den Countertenor und Dirigenten Ulrich Weller und die Schauspielerin Julia Katzer dazu eingeladen mit ihm daran zu arbeiten. Er hat in den vergangenen Jahren mit jedem einzeln bereits zusammen gearbeitet, allerdings noch nicht als geschlossene Gruppe. Lewski ist Oldenburger der in verschiedenen Städten Deutschlands und im Ausland als Schauspieler gearbeitet hat und seit 2013 auch Regie führt.

In diesem Projekt erforschen sie gemeinsam mit maximaler Nutzung aller theatralischen Mitteln um einen Punkt der Transformation hinein in eine Utopie zu finden. Dabei wird der utopische Moment als eine für alle Beteiligten überraschend erlebte Zukunftsform erlebt, im Gegensatz zu einer Zukunftsbehauptung, die niemand kennen oder verifizieren kann.  Denn erst wenn man die Hoffnung fahren lässt, kann man sich auch von der Bindung an das Bekannte lösen. Das ist die Eröffnung von etwas Neuem und Unbekannten. Als Basis der Arbeit verfasst Andrew Lewski einen Text als Stückvorlage. Am Ende der Forschungszeit am 14. April wird dann ein Werkzustand im Theater Wrede+ gezeigt.

Bei Projekte dieser Art zählt vor allem die konkrete und intensive Arbeit. Um ein künstlerisches Risiko einzugehen braucht man einen Freiraum der zumindest nicht von existenziellen Sorgen durchbrochen wird. Darüber hinaus gehen die Künstler auch mit einer bemerkenswerten Portion Mut an die Arbeit. Kreative Forschung kann immer zu Erkenntnissen führen die wertvoll oder auch wertlos sind. In jedem Fall aber durchläuft man eine Reihe Situationen die das künstlerische Selbstverständnis weiterbilden. Man darf gespannt sein auf das Ergebnis. Hier auf der Seite der Kultur-News „online aktuell“ werde ich weiter über dieses Projekt berichten. Thetaer Wrede+

Mittwoch, 25. Februar 2015

Liliom kratzt an moralische Werte

© Schwankhalle
(Bremen) Am 6. März gibt die Schwankhalle Premiere mit Anna Bartholdys und Peer Gahmerts Inszenierung „Liliom“ von Ferenc Molnar. Eine Geschichte die in die Zeit passt, eine Zeit in der die Werte neu justiert werden müssen. Ein Stück das Fragen aufwirft und nicht für gefällige Antworten sorgt.
Liliom arbeitet als Schausteller auf dem Jahrmarkt. Trubel, Unbeständigkeit, derbe Umgangsformen, harte Arbeit, wenig Geld und manchmal eine „Gelegenheit“. Eine solche Gelegenheit ist der Raubüberfall der zum Raubmord wird und von dem Liliom sich eine neue, bessere Zukunft erhoffte. Nach einer schnellen Romanze war sie schwanger geworden, und er mit aufrichtigem Verantwortungsgefühl will für die Konsequenzen einstehen. Der Plan ist der: Mit einem Startkapital und der jungen Familie in die U.S.A. auswandern und alles hinter sich zu lassen. Der Plan missglückt, Liliom stirbt. Vor einem Himmelsgericht gestellt, bekommt er eine neue Chance, doch weil er uneinsichtig ist (oder bleibt er seinen Werten treu?) wird ihm statt einer neuen Chance nur ein Tag bei seinem Kind gewährt.

Der Held durchläuft keine übliche Wandlung, transformiert nicht zu einer Lösung oder zum besseren Menschen. Gut so! Unsere Zeit hat keine Lösungen zu bieten, sie müssen erst noch gefunden werden. Die moralischen und ethischen Werte sind nicht mehr so klar. Die Rechtsprechung ist zu einer Willkür geworden bei der es immer deutlicher wird, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind. Demokratie wird ausgeweidet wenn man nur einmal an CETA oder TTIP denkt. Entweder ist man privilegiert oder man sieht sich zunehmend dem Faustrecht ausgesetzt. Aber Liliom ist keine in diesem Sinne politische Kritik, sondern mehr ein Ausloten eines Charakters der sich seiner moralischen Werte bewusst wird (oder auch nicht!?) Bleibt er sich treu, oder ist er stur? Die Inszenierung bietet eine Identifikation mit der Person Liliom und damit die Möglichkeit selber immer wieder in den Spiegel zu schauen.

Die Premiere ist am 06. März. Weitere Spieltermine: 08., 20., 21. und 22. März, 02.,03.,05.,16.,17.,24. und 25. April 2015 jeweils um 20:00 INFOS Schwankhalle

Dienstag, 24. Februar 2015

Ist Melancholie gasförmig?

Christian Bergmann, Andreas Kramer, Frank Auerbach
(Bremen) Der bulgarische Erzähler Georgi Gospodinov hat im Droschl Verlag Graz letztes Jahr im Mai einen autobiografisch geprägten Roman vorgelegt: ‚Die Physik der Schwermut‘ Roman? Nun ja, als solches wird er eingeteilt. Es sind einzelne Episoden die mit Ereignissen und Erlebnissen des Autors stark eingefärbt sind. Dabei geht er soweit zurück, dass er aus dem Mutterleib spricht und in fantastische Sphären wandelt. Und ja, es ist ein zeitgenössischer Roman mit der Sprache die sich nicht in Formen giessen lässt.

Am Montagabend im Falstaff stellte Stückwerk Bremen e.V. das Buch vor. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht zeitgenössische Literatur in die Bremer Wahrnehmung zu rücken. Dafür haben sie eine sehr witzige und dem Autor angemessene Lesung geboten. Es lasen, in Schwarz gekleidet, Frank Auerbach, in blendend weisser Garderobe, Christian Bergmann und musikalisch begleitet wurden sie von Andreas Krämer. Es dreht sich in diesem Buch um Eros und Thanatos, wenn an es überhaupt auf einen simplen Nenner bringen kann. Einzelne Stationen ziehen den Leser/Hörer in Welten die man mit diesen Stichworten eingrenzen kann: Pränatal, frühe Kindheit, Jugend/Schulzeit, Herkunftsbewältigung, erster Sex, Eheleben, 1980 eine Sammlung der Erinnerungen, die Melancholie in Analogie mit Gase: Edelgase sind nicht melancholisch, weil sie nicht riechen. Und es mündet in Erkenntnissen wie: Gehirnzellen werden nicht reproduziert. „Ich bin ein wandelnder Friedhof.“


Der Autor und die Vortragenden sind in etwa einer Altersliga. Sie sind gebildet, verfügen über ein adäquates mass an Lebenserfahrung, haben ein künstlerisches Handwerk erlernt und machen sich fundierte Gedanken über die großen Themen dieser Zeit und sie nutzen ihre Fähigkeit sich mitzuteilen. Aus diesem Fundus kreierten sie eine Mischung aus stillem, überraschenden aber sanften Humor, trocken wie Trockeneis und mit voranschreitender Glut wie die Witze von Palmström (Morgenstern). Für das Literatur interessierte Publikum war das ein fluider Einstieg den es mit langem Applaus dankte.  Stückwerk

Montag, 23. Februar 2015

Die Vagina-Monologe von Eve Ensler

(Wanna) Zum Weltfrauentag veranstalten wir an drei Orten in und um Otterndorf Vorstellungen unserer Literatur-Show „Die Vagina-Monologe“ von Eve Ensler. Am 28. Februar beginnen wir in der Stadtscheune in Otterndorf, am 07. März sind wir in der Alten Schule in Ihlienworth und am 14. März ist die dritte Vorstellung in der Kombüse 53° Nord in Oberndorf. Einlass ist jeweils ab 19:30. Vorgetragen werden die Monologe von der Schauspielerin Annika Stöver und Regisseur Friedo Stucke.

