Inh. Friedo Stucke, Kastanienbogen 8 in 21776 Wanna  eigene.werte@t-online.de

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Ganz schön gerissen!

Asger Jorn - La femme si pres
(Emden) Die einen kleben es `ziglagig übereinander, um den Konsumenten zum Kauf von Dingen zu verführen, ein Künstler reißt die Lagen en bloc ab, um sie zu decollagieren. Der Künstler ist, oder besser war, der Däne Asger Jorn, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Um seine Kunst einzuordnen ist es hilfreich zu wissen, dass er Gründungsmitglied der Gruppe CoBrA war. Der Name sollte in der namentlichen Ähnlichkeit zur giftigen Kobra die Progressivität verdeutlichen, mit der die Künstler der Gruppe gegen akademische und gesellschaftliche Normen arbeiteten. Und er war der Mitbegründer der Situationistischen Internationalen, einer linksradikal orientierten Gruppe europäischer Künstler und Intellektueller die in den 60er Jahren aktiv waren. Jorns ausgestellte Arbeiten entstehen also im Spannungsfeld zwischen Kapitalismuskritik aber auch der Ablehnung von sozialistischer Planwirtschaft. Anarchismus?

Asger Jorn - Cabri-Cobra
Künstlerisch beeinflusst war er z.B. von Max Ernst und Pablo Picasso, was man zweifelsfrei und offensichtlich erkennt. Bei den 58 ausgestellten Arbeiten handelt es sich um Collagen und Decollagen. Die Collagen klebte er aus gerissenen Papieren über- und nebeneinander zusammen. Bei den Decollagen löste er große Segmente Plakate mit bis zu 20 Schichten von öffentlichen Plakattafeln ab. Aus diesen Stücken riss er im Atelier größere und dickere Papierfetzen heraus, hob behutsam einzelne Schichten ab oder zupfte Papierstückchen heraus. Dann arrangierte er mit technischer Raffinesse und Könnerschaft die unterschiedlichen Fragmente neu und fixierte das Ergebnis. Zum Teil malte und zeichnete er noch in die Komposition hinein.

Durch die großzügige Schenkung Otto van de Loos, des Galeristen und Wegbegleiters Asger Jorns, verfügt die Kunsthalle Emden jetzt mit 15 Werken über die größte Anzahl von Jorn-Arbeiten in einem deutschen Museum.  In der Ausstellung werden auch weiteren 43  Werke präsentiert, die aus fünf verschiedenen Ländern, fast ausschließlich aus Privatbesitz, stammen.
Asger Jorn - Petite-tete-a-grand-air

Parallel zeigt die Kunsthalle Emden „Künstlerräume“ Die Sammlung im Fokus. Nahezu zeitgleich mit jeder Sonderausstellung wechselt die Sammlungspräsentation. Im diesjährigen Programm „Künstlerräume“ sind einzelnen Künstlern ganze Kabinette oder Säle gewidmet. Im Zentrum der Betrachtung stehen Gemälde und Papierarbeiten von Heiner Altmeppen, Miriam Cahn, Lovis Corinth, Emil Nolde, Franz Radziwill, Hanns Ludwig, Per Kirkeby, A.R. Penck, Heimrad Prem, Arnulf Rainer und Emil Schumacher. Zwei Bereiche sind den Malern gewidmet die nicht in der Sammlung vertreten sind: Jan Oeltjen und Frank Wiebe.


Die Sonderausstellung: „Ganz schön gerissen!“ Asger Jorns Collagen und Decollagen ist noch bis 18. Jan. 2015 zu sehen. Weitere Infos

Freitag, 24. Oktober 2014

Long Time No See

(Otterndorf) Die Stadt Otterndorf zeigt in Kooperation mit der Griffelkunst-Vereinigung im Rahmen der 355./356. Bilderwahl der griffelkunst Fotogafien von Volker Renner. Eröffnung der Ausstellung ist am Sonntag 26. Okt. 2014 in der Galerie der Stadtscheune, Sackstraße 4 um 11:00. Zur Begrüßung spricht Claus Johannßen, Bürgermeister der Stadt Otterndorf, und Prof. Dr. Ralf Busch.


Motivische Vielfalt und Variantenreichtum künstlerischer Techniken – so kann man die Herbstwahl der Griffelkunst-Vereinigung überschreiben. Von Heinrich Kühn (1866–1944), Kunstphotograph der ersten Stunde, bis hin zu Arbeiten des jungen Bildhauers Thomas Straub, der mit Jade-Mehl überdruckte Photokopien gefertigt hat, reicht das Spektrum der aktuellen Editionen.