Die Vagina-Monologe sind aus über 200 Interviews mit Mädchen und Frauen entstanden die Eve Ensler bis 1995 führte, auswertete und dann dieses Theaterstück daraus entwickelte. Es sind Monologe über ein Körperteil das von Geheimnissen und Mythen umgeben ist. Wie sieht sie aus? Wie wird sie genannt? Was wird mit ihr gemacht? Die einzelnen Monologe regen zum Nachdenken an und erzählen sachlich, mal erotisch, auch erschreckend und dann wieder in humorvollen Tönen was Frauen mit ihrer Vagina erleben. In dem 2010 erschienenen Buch von Nicholas D. Kristof und Sheryl WuDunn - „Die Hälfte des Himmels, Wie Frauen weltweit für eine bessere Zukunft kämpfen“ sind Beschreibungen die heute immer noch aktuell und brisant sind. Mit dieser Veranstaltungsreihe lenken wir mit professionellem Theater den Fokus auf ein immer noch dringliches Thema.

Die Vorstellungsreihe wurde gesponsert von der VGH Thomas Dock in Otterndorf, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Otterndorf, und der Gemeinde Ihlienworth. Zur Begrüßung spricht die Gleichstellungsbeauftragte der Samtgemeinde Land Hadeln, Marei Gerken. Die Altstadt-Buchhandlung in Otterndorf stellt eine kleine Auswahl informativer Sachliteratur vor. Nach den Vorstellungen bleibt noch Zeit für ein Gespräch und Meinungsaustausch.

Für das Plakat, das sie an verschiedenen Stellen in der Region sehen, hat die Künstlerin Barbara Meyer aus Misselwarden spontan ein Bild, mit dem Titel „Das zweite Herz“ entworfen und beigesteuert. Dafür, und für die weiteren Förderungen,  danken wir herzlich. 

Sie können Karten reservieren unter eigene.werte@t-online.de. Der Eintritt beträgt 8,00€ auf allen Plätzen. Dauer der Vorstellung ist ca. 1,5 Stunden. 

Sonntag, 22. Februar 2015

Vanaev nimmt neuem Kurs

Lidia Melnikova @ Heiko Sandelmann
(Bremerhaven) Für das leider ehr kleine Publikum Tanzinteressierter in Bremerhaven war es eine schöne Premiere im Stadttheater. „Drums“ ein Tanzabend von Sergei Vanaev stand ganz um Zeichen von Rhythmen - eine erfrischend andere Bewegungssprache, die man von ihm nicht erwartet hätte.

Im Hintergrund der Bühne werden reduzierte Grafiken eingeblendet, davor beginnen die Tänzer mit einer belustigenden Einführung wie einzelne  Trommeln durch den Körper gezeigt werden können. Von dieser ehr pädagogisch gefärbten Weise ging es schnell zu den anderen Tanzstücken. In ca. 65 Minuten folgen 17 einzelne kleine, aber intensive Choreografien aufeinander. Dabei war es eine Freude zu sehen, dass in der Bewegungssprache eine Entwicklung zu etwas neuem statt gefunden hat. 

Aus den einzelnen Stücken stachen zwei besonders hervor. Nach der Musik von Olaf Satzer (Ocean´s Eleven) tanzte Joshua Limmer ein Solo. Dem vorausgeschickten Zitat von Novalis, nach dem „Jahreszeiten, Tageszeiten, Leben und Schicksale … rhythmisch, metrisch, taktmäßig“ seien, schuf Limmer genau dafür ein Bild der Bewegung. Eine Harmonie, aus Regelmäßigkeit der Musik, und Dynamik, die aus dem menschlichen Organismus kommt, vereinte er eine Gesamtheit in der Widersprüche sich aufheben. Zur Musik von David Maslanka (For Pretty Alison) ließ Lidia Melnikova einen vergleichbaren Kosmos entstehen, in dem keine Zweifel sind. Doch über die Abwesenheit von Zweifel geht die selbstverständliche Hoffnung, ein Sehnen das bekanntlich jeden Menschen bewegt. Diese Hoffnung entsteht wenn Harmonie mit beseeltem Wunsch einhergeht. Lidia Melnikova hat diese Momente, diese äußerst seltenen, mit großer Leichtigkeit gezeigt.

Es wären da noch andere Stücke anzuführen, warum der Abend ein Erlebnis war. Z.B. Restless von Rich O´Meara interpretiert von Jessica De Fanti Teoli und noch einmal Joshua Limmer oder The Juju Orchestra mit This is not a Tango interpretiert von Cristina Commisso und Shang-Jen Yuan.

Den Wandel in der Choreografie hin zu einem ausdrucksstärkerem Ballett kann man nur begrüßen. Man wünscht sich zwar noch eine entschiedenere Liebe zur Präzision und im Ausdruck weniger Sportlichkeit. Doch die Fülle neuer Potentiale ist bereits eine gute Basis auf dem Weg nach Innovation. Vanaev ist ein sehr erfahrener Choreograf, der vor allem die Kunst beherrscht mit sehr kurzen Bildern sein Publikum zu begeistern. So entsteht ein Ballett wie ein Morsealphabet, beim dem jedoch der Wunsch nach dem Klartext offen bleibt. Man darf wieder gespannt sein, wie sich der Tanz in Bremerhaven modernisiert, vielleicht sogar neu erfindet?!

Samstag, 21. Februar 2015

Das Brodeln unter der Grillwurstseligkeit.

Johannes Simons, Lena Schlagintweit, Aida-Ira El-Eslambouly,
Sven Brormann, Wolfgang Finck und Benedikt Keller © Landesbühne
(Wilhelmshaven) Der Mittelschicht aufs Maulgeschaut. So könnte man das Stück von Oliver Bukowski - Ich habe Bryan Adams geschreddert auf den Punkt bringen. Die Landesbühne Niedersachsen hat eine Komödie mit bissigem Humor präsentiert.

Bürger die einen Job haben von dem sie recht und schlecht ihren Lebensunterhalt bestreiten können, sind perfide Zeitgenossen die sich gegenseitig nicht die Butter aufs Brot gönnen. Vorne herum ganz freundlich und von hinten gibts die Intrigen. Auf Peukerts Sonnenwendfest mit Grillwurst und reichlich weicher Alkoholika trifft sich die Belegschaft incl. Chef Peukert. Ein Kollege der kürzlich für den Arbeitsmarkt freigesetzt wurde wird mit unterschiedlichen Gefühlen erwartet. Der Wein und das Bier lösen die Zungen und es wird nach und nach Tacheles geredet. Puh - da kommt so einiges heraus. Das alle weiblichen Kollegen mit dem jüngst gefeuerten in engerem Kontakt standen/lagen ist noch die am wenigsten überraschende Entdeckung. Der Sohn, Jannik beeindrucken dargeboten von Benedikt Keller, sprengt die nett tutende Runde und zieht damit nach und nach den Zorn der gesamten Gesellschaft auf sich. Das seine Mutter ihn als „kleines klugscheißendes Wikipedia Frettchen“ bezeichnet ist bei weitem noch nicht der Gipfel. Der aber kontert treffend, dass jeder „talentierte koreanische Praktikant“ die Arbeit seiner Eltern und Mitarbeiter ausführen könne.

Der Sprachwitz von Bukowski und seine messerscharfe Analyse des mittelschichtigen Bürgertums ist fantastisch. Die Arbeitskollegen hocken aufeinander wie die Hyänen und warten auf die Gelegenheit zum Mobbing, den verbitterten Kampf um Job und Karriere. Auch wenn die Karriere nur in ausgefeilten Bezeichnungen daherkommt wie Deputy Key Account Manager, was soviel bedeutet wie Sachbearbeiterin Buchhaltung. In der Gesellschaft passt nur einer nicht hinein, Sascha (Sven Brormann), der Freund den Paula mitgebracht hat. Auch er kein Senkrechtstarter hat doch zumindest als Aussenstehender den einen oder anderen konfrontierenden Einwand. Er wird natürlich von der Grillgesellschaft zum schweigen gebracht. Es sind die halb verschlungenen Sätze, die manchmal im Nachtreten rausgehauen werden, die mit eigenwilliger Wahrheit daherkommen.

Eigentlich müsste einem das Lachen im Halse stecken bleiben, weil man sich so oft selbst wieder findet. Ganz so streng ist es aber nicht. Es ist eine Komödie, und als Komödie kann man gerne einmal den Spiegel auf sich drehen.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte

Good Luck by Sven Johne
(Oldenburg) Nach dem Wechsel in der Direktion am Edith-Russ-Haus, eröffnete gestern die erste Ausstellung „The Doubt of the Stage Prompter“ mit Werken von Jumana Manna und Sven Johne. Das erzählerische bindet die unterschiedlichen Arbeiten.

Dem Titel der Ausstellung liegt eine Situation vor: ein Souffleur zweifelt an der Richtigkeit des Textes, den er zu sprechen hat. Dieser grundlegende Zweifel, über Neugierde und Wissbegierde, gibt Platz für alternierende Geschichten, die Raum eröffnen wo Geschichte neu erzählt werden kann. Das Erdgeschoss ist mit einer diagonal durch den Raum gezogenen Wand aufgeteilt. Das gibt dem Kube eine lockere Aufteilung für die sechs jeweils für sich stehenden Arbeiten Sven Johnes. Dabei handelt es sich um vier Filme mit einer Länge von 6:20 bis 27:13 Minuten. In „Some Engels“ werden Schauspieler beim Casting gezeigt, die die Rede Friedrich Engels am Grab von Karl Marx halten sollen. Im kürzestem Film „Elmenhorst“ gehen zwei Männer - sie könnten Vater und Sohn sein - scheinbar am Meer spazieren. Doch dann sieht man die Kalaschnikow über der Schulter des Älteren. Mehrfach versuchen die beiden ins Gespräch zu kommen. Offensichtlich gibt es etwas wichtiges zwischen den beiden zu sagen. Neben den Filmen gibt es noch zwei Fotografien. Das eine „Good Luck“ zeigt einen Automaten in dem man für eine Münze eine Stoffpuppe gewinnen kann. Im Hintergrund spiegelt sich der Hafen von Lampedusa. Die Doppeldeutigkeit ist offensichtlich. So auch bei dem Paar „Carnival 1 + 2“ auf denen Stasiebeamte in der Verkleidung derer Berufsgruppen, die sie bespitzelt haben, eine Predigt geben bzw. sich gratulieren.

Im Untergeschoß befinden sich die Arbeiten von Jumana Manna, der 1987 in New Jersey geborenen, in Jerusalem aufgewachsenen Künstlerin. Es sind vier Filme mit einer Lauflänge von um die 20 Minuten, und drei im Edith-Russ-Haus gefertigte Skulpturen mit dem Titel „Unlicensed Porch 1 - 3“. In „The Umpire Whispers“ führt Manna ein Interview mit ihrem ehemaligen Schwimmtrainer. Darin untersucht sie in einer sehr persönlichen Geschichte die ausbeuterischen Beziehungen zwischen Alter und Geschlecht. Mit „A Sketch of Manners“ stellt sie einen Maskenball nach, den Alfred Roch 1942 ausrichtete. Die stillen Bilder zeigen in reduziertem dokumentarischem Stil mit Amateuren, Freunden und Familienmitgliedern dieses Event mitten im 2. Weltkrieg. Der Film „The Goodness Regime“, eine gemeinschaftliche Autoren- und Regiearbeit mit Sille Storihle, untersucht die Grundlagen, Ideologie und das Selbstbild des modernen Norwegens. Die Arbeit wurde in Norwegen und Palästina gedreht. Spielszenen die von Kindern dargestellt werden mit historische Tonaufzeichnungen zeigen fiktive dokumentarische Aufnahmen.


Die Ausstellung ist mit einem umfangreichen Infoheft, einem Katalog und Sonderveranstaltungen für ein inniges Studium der Arbeiten bemerkenswert kuratiert. Das neue Direktoren Duo, mit Edit Molnár und Marcel Schwierin, deutet auf den globalen Charakter von Medienkunst hin im Gegensatz zum internationalen, der sich auf die westlichen Einflüsse beschränkt.

Dienstag, 17. Februar 2015

Vorstellungsausfälle wegen Verletzung

(Bremen) Handbruch bei Désirée Nick – Premiere „Im weißen Rößl“ am 26. Februar um 19.30 Uhr im Theater am Goetheplatz wird gehalten
Aufgrund einer Verletzung von Désirée Nick, die in der Operette „Im weißen Rößl“ die Wirtin Josepha Vogelhuber spielt, kommt es an diesem Donnerstag zu zwei Vorstellungsaufällen. So finden am Donnerstag, 19. Februar, die Vorstellungen „Der Liebestrank“ im Theater am Goetheplatz und „Faust hoch zehn“ im Kleinen Haus nicht statt.

Im Kleinen Haus wird am Donnerstag, 19. Februar, ab 20 Uhr statt „Faust hoch zehn“ die Tanzproduktion „Belleville“ gezeigt. Für diejenigen, die das zuletzt immer ausverkaufte Stück von Samir Akika noch nicht gesehen haben, ist es eine weitere Option; vorher gibt es um 19.30 Uhr im noon eine Einführung.
Nötig wurden diese Maßnahmen, da sich Gaststar Désirée Nick nach den Proben am Dienstag Abend einen komplizierten Handbruch zugezogen hat. Frau Nick wird heute operiert. Die dadurch ausfallenden Probenzeiten müssen durch die oben genannten Maßnahmen kompensiert werden. Die für den darauffolgenden Donnerstag geplante Premiere sei dadurch aber nicht gefährdet, sagt Intendant Michael Börgerding: „Wir wollen den Termin auf jeden Fall halten. Frau Nick hat zugesagt, notfalls mit Manschette zu spielen.“
Karten für die oben angegeben ausfallenden Vorstellungen können an der Kasse zurückgegeben oder umgetauscht werden. 