Die Sonderausstellung „Long Time No See“ zeigt Fotografien des Hamburger Künstlers Volker Renner, welche auf einer Amerikareise entstanden sind.  Zu sehen sind schwebende Rahmen, die früher beleuchtete Werbeschilder aller Größen und Formen trugen, doch nun da die beworbenen Standorte geschlossen sind, stehen diese Informatoren ohne Information in der Gegend herum und rahmen lediglich einen Ausschnitt des leuchtend-blauen Himmels ein.

Samstag, 18. Oktober 2014

Raumwidmung für Dietrich Helms

Dietrich Helms © by Jürgen Wesseler
(Bremerhaven) Der Kunstverein Bremerhaven mit der Siebten Veränderung. Dem Künstler Dietrich Helms ein Raum im Kunstmuseum gewidmet. Die Eröffnung dazu findet am Sonntag den 26.10.2014 um 11:00 statt.

Mitunter kommt Radikalität unscheinbar daher. So bei den Werken von Dietrich Helms. Die Kunstwerke des 1933 in Osnabrück geborenen Künstlers machen auf den ersten Blick einen banalen Eindruck. Meist sind sie aus Alltagsmaterialen gefertigt, farblich eher unauffällig oder in ihrer Farbigkeit zumindest nicht effektorientiert oder auf Aufmerksamkeit hin angelegt. Auch ihre Dimensionen sind nicht ungewöhnlich. Doch die unaufgeregten „Sachen“, die übermalten Landkarten, die Wandobjekte, Bildstücke oder Materialobjekte unterlaufen, beziehungsweise unterliefen die klassischen Erwartungen an ein Kunstwerk. Schon die Bezeichnung der Werkgruppen macht dies deutlich: „Sachen“, „Bildstücke“ oder „Rezeptkunst“ entsprechen keiner traditionellen Kategorisierung. Wunderschön bunt sind sie ebenfalls nicht, auch haben sie nichts Erhabenes, sind kein Abbild und dann sind sie mitunter noch nicht einmal vom Künstler selbst ausgeführt.

Während in den 1960er Jahren auf der einen Seite Pop-Art, Aktions- und Konzeptkunst durch ihre Aufsehen erregenden Aktionen, überdimensionalen Werke oder plakativen Motive die tradierten Kriterien für Kunst mit Vehemenz in Frage stellten, hinterfragte Dietrich Helms diese Kriterien weit weniger spektakulär, aber nicht minder radikal, grundsätzlich und wirkungsvoll auf eine stille Art mit vordergründig einfachen künstlerischen Werken oder Aufforderungen.

Unaufgeregt holte Dietrich Helms die Kunst von ihrem Sockel. Jahre bevor jeder durch die Fehlinterpretation eines aus dem Zusammenhang gerissenen Zitates zu einem Künstler wurde, forderte Dietrich Helms bereits Laien zur Teilhabe an der Kunstproduktion auf. So zum Beispiel 1969 bei einer Einladung zu einer Ausstellung in der Galerie Ernst in Hannover oder wenig später im Kabinett für aktuelle Kunst in Bremerhaven, wo seine Arbeiten 1970 und 1972 präsentiert wurden. 1999 folgte seine erste Einzelausstellung in der Kunsthalle. 


Nun widmet der Kunstverein dem unscheinbaren Radikalen einen eigenen Raum im Kunstmuseum Bremerhaven. Präsentiert wird eine Auswahl von Papierarbeiten und Objekten aus der Sammlung des Kunstvereins, die offenbart, dass Helms‘ Werke bis heute nichts von ihrer unaufdringlichen Grundsätzlichkeit verloren haben.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Der Kredit - Theater im Moller Haus