Montag, 16. Februar 2015

Glücksspielautomaten | Recherche | lunatiks produktion

(Hamburg) Beim Eintritt bekam jeder 10 Jetons in die Hand gedrückt und wurde aufgefordert am Roulett Platz zu nehmen. „Machen Sie Ihren Einsatz!“ Diese Aufforderung trifft den Nagel auf den Kopf. Beim Roulett werden zwar ca. 96% der Einsätze wieder ausgespielt, aber nur an die Gewinner. Glücksspiel ist vor allem der Verlust, für die wenigen, die mit Gewinn nach Hause gehen. Also wie im richtigen Leben auch. Wie viele Looser müssen sich ausbeuten lassen, damit ein Industrieller/Banker/Manager mit nem A4 zur Maniküre chauffiert werden kann. Aber nein, das ist kein Glücksspiel, das ist wirtschaften. Beim Glücksspiel sind die Gewinnchancen eben nicht geregelt, sondern staatlich überwacht und besteuert. Hm? - seltsame Welt?!

Das Berliner Theaterkollektiv lunatiks produktion entwickelt Theaterprojekte die als Forschungsarbeit mit Mitteln des Theaters zu verstehen sind. Bei der aktuellen Arbeit „Automaten - Late Night“ geht es um Recherche rund ums Glücksspiel. Die Mitwirkenden: Gesine Lenz, Janette Mickan, Hanna Müller, Michael Müller, Christine Rollar u.a. Sind schon seit einiger Zeit damit beschäftigt alles über das Thema zu erfahren. Sie haben z.B. ca. 40 Interviews mit Spielern, Politikern, Wissenschaftlern, Betreibern, Gescheiterten, und und und geführt. Diese Interviews wurden akustisch aufgezeichnet, anonymisiert, transkribiert, und füllen nun hunderte Seiten. Weitere Recherchen, aus Gesetzen, Literatur etc. kommen dazu. Aus dieser gigantischen Datensammlung filtert Janette Mickan die Sachen heraus die für eine Textfassung wertvoll sind. In den kommenden Wochen schreibt sie nun ein Manuskript, das als spielfähige Vorlage für die Proben dient. Damit es nicht zu einer drögen Informationsflut wird, forschen sie auch wie das Thema fürs Publikum zum Erlebnis wird. Dafür diente z.B. der letzte Samstag Abend im Lichthof Theater.

Die Casino Atmosphäre war schnell hergestellt. Ruckzuck ging es an den Spieltisch. Der Croupier sorgt dafür dass keine Pausen entstehen. Schnell ist gesetzt und schell ist das Spiel vorüber. Verluste einstreichen und Gewinne auszahlen, und zack! das neue Spiel. Nach einigen Runden ein Klingelzeichen. Jetzt kann man sich für einige Chips eine Information kaufen, sich eine Lesung wünschen, oder wer eine persönliches Erlebnis zum besten gibt, bekommt dafür sogar ein paar Jetons. Die Informationen, sachlich vorgetragen, zeigen überraschende Wahrheiten. Wie hoch die Steuereinnahmen mit Glücksspiel sind, oder warum Automaten, wie sie z.B. in Kneipen an den Wänden hängen, nicht zum Glücksspiel gerechnet werden. Oder man erfährt wie viele Spielsüchtige auf einen Suchtberater kommen - nicht grad wenige. Kauft man eine Lesung, dann bekommt man Einblick in die Denkweise der Spieler wie Dostojewski z.B. einer war, aber auch von weniger bekannten Menschen.


Nach diesen kleinen Unterbrechungen ging es dann weiter am Roulett. Und nachdem wir ungefähr anderthalb Stunden gespielt hatten, war die Bank weder pleite noch hatte sie alle Einsätze eingestrichen. Die Statistik, da waren sich alle einige, traf zu. Man darf nun gespannt sein wie die lunatiks aus dem Meer der Infos ein Stück Theater machen. Am 5. Juni ist dann Premiere im Lichthof Theater. Noch kann man sich mit einer persönlichen Geschichte beteiligen. Wer also Erlebnisse mit Spielautomaten hat kann sich gerne bei Janette Mickan melden.

Sonntag, 15. Februar 2015

Tschick im Schnürschuh

Mutter und Maik © Theaterhaus Schnürschuh
(Bremen) Seit 2010 ist Tschick von Wolfgang Herrndorf ein Kassenschlager. Schon von vielen Staatstheater inszeniert, ist es nun im Theaterhaus Schnürschuh angekommen, und hat bisher kein bisschen Reiz verloren. Auch im Schnürschuh sind bereits einige Vorstellungen ausverkauft. Die vier Schauspieler der Inszenierung gaben mit energischem Körpereinsatz eine turbulente Premiere.

Die literarische Vorlage trifft den Nerv der heutigen Jugend. Es ist nicht nur die Jugendsprache, der hier einen Platz eingeräumt wird. Dieser Jargon gibt einen Einblick in die Verhältnisse wie Schüler untereinander sind, und darüber, welche Fluchtmöglichkeiten sie sich erträumen. Wird man Nerd oder haut man ab? Man kann auch in eine unspezifische aber geleckte Schülermasse aufgehen und ein angepasstes(pisstes) Bürgerkind werden. Mobbing und sozialer(asozialer) Druck ist der Alltag in der Schule. Die Ausgegrenzten Maik und Tschick wählen die Flucht. Die Flucht entwickelt sich zu einer Abenteuerreise, und dabei es ist nicht so entscheidend ob sie nun echt oder in der Fantasie passierte. Das Theaterhaus Schnürschuh lässt diese Frage auch offen, und gibt damit Raum damit sich jeder eigene Gedanken machen kann. Es überwiegen die Szenen des berauschenden Abenteuers. Die Ernsthaftigkeit der beiden Schicksale kommt ehr in literarischer Form zur Geltung. Das Stück, für 14+ inszeniert, bietet eigentlich mehr Tiefe für die Sorgen und Nöte der gezeichneten Charaktere.


In einem erzählerischem Stil geht es schnell durch die Geschichte. Familientragik, Schulzwang, Liebesnöte werden in einem flotten Tempo gezeigt. Man bekommt schnell ein Gefühl davon, wie es in den Schulen vor sich geht. Und die Schüler, für die diese Produktion gemacht ist, werden sich schnell damit vertraut finden. Es sind die Sprüche, die halben Sätze, die unausgesprochene Verständigung von Leidensgenossen die die Jugendlichen sofort verstehen werden. Sie werden auch rücksichtsvoll darüber hinweg schauen, dass Sprache und Hintergrundmusik oft konkurrierend aufeinander wirkten. Trotz allem ist die Inszenierung jugendgerecht aufgestellt. Mit den gut gewählten Videoclips wird eine Raumweite geschaffen die eine Idee für das Leben ausserhalb der Theaterrealität erahnen lässt. Einigen poetischen Szenen und das rasante Spiel runden die Inszenierung ab. Allerdings wünscht man sich schon, die Regie hätte eine klarere und entschlossenere Linie verfolgt. Denn 14jährige Jugendliche können durchaus konkreter an die Themen herangeführt werden, von denen sie selbst betroffen sind.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Die Zahl der Erinnerungen ist unendlich

F.Rohn, P. Bottinelli, B. Richter, G. Gabrielli © Jörg Landsberg
(Bremen) Der Fundus unserer Erinnerungen ist undurchdringlich. Es ist ein Dschungel der Vergangenheit. Und ein Dschungel im sprichwörtlichem Sinn ist die Bühne im Kleinen Haus vom Theater Bremen bei der Premiere von Aymara. Das Erzählerische mit eindringlichen Bilder steht im Mittelpunkt von Alexandra Morales Choreografie. 