Hans Richter und Ulrich Sommer © by Anouschka Sarafzade
(Darmstadt) Das Theater Curioso hat am Samstag den 18. Oktober 2014 Premiere mit der neuesten Produktion „Der Kredit“ von Jordi Galceran. Das idyllisch-spießbürgerliche Leben des Herrn Götz, Filialleiter einer Sparkasse, wird durch das Auftauchen des korrupten Kunden Anton Schmidt aus den Angeln gehoben und der Wert des Geldes in ein neues Licht gerückt. Geld gegen das eigene Glück!
Wenn Sie in unserer zivilisierten Welt Geld brauchen, dann gehen Sie zur Bank und bitten um einen Kredit. Wenn man Ihnen den nicht gewährt, dann gehen Sie mit hängendem Kopf wieder nach Hause und denken sich, dass die Dinge wirklich schlecht stehen; dass die Zeiten sich geändert haben; dass Sie an die Kredite einfach nicht herankommen.
Aber vielleicht ist das heute nicht so... Vielleicht gehen Sie heute, wenn man Ihnen den Kredit verweigert, nicht wie ein Schäfchen mit eingezogenem Schwanz wieder nach Hause. Vielleicht sehen Sie heute dem Filialleiter der Bank in die Augen, legen Ihre Karten auf den Tisch und geben ihm zu verstehen, dass Sie heute die Zügel in der Hand halten, und dass Sie, wenn er Ihnen das Geld nicht geben wird, drastische Maßnahmen ergreifen werden. Folgenschwere Maßnahmen. Nichts gewalttätiges, um Gottes willen, nein! Aber sollte der Herr Filialleiter heute nicht das Geld rausrücken, dann werden Ihre definitiven Maßnahmen sein Leben in eine Katastrophe verwandeln.
In seiner skurrilen und satirisch-bissigen Komödie „Der Kredit“ schreibt Jordi Galceran über die sich immer weiter ausbreitenden Zahlungsunfähigkeiten, unsere Insolvenz und über unsere Ängste, die sozialen Sicherheiten zu verlieren. Das idyllische spießbürgerliche Leben des Filialleiters einer Bank wird durch das Auftauchen des korrupten Kunden Anton Schmidt aus den Angeln gehoben und der Wert des Geldes in ein neues Licht gerückt. Im Handumdrehen sind die Weichen gestellt für den Absturz des Filialleiters in ein prekäres Dasein. Erfrischend komisch schildert Galceran, wie sich die Machtverhältnisse neu ordnen: Schritt für Schritt gerät der Filialeiter in die Fänge des Antragstellers, der so etwas wie die Parodie eines scheinheiligen Coaching-Gurus ist, bis am Ende die Rollen gänzlich vertauscht sind.
Jordi Galceran, geboren 1964 in Barcelona, studierte Katalanische Philologie an der Universität seiner Heimatstadt. 1988 debütierte er als Dramatiker. Einige seiner Stücke hat er selbst inszeniert oder als Schauspieler in ihnen mitgewirkt. 1995 gewann er für „Worte in Ketten“ den XX. Premi Born de Teatre sowie 1997 den Kritikerpreis Serra d’Or für das beste katalanische Stück des Jahres. „Dakota“ wurde 1995 mit dem Ignasi-Iglésias-Preis ausgezeichnet. Mit dem 2003 uraufgeführten Stück „Die Grönholm-Methode“, in dem er unsere Ängste und Unsicherheiten in der Arbeitswelt beschreibt, erfolgte sein internationaler Durchbruch.

Schauspiel und Regie von Hans Richter und Ulrich Sommer. Premiere im Theater Moller Haus, Sandstr. 10 in 64283 Darmstadt. VVK Tickets gibt es hier oder 06151 - 26540. Weitere Vorstellungen am 7. Nov. 2014, Beginn jeweils um 20:00.

Montag, 6. Oktober 2014

Vor der Buchmesse

Kolumne zu den Neuerscheinungen von Friedo Stucke

(Frankfurt) Alles was über eine 16-Stunden-Woche hinausgeht stresst mich derart, dass ich zu keiner kreativen Leistung mehr fähig bin. Der Flow muss sich bei mir jeden Tag aufs neue einstellen. - Das kann man nicht einfach so erzwingen. - Den Rest der Woche arbeite ich an meiner Konstitution als schwer arbeitender Schriftsteller. Schon allein die vielen Stunden die ich zur Selbstdarstellung auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken verbringe, rauben mir eine Menge Schöpferenergie. Für mich als bahnbrechenden Autor ist es wichtig ein ausgeglichenes Privatleben zu führen. Es ist ein so entspanntes Gefühl Fotografien von Rosen aus meinem Garten und Katzen die etwas dummes tun ins Netz zu posten, dass daraus ein Quell ganzheitlicher Ideen für mich erwächst.

Man wird wohl nachvollziehen können, wie wichtig es für mein seelisches Gleichgewicht ist die richtige Kleidung auszuwählen für die kommenden Buchpremieren. Dieser Tage stehe ich im engen Kontakt mit meinem Verleger, der mir die kleinsten Farbänderungen des aktuellen Cover Entwurfs mitteilt. Für die Presse muss mein Outfit spannungsreich aber harmonisch, komplimentierend aber reizend, offensichtlich aber geheimnisvoll wirken, damit mein Buch die richtige Aufmerksamkeit bekommt. Dem blöden Geschreibsel der Kulturredakteure ist ja nicht zu trauen.