Zentral ist da ein Baumhaus, das in luftiger Höhe über der Bühne schwebt. Schilf bis unter die Decke, dünne Nebelschwaden und Palmen. Es ist aber kein klar definierter Wald, sondern vielmehr die fantastische Erinnerung an viele Situationen mit den idealisierten Ausschmückungen, wie sie jeder in seinen Erinnerungen schafft. Ein großes Lob für die Gestaltung der Bühne von Elena Ortega, die einen Raum geschaffen hat, der von der Tribüne aus einen Einblick in einen exemplarischen Kopf, den Erinnerungsraum, eines Menschen gleicht. In diesem Raum erscheinen einzelne Situationen wie aus dem Nichts und verschwinden ebenso leicht um von neuen Gedankenfetzen abgelöst zu werden.

Bernhard Richter © Jörg Landsberg
Alexandra Morales hat mit ihrer ersten Choreografie am Theater Bremen eine großartige Arbeit in Szene gesetzt. Das sind 70 Minuten eintauchen in eine Welt der Erlebnisse die jeder aus seiner eigenen Biografie nachvollziehen kann. Manchmal sind es nur kurze Blitze, dann wieder kurze Abläufe eindringlicher Momente aus der Kindheit, Arbeitsleben oder vielleicht erst kürzlich erlebter Lebenssituationen. Und diese Momente passieren manchmal gleichzeitig, manchmal einzeln, eben so, wie die Erinnerungen in uns organisiert sind. Organisiert? Douglas Hofstadter beschreibt den Fundus unserer Erinnerungen als eine Schatztruhe unendlich vieler Analogien. Alles was wir erleben/erfahren legen wir in Kategorien ab, die wir dann zu unzähligen Analogien kombinieren. Also sind unsere Erinnerungen, die Guten und die Schlechten, die Basis dafür, wie wir unsere Zukunft entscheiden. Alexandra Morales nimmt uns mit auf eine Reise durch diesen gigantischen Fundus. Da sind die verspielten Dinge, die Träumerischen, der Schmerz, die Angst, Momente in denen sich jemand verstecken musste, liebte, innere Zerrissenheit und und und… Und all diese kleinen Episoden sind klar von einander getrennt, selbst wenn sie sich überlappen oder ineinander verlaufen. Mit großer Akribie und körperlicher Freiheit bewegen sich die Darsteller durch den Raum.

Was hören wir wenn wir denken? Sind die Abläufe der Erinnerungen immer logisch? Oder treten manchmal symbolische Elemente in Situationen auf die dort überhaupt nicht passen. Diesem Phänomen der Kombinationsfähigkeit unseres Geistes trägt die Choreografie/Inszenierung auf surreal anmutende Weise Rechnung. In dem Situationen neu kombiniert, oder immer wieder aufgerufen werden, versuchen wir mit uns und unserer Vergangenheit ins Reine zu kommen. Erinnerung ist Heilung auch dadurch, dass wir schmerzliche Erlebnisse auf einer Metaebene neu erleben und mit anderen Lösungsmöglichkeiten testen. Stefan Kirchhoff breitet einen musikalisch-instrumentalen Geräuschteppich aus, der die Stille im Hirn ertönen lässt. Der reicht über ein Spektrum von unbestimmbaren Sounds, über Geräusche die man mit etwas Konkretem in Verbindung bringt, bis hin zu Songs die man mitsingen kann. Dieser Sound-Kosmos bindet die unlogischen Elemente in eine Bedeutungswelt die stimmig und als normal hingenommen werden kann. Teil des Surrealen ist die Tatsache, dass wir Dinge die logisch nicht zusammen gehören, von uns ohne Widerspruch akzeptiert werden. Die Bereitschaft zur Widerspruchslosigkeit wird gefördert durch das hervorragend harmonische Zusammenspiel des gesamten Ensembles. Eine Stimmung von ergriffener Konzentration lag in der Luft. Der minutenlange Applaus dürfte Beweis genug sein, dass die Inszenierung vor allem die sensiblen Erwartungen erfüllte. 


Die nächste Aufführung von Aymara von Alexandra Morales ist am Sonntag 22. Feb. 2015 um 18:30. Im März sind Aufführungen am 7., 13., 22. und 29. Sonntags um 18:30 sonst 20:00.

Sonntag, 8. Februar 2015

Der Wolf siedelt im Cuxland

(Otterndorf) Die Seelandhallen hinterm Deich standen am heutigen Sonntag ganz im Lichte der wiederkehrenden Wölfe bei der vom NABU-KV Cuxhaven-Bremerhaven initiierten Informationsveranstaltung. Bereits seit 15 Jahren ist der Wolf in der Lausitz wieder ansässig. Zu DDR-Zeiten wurden die einwandernden Wölfe aus der UDSSR abgeschossen. Doch mittlerweile gehört er dort schon wieder in das Bild der Natur. 

In Niedersachsen haben sich auch schon einige Wolfsrudel angesiedelt. Nun ist auch im Cuxland ein Wolfspaar gesichtet worden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit wann das erste Rudel im Cuxland dauerhaft leben wird. Das ruft einige Ängste bei Landwirten und Pferdebesitzern hervor. Die heutige Veranstaltung konnte zwar ausreichend entkräftende Argumente vortragen und wissenschaftlich untermauer, doch Angst ist eine irrationale Kraft, die in einem langen Prozess abgebaut werden muss. Die Referenten trugen sachlich und vertrauensbildend vor, und konnten damit viele der über 200 Teilnehmer der Veranstaltung „Gekommen um zu bleiben“ positiv erreichen. Markus Bathen, vom NABU-Projektbüro Wolf, erläuterte wie der Wolf seit Jahren einwandert, wo sich die Rudel befinden und welche Konsequenzen das für die Landwirtschaft und den Tourismus hat. Nach der Mittagspause referierte Vanessa Ludwig aus dem Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz über die 15jährigen Erfahrungen mit den Wölfen und die Auswirkungen für den Landstrich. Anschließend berichtete der Schäfer Knut Kucznik aus seinen Erfahrungen mit Herdenschutzhunden, eine Züchtung die mit Schafherden leben und den Wolf von Beutezügen abhalten. 


In der Abschlussdiskussion meldeten sich einige besorgte Bürger, die sich Rat erhoffen wie sie mit der Tatsache um gehen können, dass der Wolf wieder im Cuxland heimisch wird. Dabei wurde deutlich, wie sehr sich eine doch recht unbegründete Befürchtung vor dem Wolf in den Köpfen eingeprägt hat. Tatsache ist, dass der Wolf durchaus gut mit dem Menschen und den Nutztieren koexistieren kann und dies auch tut. Die Nahrung der Wölfe besteht zu fast 100% aus Wildtieren. Die Anzahl der Fälle, in denen Wölfe Nutztiere angefallen haben, sind nicht größer als die Zahl der Fälle die von wilden Hunden oder Füchsen stammen. Die Legendenbildung um den sogenannten bösen Wolf ist weit größer als die wirklichen Schäden. INFO NABU WOLF

Samstag, 7. Februar 2015

In Ewigkeit erstarrt

von Friedo Stucke
Trauernder Mann - Wieland Förster
(Bremen) Das Gerhard Marcks Haus darf mit Sicherheit als „das“ Bildhauermuseum im Norden bezeichnet werden. Just mit der aktuellen Ausstellung von Figuren wird hier eine Position in der Bildhauer Kunst ergründet die der Figur elementar ist: Der Schmerz! Man spricht von Mut in dem Bewusstsein, sich der Gefahr auszusetzen der Physis eine Verletzung, oder eben einen Schmerz, zuzufügen. Es kostet Überwindung und Entschlossenheit seinen Körper in Aktion zu versetzen, wohl wissend, dass in diesem Körper das Leben wohnt. Wir können die Gefahr des Todes oder einer Verletzung ignorieren, beim Militär ist das alltäglich, oder wir tasten uns mit Feingefühl an das Risiko heran, weil Entwicklung und Lernen immer mit dem Überschreiten von Grenzen zu tun hat.

Für die Ausstellung „Figur tut weh“, die noch bis 12. April im Gerhard Marcks Haus zu sehen ist, empfiehlt es sich Zeit mitnehmen. Es werden dort sehr viele und sehr unterschiedliche Positionen zur Figur gezeigt, die es Wert sind mit Bedacht nachempfunden zu werden. Gleich zu Beginn begegnet man einer männlichen Figur mit einem Arm. Dieser Arm hängt in einer gelösten Haltung herab. Er wirkt so leicht, dass man meint, man könne ihn zum schwingen bringen. Eine gelöste Haltung. Gleichzeitig streckt sich die Figur ins Hohlkreuz und dehnt den Hals zur linken Seite. Welche Anstrengung mag vorangegangen sein, damit die Figur diese Gesamthaltung eingenommen hat? Da es sich um eine eingefrorene Bewegung handelt, kann man davon ausgehen, dass die Figur - würde sie leben - sich selbst kaum darüber bewusst sein dürfte, was sie da gerade macht. Diese Figur erinnert an schwere Arbeit. Die älteren Leute unter uns haben eine ganz andere Erinnerung an schwere Arbeit als man sie heute noch machen kann. Wie haben sich die Grenzen der Anstrengung in den, sagen wir in den letzten 50-60 Jahren, verschoben? Allein mit der intensiven Betrachtung dieser Figur können wir ein bewussteres Verhältnis zur heutigen Zeit erlangen.

Wieland Förster im Vergleich mit anderen Bildhauern


Die Materialien sind Zement, Sandstein, Holz, Polyester, Textil, Leder , Eisen und überwiegend Bronze. Materialien und Konzepte der Figuren bilden eine Einheit wie z. B. in der Nr. 20 von Hede Bühl - Sitzende Figur, oder Nr. 12 von Michael Schoenholtz - Mann, teilweise bekleidet. Bei den bronzenen Figuren sticht ins Auge, dass die Materialwahl ideal mit der gestoppten Bewegung überein stimmt. Dabei ist jedem klar wie hart und starr Bronze ist. Verglichen mit der unterbrochenen Bewegung kommen einem unweigerlich Ideen von Ewigkeit und Tod in den Sinn. Anderseits ist Bewegung der Inbegriff von Leben.

Hände der Großen Neeberger Figur - Wieland Förster
Diese Widersprüche finden sich auf mehreren Ebenen in der Großen Neeberger Figur von Wieland Förster, die im Raum II den zentralen Punkt der Ausstellung einnimmt. Der erste Eindruck nimmt die Illusion von Schönheit. Mit 3,18 Meter ist sie schon fast von bedrohlicher Größe. Auf dem zweiten Blick fallen die Missverhältnisse der Proportionen auf. In die Länge gestreckte Waden, gestauchte, quellend muskulöse Oberschenkel, ein kantiges Becken, darüber eine abgeschnürte Taille. Der athletische Brustkorb würde ehr zu einem männlichem Schwimmweltmeister passen und sie idealisieren Brüste zu einer indischen Göttin. Einzig mit ehrlicher Anmut sind Hände und Füsse. Die Figur ist weder jugendlich noch alt, aber vielleicht auch beides. Sie ist weder aufreizend noch abstoßend, aber interessant genug um sie ergründen zu wollen. Ihr Gesicht ist nicht zu sehen, weil sie sich grad ein, sagen wir Kleid, überstreift. Ich muss in diesem Punkt Wikipedia widersprechen. Es ist der Moment in dem sie das Kleid vom Kopf aus über ihren Körper fallen lässt und nicht umgekehrt. Spinnen wir ruhig weiter: Sie war schwimmen mit ihrem Liebhaber und kleidet sich nun rundum befriedigt wieder an. Vielleicht steht sie so da um ihrem Liebhaber, der noch in der Nähe weilt, einen letzten Blick auf ihren nackten Körper zu gewähren. Mit einer toleranten Betrachtung findet man in dieser Figur die wichtigsten Themen die unser aller Leben ausmachen: Liebe, Sexualität, Vergnügen, Arbeit und Tod. Die Große Neeberger Figur umfasst alle Lebensabschnitte. Vielleicht ist das auch eine Hoffnung, auch im hohem Alter noch die Erfüllung des Lebens zu finden.


Unsere Vorstellungen von Schönheit, Körper, ewige Jugend, Arbeit, Zwang, Starre, Bewegung und Schmerz werden in den einzelnen Figuren der Ausstellung auf einen harten Prüfstand gezogen. Natürlich nur wenn man sich die Zeit nimmt und sich darauf einlässt etwas Konfrontierendes zu erfahren. Nur dann ist man evtl. bereit, in einer Zeit die Glück und verlockende Beschwingtheit prophezeit, die Mühe und den Schmerz zu akzeptieren der damit Hand in Hand geht. INFOS

Freitag, 6. Februar 2015

Der KlangHelden-Chor am Staatstheater sucht Nachwuchs!

© Karen Stuke
(Oldenburg) Die erfolgreiche Kinder- und Jugendchorarbeit am Oldenburgischen Staatstheater hat in dieser Spielzeit bereits mehrfach für Aufmerksamkeit gesorgt: Beteiligungen an Kinder-, Familien- und Sinfoniekonzerten sowie die eigene Opernproduktion ,Das Zauberwort‘ machten deutlich, dass hier intensiv gefördert und gefordert wird.
Stimmbildung, Einzelunterricht, genreübergreifende Programme verschiedener Stilrichtungen, Musiktheorie- und Gehörbildungsseminare sind überzeugende Argumente, um bei den KlangHelden einzusteigen. Dazu kommen eine lebendige und fröhliche Chorgemeinschaft sowie zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten für die jungen Akteure.
Derzeit wird die kommende Premiere der Jugendoper ,The Piper of Hamelin‘ von John Rutter vorbereitet. Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren sind nach einem kurzen Vorsingtermin herzlich eingeladen, dabei zu sein.
Darüber hinaus startet noch vor den Osterferien ein neuer Vorchor, in dem bereits jüngere sangesfreudige Mädchen und Jungen ab 6 Jahren mitsingen können. Hier werden erste stimmliche Erfahrungen gemacht und unter professioneller Anleitung kleinere Lieder und auch Produktionen erarbeitet. Spaß am Singen und Freude am szenischen Spiel sind wichtige Voraussetzungen für die Teilnahme.