Mit meinem Agenten habe ich eine ganze Reihe Regelungen zu besprechen wo ich in Frankfurt logieren werden, mit wem ich mich zu welchem Dinner treffe und wie die Presse Termine und Lesungen dazwischen gescheduled werden. Das bedeutet mir soviel Stress, dass gar nicht daran zu denken ist, wie ich meine täglichen Schreibeinheiten ausführen kann. In dieser Woche zählt nur wie mein überwältigendes Elaborat unter zehntausenden von Neuerscheinungen ideal zu Geltung gelangt. Etwas geschrieben zu haben, dass noch keine literarische Nische hat, etwas so bahnbrechend Komponiertes, so ein erleuchtendes Geisteswerk wie „MEIN BUCH“ wird sich ohne jeden Zweifel aus der Schwämme der zahllosen Titel heraus heben, so wie sich ein Orca über die Wellen des Atlantik zum Looping schwingt. Ein spektralfarbener Regenbogen der sich in seiner Farbenpracht um die ganze Welt zieht und Tag so wie die Nacht zur neugierig lesenden Einheit zwingt.

Für alle die es, aus welch unerfindlichen Gründen, nicht zur Frankfurter Buchmesse schaffen um mein neuestes Machwerk in den Händen halten zu können, spreche ich hier einen kleinen Trost aus: Für 8,99€ als Taschenbuchausgabe wird es schon bald in ihrer Buchhandlung im Regal stehen. Die Ebook-Fassung habe ich selbst bei BOD erstellen lassen. Wegen der risikobereiten Produktionsbedingungen müssen wir leider 14,89€ verlangen. Die Hörbuch Version wurde von zwei ganz ungemein berühmten Schauspielern gesprochen mit deren Namen der Verlag beschlossen hat nicht hausieren gehen zu wollen.

Einen Tusch für diese Woche der weltgrößten Buchmesse. Viola!

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Zuhause von Ingrid Lausund

Am 2. Mai 2014 hatten Birgit Corinna Lange und Friedo Stucke einen Auftritt im Kammertheater „Der Kleine Bühnenboden“ in Münster. Die nächste Vorstellung ist am 17. Okt. 2014 in den Seelandhallen in Otterndorf. Arndt Zinkant, Kulturjournalist aus Münster hat zur Vorstellung in Kammertheater die folgende Kritik geschrieben, die wir hier gerne veröffentlichen.
Zuhause – ein schönes Wort. Eins, das nach Geborgenheit klingt, nach einem Rückzugsort, den die Werbung uns mit unerschöpflicher Farbpalette schönpinselt. Aber wer Stücke von Ingrid Lausund kennt, ist darauf gefasst, dass die Autorin hinter heimeliger Fassade nach Rissen fahnden und das Zuhause ihrer Figuren als Neurosenherd entlarven wird. Das ist teils abgründig, teils traurig und oft saukomisch. Jedenfalls, wenn die Darsteller so viele Funken aus ihren Monologen (Auszüge aus Lausunds Sammlung „bin nebenan“) schlagen wie Birgit Corinna Lange und Friedo Stucke in Münsters Kleinem Bühnenboden. Friedo Stucke legt in der ersten Szene lässig vor. Als Strohwitwer hat er sein Zuhause ganz für sich – und schafft sich für einen Tag ein männliches Paradies, wie es klischeehafter nicht sein könnte. Da werden Fleischberge gebrutzelt, morgendliche Biere gekippt, und zwischen Steven Segals Knochenbrecher-Videos genießt Mann die Freuden der Onanie und ungestörte
Flatulenz. Boah! Birgit Corinna Lange (Bico La) kontert in der zweiten Szene mit viel subtilerer Weiblichkeits-Satire. Zuckersüß und affektiert verschönert sie als Luxus-Dame ihr Badezimmer mit Deko-Zeugs und edlem Badezusatz. Doch die (erotischen) Luxusträume driften immer mehr in ein Bedrohungsszenario von afrikanischen Flüchtlingen, die ihren Wohlstand stumm in Beschlag nehmen. Die Phantasie endet in einer Vision von Seenot und Ertrinken, die unter die Haut geht. Die nächste Frauenfigur ist eine bebrillte Hausfrauen-Karikatur, die Bico La saftig-süffig ausreizt. Da wird geträumt vom Auswandern, vom guten gerechten Leben – und alle Aggressionen muss am Ende der Staubsauger schlucken: „Friss Dreck!“ Genialer sprachlicher Kniff: Die Figur beschreibt ihr eigenes Tun nur mit endlosen Infinitiven. Und ruft beim Fernsehen keck: Zapp-zapp! Am Ende: Der alternde Mann und der Tod. Eine tragischer Erfolgsstyp, der doch nur ein Loser-Leben hinter sich hat. Und das „Zuhause“, das er sucht, ist die ideale Grabstelle. Traurig – aber bei Friedo Stucke doch irgendwie cool. Ein Theater-Abend mit Witz und Tiefe, der die Gäste begeisterte.
Tickets gibt es via online : Tickets Online oder unter 0171 - 333 54 96