Anmeldung und Information bei Chorleiter Thomas Honickel: Anmeldung

Donnerstag, 5. Februar 2015

„Aymara“ | Uraufführung | Tanz

Frederik Rohn, Bernhard Richter Pablo Botticelli © Jörg Landsberg
(Bremen) Mit „Aymara“ stellt sich Alexandra Morales erstmals, am Dienstag, 10. Februar um 20 Uhr im Kleinen Haus, als Choreografin am Theater Bremen vor mit der Uraufführung im Rahmen von TANZ Bremen

In ihrer ersten eigenen Arbeit am Theater Bremen richtet Alexandra Morales den Blick gemeinsam mit dem Ensemble in die eigene Vergangenheit und geht den Fragen nach, wie Erinnerung funktioniert und woher die Sehnsucht nach dem Rückblick auf Vergangenes kommt. Das Ensemble besteht aus den Tänzern aus der Kompanie „Unusual Symptoms“ Frederik Rohn und Gabrio Gabrielli, den Musikern Pablo Bottinelli und Stefan Kirchhoff sowie Mali Morales und Bernhard Richter. Auch drei Filmhühner, Uschi, Barbara und Frau Braun sind auf der Bühne zu sehen. 

Vom eigenen Leben zu erzählen, kann ein schmerzhafter Prozess sein. Nicht nur, weil sich darüber eben das Schmerzhafte wiederholt. Sondern weil damit oft die Sehnsucht verbunden ist, es mögen sich hinter den Erinnerungen ein Anfang und ein Ende hervortun, ein Sinn vielleicht: Dass alles so gekommen ist, weil es so kommen musste. Alexandra Morales‘ Ziel ist es, einen surrealen und träumerischen Abend zu gestalten und Emotionen freizusetzen. So werden in „Aymara“ Atmosphären, Eindrücke und die Verhältnisse der Personen auf der Bühne zueinander präsentiert: „Ich will keine Geschichte erzählen, sondern, dass die Zuschauer sich selbst erinnern, fühlen und erleben. Das eigene Ich steht im Fokus“, sagt die Choreografin. Als Inspiration für diese Produktion dienten Meilensteine und wichtige Entscheidungen im eigenen Leben.

Schon seit 2001 arbeitet die aus Costa Rica stammende Choreografin intensiv mit Samir Akika zusammen; 2009 gründeten sie gemeinsam das Label „Unusual Symptoms“. Ihre erste eigene Produktion „The Kitchen“ Premiere hatte 2012 Premiere. Seit der Spielzeit 2012/13 ist Morales als künstlerische Produktionsleiterin der Tanzsparte fest am Theater Bremen engagiert, wo sie für Samir Akika auch als Bühnen- und Kostümbildnerin tätig ist. „Aymara“ ist ihre erste Arbeit als Choreografin am Theater Bremen.


Premiere am 10. Februar, 20 Uhr im Kleinen Haus

Mittwoch, 4. Februar 2015

pulk fiktion - Die Konferenz der wesentlichen Dinge

(Oldenburg) Ein Gesellschaftsspiel für Kinder, Erwachsene und Familien von 8 bis 99 Jahren Ein Ort zwischen Theater und Spielplatz: Hier wird beobachtet und abgestimmt.  Was ist, wenn Kinder in Zukunft mit Hilfe der Gentechnik hergestellt werden? Wenn sich Kinder ihre Eltern und Eltern ihre Kinder aussuchen können? Wer kümmert sich dann um wen?

An einem großen Tisch kommt eine untereinander unbekannte Gruppe von Kindern und Erwachsenen zusammen und die Verhandlung beginnt. Ein Lautsprecher legt den Teilnehmenden Worte in den Mund. Werden sie widersprechen? 

Die interaktive Performance geht mit 20 TeilnehmerInnen auf die Suche nach der Bedeutung von Verwandtschaft, Verantwortung und Abhängigkeit und einem gemeinsam definierten Zusammenleben.


Dieses Gastspiel findet am 01. März um 11:00 und 15:00 im Theater Wrede + in der Klävemannstraße 16 statt. Theater Wrede +

Dienstag, 3. Februar 2015

Klimaschutz - was erwartet uns in Paris?

(Wanna) Der Klimagipfel in Lima 2014 ist im Dezember gescheitert. Doch nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel, jedenfalls solange die Sonne diesen Lebensraum noch nicht in Asche legt. Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz in Paris Ende diesen Jahres sind hoch. Der oekom e.V. - Verein für ökologische Kommunikation hat in der Reihe „politische ökologie“ die Broschüre „Klimaschutz - Neues globales Abkommen in Sichtweite?“ herausgegeben.

Es ist eine Sammlung verschiedener Aufsätze über Klimapolitik, Sachstandsberichte des IPCC, Kippelemente im Klimasystem, NGOs in der Klimapolitik, regionale Klimabewegungen, Internationale Klimaclubs, Klimawandel und Jugend, u.v.a.m. Die Autoren sind sachverständige Wissenschaftler und Aktivisten die über eine lange Erfahrung mit der Thematik verfügen. Die Broschüre ist sehr übersichtlich gestaltet und bietet die Möglichkeit sich, über die direkt angeführten Nachweise, tiefergehend zu informieren. Kontaktadressen zu den genannten Instituten und Autoren sind neben zahlreichen Literaturhinweisen genannt.

Neben dem Thema Klimawandel gibt es das „Spektrum Nachhaltigkeit“ mit Artikeln zu NGOs in der Degrowth-Diskusion, TTIP, Nachhaltigkeit und Personalmanagement in der Wissenschaft, über die Bedeutung der Bildung in der sozial-ökologischen Transformation.

Eine sehr empfehlenswerte Schrift: oekom verlag München 2014, Broschur 146 S., ISBN 978-3-86581-488-3 zum Preis von 17,95€ Oekom Verlag

Montag, 2. Februar 2015

Theater Curioso Darmstadt im Februar

(Darmstadt) Theater Curioso präsentiert noch zwei Mal in der Regie von Ulrich Sommer im Februar: Gut gegen Nordwind im Theater Mollerhaus. Es spielen Stephanie Meisenzahl, Michael Ihringer
Durch einen kleinen Tippfehler landet eine Email von Emmi Rothner versehentlich im Posteingang von Leo Leike und es entwickelt sich eine neckische Korrespondenz, in der die Nachrichten sehr schnell immer persönlicher, vertraulicher und intimer werden. Neugierig, frech, wortgewandt und gleichzeitig sehr sensibel versuchen die beiden, sich gegenseitig aus der Reserve zu locken. Bald taucht die Frage auf, ob man sich persönlich kennen lernen sollte…

Seminar für die Kunst vor der Kamera

(Hamburg) Das Artrium präsentiert, ein fünftägiges Intensivseminar über den Umgang mit der feinstofflichsten Form von Materie:  „Licht und Schatten in der Schauspielkunst“. Inmitten traumhafter Natur auf dem Künstlerhof „Grundstein Neukirchen“ findet das Seminar Ostern, vom 02. - 06. April 2015 direkt an der Ostsee statt
Szene aus Julia # Romeo Pur
„Viele Weise und Wissenschaftler sagen voraus, dass in unserer geschichtlichen Epoche ein neues Zeitalter beginnt. Wer werden wir also sein, wenn wir nicht den Mut haben, die Themen aufzugreifen, welche diese Zukunft respektieren?“ so Lukas Scheja, Leiter des Seminars und der Schauspielschule Artrium aus Hamburg.
Die meisten Schauspieler glauben, dass die Gestaltung von Licht und Schatten in ihrer Theater- oder Spielfilmszene für das Publikum ohnehin sichtbar sind und damit alleine Thema des Beleuchters. Weit gefehlt! Es ist eine ganz besondere Fertigkeit des Schauspielers, in seinen Szenen das für das Publikum gegebene Licht, von seinem Spiel aus sinnvoll erfahrbar zu machen, und zwar nicht nur in den Augen des Publikums, sondern auch in dessen anderen Sinnen und noch darüber hinaus.
Wie geht das? Diese Frage wird in dem 5tägigen Schauspielseminar differenziert nachgegangen und zwar anhand von Theaterszenen, als auch anhand von Spielfilmszenen vor laufender Kamera, inmitten der jeweils dafür ausgetüftelten Beleuchtung. Die Ergebnisse werden auf einem Screen angesehen dann gemeinsam analysiert. Die Umstände für dieses sehr besondere und inhaltlich bahnbrechende Seminar sind komplex und entsprechend zeitaufwendig. Der Arbeitsraum, mit direktem Panorama auf die Ostsee, befindet sich auf dem Gelände eines der ursprünglichsten Seminarzentren Norddeutschlands, welches zu Ostern eine explodierende und aufkeimende Natur verspricht.
Lukas Scheja arbeitet und forscht seit 25 Jahren international in den darstellenden Künsten. Er gilt als Experte sowohl als Schauspielcoach und Seminarleiter, als auch als Regisseur und Direktor des Artriums in Hamburg.
Viele Teilnehmer kommen zu diesen außergewöhnlich intensiven und lehr- reichen Seminaren seit vielen Jahren aus ganz Deutschland angereist und beschreiben die Seminare selbst als unverzichtbare Meilensteine auf ihrem Weg der Kultivierung ihres Künstlers als auch ihrer Kunst selbst. Kontakt: Uta Scheja (Leitung Artrium) Tel.: 0172 70 22 111. Infos zu Kosten und Termine etc.: Artrium homepage

Sonntag, 1. Februar 2015

Abhörrealität in der Schwankhalle

dreiprozentextra (3%+)
von Friedo Stucke
(Bremen) Die Schwankhalle in Bremen ist der Raum für Ideen. Die Theatergruppe dreiprozentextra (3%+) hat diese Ideen mit dem Stück E.D.D.I.E. .  Es geht um Daten, wie sie gesammelt werden, was damit geschieht und darum wie wir alle damit konfrontiert sind. dreiprozentextra, das ist Theater aus der sogenannten Hildesheimer Schule. Das ist Theater mit einem hohen Aktualitätsgehalt, das sind Fakten die mit theatralischen Mitteln präsentiert werden.

Wenn man eine anonyme Kreditkarte über fünf Zahlungsvorgänge beobachtet, kann man zweifelsfrei den Namen des Karteninhabers feststellen. Über das mitgeführte Mobiltelefon kann man den genauen Aufenthaltsort einer Person ermitteln. Über das Surfverhalten im Internet wird den Nutzern, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Werbung zugestellt. Und all das ist strikt illegal. Es ist allerdings auch schwierig eine Legalität einzufordern, da wir alle nur zu gerne unsere Daten, auch die sensiblen freizügig zur Verfügung stellen. Beim Media-Markt tun wir es, wenn wir unsere PLZ angeben. Beim Real-Kauf tun wir es, wenn wir die Kassen nutzen die ohne Personal ausgestattet sind. Im Supermarkt unterschreiben wir sogar eine Einwilligung dafür, wenn wir mit der Kreditkarte unsere Lebensmittel bezahlen. Und bei Facebook, nun ja, dass ist ja hinreichend bekannt, dass wir dort den kompletten Seelenstriptease machen. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem wie wir uns „frei“ bewegen, und dem wie mit diesen frei zu beobachtenden Verhalten umgegangen werden sollte. Das ist sicher eine ethische Frage. Es ist aber auch eine rechtliche Frage wenn soviel Missbrauch damit geschieht.

Der Missbrauch ist zunächst einmal noch gar nicht zu definieren. Denn es gibt keine gesetzliche Regelung die auf alle Fälle anzuwenden wäre. In der Performance von (3%+) bekommt man einen sehr treffenden Eindruck von der allgegenwärtigen Datensammelitis. Und wer die Nachrichten aufmerksam verfolgt, der ist im Bilde welche Gefahren davon ausgehen können. Z.B. kann es geschehen, dass man einige Worte, die in ein terroristischem Profil passen, ausspricht, und man verliert seine Bürgerrechte, muss Folterungen und Verhöre über sich ergehen lassen. Es werden Millionen und Abermillionen Telefone angehört, aber über das abgehörte Telefon der Kanzlerin regt man sich auf. Seltsam, ist nicht die größte politische Gefahr für andere Staaten gerade von diesem Anschluss aus zu erwarten? Nach der Aufführung stellt man sich die Frage wofür diese Daten wirklich gesammelt werden. Angeblich um die Bevölkerung vor Terror zu schützen. Doch in Paris haben wir grad gesehen, dass die Attentäter von Charlie Hebdo zwar den Sicherheitsbehörden bekannt waren, aber die Morde konnten nicht verhindert werden. Leben wir wirklich in Schilda, der Stadt in der mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird? Oder ist der Sinn der Totalüberwachuung ein probates Mittel die evtl. aufkommende Selbständigkeit normaler Bürger durch ein gigantisches Angstszenario einzudämmen? Was um alles in der Welt rechtfertigt die Milliardenbeträge der Überwachungskosten, während überall auf der Welt Elend, Hunger und Armut herrscht? Was ist so wertvoll, das es um jeden Preis geschützt werden muss, um den Preis des völligen Verzichts auf Privatsphäre der gesamten Menschheit?

dreiprozentextra gibt natürlich darauf keine Antwort und stellt auch nicht diese Fragen. Sie gibt einen breiten Einblick in die Datensammelwut und konfrontiert das Publikum mit dem eigenen künftigen Verhalten. Aber eines wird sehr deutlich: Wir, die wir ausgespäht werden, sind machtlos. Man bekommt das Gefühl, dass Demokratie und Rechtsstaat noch nie so fern waren wie jetzt.

Die nächsten Aufführungen von E.D.D.I.E sind am 4. und 13. März im Polyester in Oldenburg. Infos